BGE 137 II 338 |
28. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Schweizer Heimatschutz gegen X. und Bezirk Oberegg (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_382/2010 vom 13. April 2011 |
Regeste |
Art. 24 lit. a RPG und Art. 39 RPV; freiwilliger Abbruch und Wiederaufbau eines Doppeleinfamilienhauses in einer Streubausiedlung. |
Sachverhalt |
X. beabsichtigte, sein Doppeleinfamilienhaus abzubrechen und wiederaufzubauen. Das Objekt steht auf den Parzellen Nrn. 606520 und 606530 im Bezirk Oberegg, welche sich in der Landwirtschaftszone und im Gebiet mit traditioneller Streubauweise befinden. Das Haus diente noch nach 1972 landwirtschaftlichen Zwecken. Inzwischen wurde der landwirtschaftliche Betrieb aufgegeben. Der Neubau soll weder der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung noch dem produzierenden Gartenbau oder entsprechenden Wohnzwecken dienen.
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Die gegen das Bauvorhaben eingereichten Einsprachen eines Privaten und des Schweizer Heimatschutzes wies das kantonale Bau- und Umweltdepartement am 3. April 2009 ab. Der Bezirksrat Oberegg erteilte hierauf am 7. Mai 2009 die Baubewilligung.
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Die kantonalen Instanzen schützten diesen Entscheid im Rechtsmittelverfahren und bestätigten jeweils die Baubewilligung.
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Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 8. September 2010 verlangte der Schweizer Heimatschutz die Aufhebung sämtlicher auf kantonaler und kommunaler Ebene in dieser Sache ergangener Entscheide und die Verweigerung der Baubewilligung für den geplanten Abbruch- und Wiederaufbau auf den Parzellen Nrn. 606520 und 606530. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Es hebt das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell-Innerrhoden, Abteilung Verwaltungsgericht, vom 1. Juni 2010 und damit auch die vom Bezirksrat Oberegg am 7. Mai 2009 erteilte Baubewilligung auf.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
Nach Meinung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei Art. 39 RPV um einen eigenständigen Ausnahmetatbestand, der losgelöst von den übrigen Ausnahmetatbeständen - insbesondere von Art. 24d RPG - zur Anwendung gelange. Diese Bestimmung räume den Kantonen die Möglichkeit ein, Gebiete ausserhalb der Bauzone gerade zum Zweck der dauernden Besiedlung dem Streusiedlungsgebiet zuzuweisen und darin Bauten zuzulassen, wenn sie ganzjährig bewohnt würden. Der Kanton Appenzell Innerrhoden habe mit Erlass der Art. 65a ff. der Verordnung vom 17. März 1986 zum Baugesetz (BauV/AI; GS 700.010) von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Dabei stützt sich das Verwaltungsgericht u.a. auf Art. 66 Abs. 2 BauV/AI, welcher den Abbruch und Wiederaufbau von Wohnbauten in Streubausiedlungen unter gewissen Voraussetzungen erlaubt.
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2.3.3 Auch bei HÄNNI findet sich in seiner Darstellung der Sondernorm von Art. 39 RPV nichts zu dieser Frage (PETER HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Aufl. 2008, S. 225 f.). Ausführlicher setzen sich WALDMANN/HÄNNI dagegen in ihrem Kommentar mit Art. 39 RPV auseinander (WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, N. 26 ff. zu Art. 24 RPG). Vorab bezweifeln sie stark die Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit von Art. 39 RPV, insoweit dieser über Art. 24d RPG hinausgeht. Sie begründen ihre Bedenken mit dem abschliessenden Charakter der Sondervorschriften im RPG sowie dem Fehlen einer entsprechenden Delegationsnorm. Im Direktvergleich von Art. 39 Abs. 3 RPV mit Art. 24d Abs. 3 RPG erkennen sie vor allem zwei Ausnahmen: Einerseits sehe Art. 39 Abs. 3 RPV im Gegensatz zu Art. 24d Abs. 3 lit. a RPG vom Kriterium der Eignung der Baute zur vorgesehenen Nutzung ab, weshalb die Umnutzungsmöglichkeiten - insbesondere bezüglich der Ökonomiegebäude - weiter reichen würden. Andererseits fasse Art. 39 Abs. 3 lit. e RPV den Tatbestand der Gefährdung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in der Nachbarschaft viel weiter, als dies Art. 24d Abs. 3 lit. d RPG tue. Die Problematik des freiwilligen Abbruchs und Wiederaufbaus wird nicht erwähnt.
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2.6 Hinzu kommt, dass Art. 39 RPV als Ausführungsnorm von Art. 24 lit. a RPG bereits eine sehr weitgehende Interpretation von Letzterem darstellt (in diesem Sinne auch die von KARLEN [E. 2.3.2 hiervor] und WALDMANN/HÄNNI geäusserten Zweifel an der Gesetzeskonformität [E. 2.3.3 hiervor] der Verordnungsnorm), sodass kein Spielraum für Projekte wie das geplante bestehen dürfte. Bezweckt war mit Art. 39 RPV in erster Linie eine bessere Nutzung bestehender Bausubstanz, insbesondere die Möglichkeit, die Wohnnutzung in bestehende Ökonomiegebäude auszuweiten (KARLEN, a.a.O., S. 305; WALDMANN/HÄNNI, a.a.O., N. 28 zu Art. 24 RPG). Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass darüber hinaus für freiwillige Abbrüche und Wiederaufbauten ein grosszügigeres Bewilligungsregime als gemäss den sonst üblichen Grundsätzen bei Bauten ausserhalb Bauzone eingeführt werden sollte. Den Kantonen steht es wohl frei, in ihrem Ausführungsrecht strengere Voraussetzungen an die Erteilung der Bewilligung für standortgebundene Vorhaben zu erlassen, eine Kompetenz für Lockerungen der bundesrechtlichen Lösung wurde ihnen jedoch nicht eingeräumt (Botschaft vom 2. Dezember 2005 über die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, BBl 2005 7117; siehe auch CHRISTOPH JÄGER, Kommentar RPG, a.a.O., N. 6 zu Art. 27a RPG).
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2.7 Allenfalls lässt sich aus dem Umstand, dass Art. 42a Abs. 3 RPV den Wiederaufbau ausnahmsweise nach Zerstörung durch höhere Gewalt zulässt, der Analogieschluss ziehen, dies müsse auch für Bauten in Streusiedlungsgebieten gelten. Diese Frage stellt sich hier nicht. Umgekehrt kann aber aus dem Fehlen einer solchen Ausnahmeklausel in Art. 39 RPV nicht einfach gefolgert werden, im Streusiedlungsgebiet seien sogar freiwillige Abbrüche und Wiederaufbauten zulässig, zumal sich schon auf Gesetzesstufe keine entsprechende Grundlage findet.
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