BGE 133 II 30
 
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Schweizerische Bundesbahnen SBB (SBB AG), Bundesamt für Verkehr (BAV) sowie Eidgenössische Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
1A.108/2006 vom 7. November 2006
 
Regeste
Verfahren zur Sanierung des Eisenbahnlärms durch bauliche Massnahmen; Bestimmung des Streitgegenstandes.
 
Sachverhalt
Die Schweizerischen Bundesbahnen reichten am 20. Juli 2001 ein überarbeitetes Plangenehmigungsgesuch zur Lärmsanierung auf dem Gebiet der Stadt Baden ein. Das Projekt wurde vom 22. Oktober bis 21. November 2001 öffentlich aufgelegt. Während der Auflagefrist erhoben unter anderem die Eigentümer von zwei Liegenschaften an der Zürcherstrasse Einsprache. Sie verlangten einerseits, dass die Südost-Fassade des einen Hauses ebenfalls in den Sanierungskataster aufgenommen werde, und andererseits, dass die Lärmschutzwand im Bereiche ihrer Liegenschaften zu erhöhen sei.
Mit Verfügung vom 12. Mai 2004 erteilte das Bundesamt für Verkehr (BAV) den ihm vorgelegten Plänen die Plangenehmigung und gewährte für verschiedene Teilbereiche, so auch für den die beiden Liegenschaften betreffenden Teilbereich, Erleichterungen. Die Einsprache der Grundeigentümer wurde abgewiesen, soweit sie nicht als gegenstandslos geworden abgeschrieben wurde. Hierauf erhoben die Grundeigentümer bei der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission INUM) Beschwerde, wobei sie in ihrer Beschwerde und im Laufe des Beschwerdeverfahrens verschiedene zusätzliche Begehren stellten. Mit Entscheid vom 26. April 2006 hiess die Rekurskommission INUM die Beschwerde insoweit gut, als die Erhöhung der Lärmschutzwand verlangt worden war. In einem weiteren Punkt wies die Rekurskommission INUM die Sache zur Weiterführung des Verfahrens an das BAV zurück. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit auf sie einzutreten war.
Die Grundeigentümer haben gegen den Entscheid der Rekurskommission INUM Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und in dieser weitere zusätzliche Begehren gestellt. Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein aus folgenden
 
Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführer haben vor jeder Instanz neue Einwände erhoben und neue Begehren gestellt. Eine solche Prozessführung ist, wie auch die Rekurskommission INUM festgestellt hat, unzulässig. Im angefochtenen Entscheid wird hierzu dargelegt, im Rechtsmittelverfahren werde der Streitgegenstand im Rahmen des Anfechtungsgegenstandes durch die Parteibegehren definiert. Der Streitgegenstand könne sich im Laufe des Rechtsmittelzuges verengen und um nicht mehr strittige Punkte reduzieren, hingegen grundsätzlich nicht erweitern oder qualitativ verändern. Dabei setze allerdings ein im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens durchgeführtes Einspracheverfahren den Streitgegenstand für das spätere Beschwerdeverfahren (noch) nicht fest. Das Einspracheverfahren stelle kein eigentliches Rechtsmittelverfahren dar, sondern diene bei Plangenehmigungsverfahren, bei denen regelmässig eine grosse Anzahl von Personen und damit eine Vielzahl potentieller Parteien im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) betroffen seien, in erster Linie der formalisierten Gewährung des rechtlichen Gehörs. Der Streitgegenstand bestimme sich daher nach den in der Beschwerdeschrift vorgebrachten Begehren. Die Änderung dieser Begehren, insbesondere deren Erweiterung sei gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig. Hingegen könnten die Rechtsbegehren nach Ablauf der Beschwerdefrist noch präzisiert werden. Zusammengefasst bedeute dies, dass die Beschwerdeführenden im Laufe eines Beschwerdeverfahrens die Begründung, nicht jedoch die Rechtsbegehren ergänzen könnten.
Diesen Ausführungen über die Unzulässigkeit der Erweiterung des Streitgegenstandes ist grundsätzlich zuzustimmen. Nicht zu teilen ist dagegen die Auffassung, dass sich der Streitgegenstand in Plangenehmigungsverfahren wie dem vorliegenden nicht schon anhand der Einsprachebegehren, sondern erst anhand der Beschwerdebegehren festlegen lasse.
2.1 Gemäss Art. 13 des Bundesgesetzes vom 24. März 2000 über die Lärmsanierung von Eisenbahnen (BGLE; SR 742.144) richten sich Verfahren und Zuständigkeiten nach dem Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101). Bauliche Massnahmen zur Sanierung des Eisenbahnlärms sind demnach, wie auch in Art. 23 der Verordnung vom 14. November 2001 über die Lärmsanierung der Eisenbahnen festgestellt wird (VLE; SR 742.144.1), im eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren zu bewilligen. Solche Plangenehmigungsverfahren richten sich gemäss Art. 18a EBG (in der durch das Bundesgesetz vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren eingeführten Fassung) nach den Verfahrensvorschriften des revidierten Eisenbahngesetzes selbst, ergänzt durch die Verordnung vom 2. Februar 2000 über das Plangenehmigungsverfahren für Eisenbahnanlagen (VPVE; SR 742.142.1), sowie subsidiär nach dem Bundesgesetz über die Enteignung (EntG; SR 711).
Zur 1999 neu in das Eisenbahngesetz aufgenommenen Bestimmung von Art. 18f EBG wird in der bundesrätlichen Botschaft ausgeführt, dass sämtliche Einwände gegen ein Projekt innerhalb der Auflagefrist zu erheben sind. Damit werde gewährleistet, dass im Interesse der Konzentration alle Einwände gesamthaft überprüft und in den Plangenehmigungsentscheid einfliessen könnten (vgl. Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren vom 25. Februar 1998, BBl 1998 S. 2634 mit Verweis auf S. 2620). Im Gesetzgebungsverfahren ist demnach klar ausgedrückt worden, dass alle Einwendungen, die während der Auflagefrist erhoben werden können, bereits im Einspracheverfahren anzubringen sind und im Beschwerdeverfahren nicht noch nachgetragen werden können.
Die im Plangenehmigungsverfahren vorgebrachten Einwände von Anwohnern gegen übermässige (Lärm-)Einwirkungen aus dem Bau und Betrieb eines öffentlichen Werkes gelten, da sie sich gegen die Unterdrückung nachbarlicher Abwehrrechte richten, als enteignungsrechtliche Einsprachen (vgl. Art. 5 Abs. 1 EntG). Mit solchen Einsprachen und mit Begehren gemäss Art. 7 Abs. 3 EntG kann auch zusätzlicher baulicher Lärmschutz verlangt werden (vgl. auch Art. 19 f. EBG; s. etwa BGE 111 Ib 280; BGE 130 II 394 E. 6 mit Hinweisen). Dementsprechend können die im Lärmsanierungsverfahren erhobenen Einwendungen und Begehren um zusätzliche Schallschutzmassnahmen zumindest sinngemäss als enteignungsrechtliche Einsprachen gegen übermässige Lärmimmissionen betrachtet und verfahrensmässig als solche behandelt werden (vgl. Urteil 1A.146/ 2000 / 1A.147/2000 sowie Urteil 1A.135/2000 / 1A.149/2000, beide vom 1. Mai 2001, je E. 6).
2.4 Bestimmt sich mithin der Streitgegenstand im eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren aufgrund der während der Auflagefrist gestellten Begehren, so kann er im Anschluss an den Einspracheentscheid bzw. an die Plangenehmigungsverfügung nicht mehr erweitert werden. Dies hat das Bundesgericht in nationalstrassenrechtlichen Verfahren, die mit den eisenbahnrechtlichen vergleichbar sind, bereits verschiedentlich erklärt. So ist im Urteil 1E.18/1999 vom 25. April 2001 dargelegt worden, dass Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nur sein könne, was bereits Gegenstand des unterinstanzlichen Verfahrens gewesen sei oder hätte sein sollen. Gegenstände, über welche die verfügende Behörde oder die erste Rechtsmittelinstanz weder entschieden habe noch hätte entscheiden müssen, seien durch die Beschwerdeinstanz nicht zu beurteilen. Der Streitgegenstand dürfe sowohl nach den allgemeinen Prozessvorschriften als auch nach den Sonderbestimmungen des eidgenössischen Enteignungsrechts, soweit diese anwendbar seien, im Laufe des Rechtsmittelzuges nicht ausgeweitet werden. Es sei den Parteien daher grundsätzlich verwehrt, vor der nächsthöheren Instanz neue oder weiter gehende Begehren zu stellen. Das Verbot der Erweiterung des Streitgegenstandes gelte auch für das bundesgerichtliche Verfahren selbst. Die Vorbringen vor Bundesgericht seien mithin nur zulässig, soweit sie - zumindest dem Sinne nach - bereits Gegenstand der seinerzeit von den Beschwerdeführern erhobenen Einsprachen gebildet hätten (Urteil 1E.18/1999 vom 25. April 2001, E. 3 nicht publ. in URP 2001 S. 445 und ZBl 103/2002 S. 375; s. auch BGE 114 Ib 286 E. 9 S. 300; BGE 127 II 306 E. 6c S. 313; Urteile 1E.17/1999 E. 1b und 1E.5/2000 E. 3b, je vom 25. April 2001).