BGE 125 II 411 |
41. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1999 i.S. X. und weitere Beteiligte gegen Republik der Philippinen, Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich, Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
Regeste |
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Parteistellung des ersuchenden Staates. |
Sachverhalt |
A.- Die Republik der Philippinen ersuchte im April 1986 das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) um Rechtshilfe in Zusammenhang mit der Rückführung von Vermögenswerten, die sich Ferdinand Marcos, seine Angehörigen und ihm nahestehende Personen in Ausübung ihrer öffentlichen Funktionen unrechtmässig angeeignet haben sollen. Das Gesuch betraf u.a. auch X., der vom Dezember 1973 bis zum 25. Februar 1986 Energieminister der Philippinen und gleichzeitig Präsident der Philippine National Oil Company (PNOC) gewesen war. Gestützt auf dieses Rechtshilfeersuchen sperrte die Bezirksanwaltschaft Zürich diverse Konten in Zürich, auf denen Vermögenswerte von X. vermutet wurden.
|
B.- Mit Eingabe vom 10. August 1994 ersuchte der damalige philippinische Generalstaatsanwalt (Solicitor General) unter Bezugnahme auf die verschiedenen Rechtshilfeersuchen in Sachen Marcos die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich um Übergabe aller Dokumente, die sich auf die Bankkonten von X. in der Schweiz beziehen, und um die Überweisung der entsprechenden Gelder an die Philippinen.
|
C.- Mit Schlussverfügung vom 4. Dezember 1998 entsprach die Bezirksanwaltschaft diesem ergänzenden Ersuchen im Sinne der Erwägungen. Sie ordnete die Herausgabe der sichergestellten Bankdokumente sowie -- unter bestimmten Auflagen -- die Überweisung der Vermögenswerte an die Philippine National Bank an. Hiergegen erhoben X. und weitere Beteiligte am 6. Januar 1999 Rekurs an das Obergericht des Kantons Zürich.
|
D.- Am 25. Februar 1999 beantragte die Republik der Philippinen, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Martin Kurer und Hanspeter Zgraggen, sie sei im Rekursverfahren als Beteiligte zuzulassen und es sei ihr eine Frist anzusetzen, um zum Rekurs Stellung zu nehmen. Die Rekurrenten widersetzten sich diesem Antrag. Mit Beschluss vom 12. April 1999 liess das Obergericht die Republik der Philippinen für das Rekursverfahren als Beteiligte zu und ordnete an, dieser sei nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses Ge- legenheit zu geben, sich zur Rekursschrift der Rekurrenten äussern zu können. Der Republik der Philippinen sei allerdings nur teilweise Einsicht in die Rekursakten zu gewähren und es seien alle Stellen abzudecken, die sich auf bereits eingeholte Bankauskünfte bzw. Unterlagen beziehen.
|
E.- Gegen diesen Beschluss erhoben X. und weitere Beteiligte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragen, das Akteneinsichtsrecht der Republik der Philippinen sei weiter einzuschränken, so dass dieser keine Tatsachen bekannt gegeben werden, die nicht ausschliesslich das Verfahren betreffen.
|
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen, den angefochtenen Beschluss des Obergerichts aufgehoben und den Antrag der Republik der Philippinen auf Zulassung zum Rekursverfahren abgewiesen,
|
aus folgenden Erwägungen: |
3. a) Im Rechtshilfeverfahren kommt dem ersuchenden Staat als solchem keine Parteistellung zu (vgl. BGE 119 Ib 64 E. 3b S. 70; BGE 115 Ib 193 E. 6 S. 196; vgl. auch Botschaft vom 29. März 1995 betreffend die Änderung des Rechtshilfegesetzes, BBl 1995 III S. 30). Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung eine Ausnahme zugelassen und die Parteistellung des ersuchenden Staates anerkannt, wenn dieser zugleich Geschädigter i.S.v. Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) ist: So räumte das Bundesgericht der Republik der Philippinen mit Präsidialverfügung vom 29. Juni 1990 die Möglichkeit ein, sich am Beschwerdeverfahren i.S. Erben des Ferdinand Marcos zu beteiligen, weil sie glaubhaft dargetan hatte, durch strafbare Handlungen von Ferdinand Marcos und den Mitangeschuldigten an ihrem Vermögen geschädigt worden zu sein und sich in der Strafsache gegen Marcos und Konsorten auf den Philippinen nicht nur als Anklägerin sondern auch als geschädigte Partei beteiligte. Aus den gleichen Gründen hielt das Bundesgericht die Republik der Philippinen für befugt, gegen den die Herausgabe der Marcos-Vermögenswerte ablehnenden Entscheid des Zürcher Obergerichts Beschwerde zu erheben (unveröffentlichter Entscheid vom 7. Januar 1998, E. 1b): Zumindest in Fällen, in denen es dem ersuchenden Staat um die Wiedererlangung von Vermögenswerten gehe, die ihm deliktisch entzogen worden seien, werde der Staat persönlich und direkt von der Rechtshilfemassnahme betroffen und habe ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung von Rechtshilfeentscheiden, die sein Herausgabeersuchen ablehnen. Hervorzuheben ist, dass dem philippinischen Staat in jenem Verfahren bereits alle Bankdokumente bekannt waren und er insbesondere auch die Namen der kontoführenden Gesellschaften und Stiftungen und deren Verbindung zu Ferdinand Marcos bzw. seinen Erben kannte. Zudem war die Herausgabe der in der Schweiz blockierten Vermögenswerte bereits im Entscheid BGE 116 Ib 452 grundsätzlich bewilligt worden und nur der Zeitpunkt ihrer Übergabe bis zum Vorliegen eines vollstreckbaren Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheids des zuständigen philippinischen Gerichts hinausgeschoben worden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor Bundesgericht war somit nur noch die Frage, ob die Vermögenswerte vorzeitig, vor Vorliegen eines solchen Urteils, herausgegeben werden durften.
|
b) Im vorliegenden Verfahren geht es nicht nur um die Herausgabe von Vermögenswerten, die X. deliktisch zu Lasten des philippinischen Staates erworben haben soll, sondern auch um die Herausgabe von Bankdokumenten, aus denen sich u.a. die Identität des Inhabers der gesperrten Konten und die Herkunft dieser Gelder ergibt. Es handelt sich hierbei um Informationen aus dem Geheimbereich, die dem ersuchenden Staat erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtshilfeverfahrens bekannt gegeben werden dürfen. Wird der ersuchende Staat zum Rekursverfahren zugelassen, besteht die Gefahr, dass er bereits in diesem Verfahren und somit vorzeitig Kenntnis von sensiblen Informationen erhält. Diese Gefahr kann durch eine Beschränkung des Akteneinsichtsrechts gemindert, nicht aber vollständig ausgeschaltet werden: Es besteht - gerade bei umfangreichen Rechtshilfeakten - die Gefahr, dass Informationen nicht vollständig abgedeckt werden oder dem ersuchenden Staat versehentlich im Rahmen des Schriftenwechsels bekannt gegeben werden. Überdies ist die Abdeckung sämtlicher sensibler Informationen ausserordentlich zeitaufwendig und erschwert die Prozessführung in einem Mass, welche dem Gebot der raschen Erledigung gemäss Art. 17a IRSG widersprechen kann. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Einschränkung der Akteneinsicht auch die Parteistellung des ersuchenden Staates entwertet: So ist es im vorliegenden Fall schwer vorstellbar, wie die Republik der Philippinen glaubhaft machen soll, dass die bei den weiteren Beteiligten beschlagnahmten Vermögenswerte offensichtlich deliktischen Ursprungs sind, wenn sie weder deren Identität noch die Herkunft ihrer Vermögenswerte kennt.
|
c) Aus den genannten Gründen hat es das Bundesgericht in einem unveröffentlichten Entscheid vom 5. Juni 1998 (E. 1d) abgelehnt, die Republik Äthiopien zu einem Beschwerdeverfahren zuzulassen, das die Herausgabe sowohl von Bankdokumenten als auch von beschlagnahmten Vermögenswerten betraf. Die Republik Äthiopien hatte geltend gemacht, sie sei geschädigte Partei und das Verfahren betreffe die Wiedererlangung von Vermögenswerten, die ihr deliktisch entzogen worden seien. Das Bundesgericht war der Auffassung, die Zulassung des ersuchenden Staates in einem solchen Fall gefährde das öffentliche Interesse am ordnungsgemässen Verfahrensablauf und berge die Gefahr einer vorzeitigen Bekanntgabe geheimer Informationen. Eine Zulassung des ersuchenden Staates könne daher erst nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens in Betracht gezogen werden, d.h. im Regelfall erst nach Vorliegen der Schlussverfügung und eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Herausgabeentscheids des ersuchenden Staates i.S.v. Art. 74a Abs. 3 IRSG. Das Bundesgericht gab zu Bedenken, dass dem ersuchenden Staat durch die Versagung der Parteistellung kein Schaden entstehe, weil die Rechtshilfebehörde (in jenem Verfahren das BAP) im Beschwerdeverfahren Gelegenheit habe, die für das äthiopische Ersuchen sprechenden Argumente vorzutragen (a.a.O. E. 1e).
|
d) Im vorliegenden Fall liegen die Umstände gleich: Auch hier kommt eine Zulassung des philippinischen Staates zum Rechtshilfeverfahren frühestens in Betracht, wenn rechtskräftig über die Herausgabe der Bankdokumente entschieden worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt vertreten die Bezirksanwaltschaft, welche das Rechtshilfegesuch bewilligt hat, und das BAP die Interessen des ersuchenden Staates.
|