26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Steueramt des Kantons Aargau Sektion Verrechnungssteuer und Wertschriftenbewertung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
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2C_255/2016 vom 18. Juli 2016
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Regeste
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Art. 54 und 55 VStG; Steuerrückerstattung; Beschwerdefrist; Voraussetzungen für die Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften; Ausschluss einer analogen Anwendung der im VwVG und in der ZPO vorgesehenen Gerichtsferien.
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Art. 55 VStG gestattet die Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften, wenn der Entscheid über den Rückerstattungsanspruch mit der Veranlagungsverfügung verbunden worden ist. Ist dies - wie hier - nicht der Fall, kommt das kantonale Verfahrensrecht nicht in Betracht und ist nur Art. 54 Abs. 1 VStG massgebend (E. 3.3). Eine (analoge) Anwendung der im VwVG und in der ZPO vorgesehenen Gerichtsferien ist auch ausgeschlossen (E. 3.4).
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 3
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Bei der Frist nach Art. 54 Abs. 1 VStG handelt es sich wie bei allen Rechtsmittelfristen um eine gesetzliche Frist, die als solche, vorbehältlich einer anderen gesetzlichen Regelung, nicht erstreckbar ist. Auf Beschwerden, welche nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erhoben worden sind, darf die Rekurskommission nicht eintreten. Dabei hat die angegangene Instanz von Amtes wegen zu prüfen, ob die Beschwerde innert der gesetzlichen Frist eingereicht worden ist. Raum für die Berücksichtigung der kantonalen Gerichtsferien in einem grundsätzlich durch bundesrechtliche Regeln normierten Verfahren besteht nur dann, wenn der bundesgerichtliche Erlass hinsichtlich des Fristenlaufs keine abschliessende Regelung getroffen hat (Urteil A.363/1985 vom 13. Mai 1986, in: ASA 56 E. 2a S. 645).
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Da im Kanton Aargau der Entscheid über den Rückerstattungsanspruch nicht mit einer Veranlagungsverfügung verbunden wird, ist sie zum Schluss gekommen, für die Anwendung des kantonalen Steuerverfahrensrechts bzw. der kantonalen Gerichtsferien bestehe kein Raum.
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Gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 55 VStG, von welchem bei der Gesetzesauslegung in erster Linie auszugehen ist (BGE 136 V 216 E. 5.1 S. 217; BGE 135 V 153 E. 4.1 S. 157), ist die Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften nur möglich, wenn der Entscheid über den Rückerstattungsanspruch mit der Veranlagungsverfügung verbunden worden ist (Urteile 2C_704/2014 vom 10. Februar 2015, in: StR 70/2015 E. 4.1 S. 541 und 2A.288/2003 vom 7. Mai 2004 E. 1.2; BRUNO KNÜSEL, in: Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, Zweifel/Beusch/Bauer-Balmelli [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 1 zu Art. 55 VStG; ARNOLD/MEIER/SPINNLER, Steuerpflicht bei Auslandbezug, ASA 70 S. 1 ff., 79-80). Ist dies - wie hier - nicht der Fall, kommt der in Art. 54 Abs. 1 VStG enthaltene Vorbehalt nicht in Betracht und ist nur die zuletzt erwähnte Bestimmung massgebend.
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Art. 54 Abs. 1 VStG, der eine Beschwerdefrist von 30 Tagen vorsieht, verweist weder auf das VwVG noch auf die ZPO, sondern nur (und zwar bedingt) auf das kantonale Recht. Die einzige Bestimmung, die einen solchen Verweis enthält, ist Art. 59 Abs. 1 VStG. Diese betrifft aber die Revision und die Erläuterung von Entscheiden der Eidgenössischen Steuerverwaltung bzw. der kantonalen Behörden und nicht die Regelung der Gerichtsferien. Eine (direkte) Anwendung von Art. 22a VwVG oder von Art. 145 ZPO scheidet hingegen bereits gemäss Art. 1 Abs. 3 VwVG bzw. gemäss Art. 1 ZPO aus.
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Die am 14. September 2015 der Schweizerischen Post übergebene Beschwerde war damit verspätet. (...)
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