BGE 145 II 354 |
33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Helvetia Nostra gegen A.D. und Mitb. und Gemeinde Vals (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_511/2018 vom 3. September 2019 |
Regeste |
Touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen (Art. 7 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 ZWG, Art. 4 ZWV). |
Vorliegend fehlt es aufgrund der grossen räumlichen Entfernung der projektierten Zweitwohnungen zum Hotel, das sie bewirtschaften soll, am Erfordernis eines einheitlichen Betriebs; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Mehrzahl von Gästen die hotelmässigen Dienstleistungen und Infrastrukturen tatsächlich beanspruchen wird (E. 4.2). |
Der Bewirtschaftungsvertrag mit dem Hotel allein genügt nicht, um eine langfristige touristische Bewirtschaftung der Zweitwohnungen sicherzustellen; derartige Verträge können aufgelöst oder gekündigt werden, und die Kontrolle ihrer Einhaltung ist für die Gemeinden kaum möglich (E. 4.3). |
Sachverhalt |
A. Am 22. April 2016 reichten A.D., B.D. und C.D. (nachfolgend: die Bauherrschaft) bei der Gemeinde Vals Baugesuche zur Erstellung von zwei Ferienhäusern (...) im Gebiet Leis ein. Dagegen erhob der Verein Helvetia Nostra am 13. Mai 2016 Einsprache und beantragte die Ablehnung respektive Rückweisung der Baugesuche sowie die Überprüfung und allenfalls Anpassung der Ortsplanung bzw. der Bauzonengrösse der Gemeinde Vals.
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Die Bauherrschaft machte mit Eingabe vom 31. Oktober 2016 geltend, das Projekt sei die erste Etappe für die Realisierung des Ferienresorts "X. Resort", und reichten dafür einen Bewirtschaftungsvertrag vom 28. Oktober 2016 ein.
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B. Der Gemeindevorstand Vals wies die Einsprache ab und erteilte die Baubewilligung für die zwei Ferienhäuser, u.a. unter folgenden Bedingungen und Auflagen:
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1.1 Die Ferienhäuser werden als touristisch bewirtschaftete Wohnungen nach Art. 7 Abs. 2 lit. b ZWG (Wohnungen im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs) bewilligt.
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1.2 Der Bewirtschaftungsvertrag vom 28. Oktober 2016 ist folgendermassen zu modifizieren und von der E. AG sowie von den Eigentümern der Häuser Leis 2 und Leis 3 zu unterzeichnen:
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a) Die Entstehung des X. Resorts darf nicht davon abhängen, dass auch die geplante Überbauung (...) (Leis 1) zur Beherbergung von konventionellen Hotelgästen zur Verfügung gestellt wird (Ziff. 1 des Bewirtschaftungsvertrags). Gleichzeitig soll es aber möglich sein, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls weitere, noch zu erstellende Gästeappartements dem X. Resort anschliessen.
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b) Der Bewirtschaftungsvertrag ist mit einer Mindestlaufzeit von 15 Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit auszugestalten. Im Falle einer vorzeitigen Kündigung wäre eine gleichwertige Ersatzvereinbarung nachzuweisen.
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d) Ziff. 11 des Bewirtschaftungsvertrags ist insofern zu ergänzen, als die Eigenbelegung während der Nebensaison entsprechend den normalen Buchungsmodalitäten für Fremdgäste zu erfolgen hat.
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e) In Ziff. 7 des Bewirtschaftungsvertrags ist eine maximal zulässige Mietdauer von 90 Tagen vorzusehen.
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1.3 Vor Baubeginn hat die Bauherrschaft dem Gemeinderat den im Sinne der vorstehenden Auflagen modifizierten Bewirtschaftungsvertrag zur Genehmigung zu unterbreiten.
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1.4 Nach Genehmigung erteilt der Gemeinderat die Baufreigabe und weist das Grundbuchamt Vals an, auf den Parzellen (...) die Nutzungsbeschränkung gemäss der Nutzungsauflage in Dispositiv-Ziffer 1.1 sowie den modifizierten und unterzeichneten Bewirtschaftungsvertrag anzumerken.
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1.5 Der Gemeinderat behält sich das Recht vor, periodisch und auch unangemeldet Betriebskontrollen vorzunehmen, um die Einhaltung der Nutzungsauflage und des Bewirtschaftungsvertrags zu überprüfen."
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C. Gegen den Bau- sowie den Einspracheentscheid vom 12./21. Juli 2017 erhob Helvetia Nostra am 8. September 2017 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses wies die Beschwerde am 10. Juli 2018 ab.
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D. Dagegen hat Helvetia Nostra am 4. Oktober 2018 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit sie die Bau- und Einspracheentscheide betrifft, und im Übrigen weist es sie ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
Baugesuche
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3. Der Zweitwohnungsanteil der Gemeinde Vals liegt weit über 20 %, weshalb dort grundsätzlich keine neuen Zweitwohnungen bewilligt werden dürfen (Art. 75b BV, Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 2015 über Zweitwohnungen [Zweitwohnungsgesetz, ZWG; SR 702]). Art. 6 Abs. 2 ZWG behält jedoch u.a. die Erstellung touristisch bewirtschafteter Wohnungen nach Artikel 7 Absatz 1 lit. b ZWG vor. Nach der Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 ZWG gilt eine Wohnung als touristisch bewirtschaftet, wenn sie dauerhaft zur ausschliesslich kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu markt- und ortsüblichen Bedingungen angeboten wird, und entweder im selben Haus liegt, in dem der Eigentümer seinen Hauptwohnsitz hat (Einliegerwohnung; lit. a), oder nicht auf die persönlichen Bedürfnisse des Eigentümers oder der Eigentümerin zugeschnitten ist und im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs bewirtschaftet wird (lit. b).
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Die Anforderungen an den strukturierten Beherbergungsbetrieb i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. b und Art. 8 ZWG wurden vom Bundesrat in Art. 4 der Zweitwohnungsverordnung vom 4. Dezember 2015 (ZWV; SR 702.1) präzisiert. Danach müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
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a) Der Betrieb umfasst hotelmässige Dienstleistungen und Infrastrukturen, die typischerweise von der Mehrheit der Gäste beansprucht werden.
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b) Er weist ein hotelähnliches Betriebskonzept auf.
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c) Die Bewirtschaftung im Rahmen eines einheitlichen Betriebs ist sichergestellt.
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Vorliegend ist streitig, ob die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 lit. b ZWG i.V.m. Art. 4 ZWV erfüllt sind.
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Die Beschwerdegegner und die Gemeinde widersprechen: Leis sei (...) ganzjährig - mit dem Auto und mit dem öffentlichen Verkehr - erreichbar. (...) Das an der Talstation gelegene Hotel X. [sei] für Skifahrer nur einen Steinwurf entfernt. (...)
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Vorliegend sollen die Ferienwohnungen in Leis erstellt werden, einem Weiler, der knapp 300 m über Vals liegt; die Entfernung zum Hotel X. in Vals beträgt gemäss Verwaltungsgericht mindestens 3,5 km. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass viele Feriengäste das Hotel nur am Anfang und Ende ihres Aufenthalts aufsuchen, um die Wohnungsschlüssel in Empfang zu nehmen und wieder abzugeben.
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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um typische Ferienhäuser, in grosser räumlicher Entfernung vom Hotel X. Mit diesem verbindet sie einzig der Bewirtschaftungsvertrag. Dies genügt für sich allein nicht, ebenso wenig wie es genügen würde, einen Vertrag mit einer kommerziellen Vertriebsorganisation abzuschliessen, die sich um die Vermietung und die Reinigung der Wohnungen kümmert. Derartige Verträge können aufgelöst oder gekündigt werden, und die Kontrolle ihrer Einhaltung ist für die Gemeinden kaum möglich. Sind die Zweitwohnungen einmal erstellt, ist es erfahrungsgemäss nicht möglich, sie wieder abzureissen.
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