BGE 50 III 141 - Faustpfandrecht im Konkurs |
Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 3. Juli 1924 |
i.S. A. Michel A.-G. gegen Konkursmasse Müller. |
Faustpfandbestellung oder Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht? Mangelhaftigkeit der Pfandbestellung infolge Furchterregung? OR Art. 30 Abs. 2 (Erw. 1). |
Erlöschen des Faustpfandrechts infolge ungerechtfertigter Nichtablieferung der Pfänder an die Konkursverwaltung? SchKG Art. 232 Ziff. 4: bezieht sich nicht auf den Erlös von Pfändern, welche der Pfandgläubiger privatim, wenn auch unbefugterweise, verkauft hat (Erw. 2). |
Verhältnis dieser Einreden zur Anfechtungseinrede (Erw. 1 i.i., 2 i.f., 5 i.f.). |
Gutheissung der Anfechtungseinrede gemäss Art. 287 Ziff. 1 SchKG (Erw. 3). |
Umfang der Rückgabepflicht, SchKG Art. 291: Sie umfasst nicht den Ersatz des Minderwertes infolge Preissturzes (Erw. 5). Bestimmung des Wertersatzes bei Nicht-Naturalrückgabe, speziell infolge (befugten oder unbefugten) privaten Pfandverkaufs durch den Pfandgläubiger (Erw. 6). |
Art und Weise der Geltendmachung solcher Ersatzforderungen (Erw. 4), speziell Zulässigkeit der Verrechnung der Konkursdividende (Erw. 7). |
Widerklagen gegenüber Kollokationsklagen bundesrechtlich zulässig (Erw. 4 i.i.). |
Aktenwidrigkeitsrüge, Kriterien (Erw. 5 i.i.). |
Sachverhalt |
A. |
Die Klägerin leistete ihrem Abnehmer Louis Müller finanziellen Beistand, indem sie zunächst einen grundpfandversicherten Bankkredit von 30,000 Fr. verbürgte und sodann mehrere Wechsel aus reiner Gefälligkeit mit ihrem Indossament versah, damit sie diskontiert würden, nämlich im Januar 1919 einen von Müller an die Ordre der Klägerin ausgestellten Eigenwechsel über 30,000 Fr. per 30. April, am 11. April 1919 einen gleichen Wechsel per 15. Juli, ferner, nachdem der erstgenannte am 2. Mai hatte protestiert werden müssen, am 5. Mai einen Prolongationswechsel per 30. Juni und endlich am 14. Mai 1919 einen von Müller an die Ordre der Scilla A.-G ausgestellten und zunächst von dieser indossierten Eigenwechsel von 30,363 Fr. per 15. Juli. Am 15. Mai übergab Müller der Klägerin "als Garantie für den mir seinerzeit ausgestellten Wechsel" Uhren für 36,738 Fr. Am 19. Mai spätabends führte Adolf Michel Sohn, Delegierter des Verwaltungsrates der Klägerin, aus der Fabrik des Müller, wo in Abwesenheit des Firmainhabers nur dessen zum Prokuristen bestellter Sohn anwesend war, ein grösseres Quantum Uhren in die Fabrik der Klägerin ab. Am 6. Juni verlangte ein Gläubiger des Müller die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung. Das Konkursgericht ordnete sofort die Aufnahme eines Güterverzeichnisses an und erliess an die Faustpfandgläubiger Verfügungsverbote. Noch bevor es über das Konkursbegehren entschied, bewilligte die Nachlassbehörde Müller eine Nachlasstundung. Während derselben kaufte der Sachwalter einen Teil der der Klägerin verpfändeten Uhren für 7516 Fr. zurück. Am 16. August wurde infolge Insolvenzerklärung der Konkurs über Müller eröffnet. In der am Tage des Ablaufs der Eingabefrist, 23. September, eingereichten Konkurseingabe machte die Klägerin für ihre Forderungen im Betrag von rund 120,000 Fr., insbesondere aus Regress für die erwähnten, von ihr eingelösten Wechsel, das Pfandrecht geltend und zwar einerseits an den noch in ihrem Besitz befindlichen Uhren im angegebenen Wert von 25,306 Fr. 50 Cts., anderseits "an dem Wertersatz der bereits schon" (teils vor, teils nach der Konkurseröffnung) "veräusserten Uhren". Auf besonderes Verlangen des Konkursamtes händigte die Klägerin die noch vorhandenen Uhren am 26. September dem Amte aus; dagegen weigerte sie die ebenfalls verlangte Herausgabe des Erlöses der verkauften Uhren, den sie auf 99,768 Fr. bezifferte. Da das Konkursamt das Pfandrecht nicht zuliess, strengte die Klägerin Kollokationsklage an. Das Konkursamt bestritt den Abschluss eines Pfandvertrages über die von der Klägerin am 19. Mai behändigten Uhren, eventuell bezeichnete es diesen Vertragsabschluss als wegen Furchterregung mangelhaft; sodann behauptete es, das Pfandrecht sei erloschen, weil die Klägerin ihm die Pfänder nicht binnen der Eingabefrist zur Verfügung gestellt habe, und endlich erhob es die Anfechtungseinrede gestützt auf Art. 287 Ziff. 1, 288 SchKG. Ferner strengte das Konkursamt Widerklage an, mit der es verlangte:
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1. (nicht mehr streitig).
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2. Herausgabe der am 15. und 19. Mai 1919 in Besitz genommenen und bisher noch nicht zurückgegebenen Uhren.
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3. Ersatz der Differenz zwischen dem Erlös der am 26. September herausgegebenen Uhren und ihrem von Experten auf den 19. Mai 1919 zu schätzenden Verkaufswert.
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4. Ersatz des von Experten auf den 15. bezw. 19. Mai 1919 zu schätzenden Verkaufswertes derjenigen Uhren, welche die Klägerin infolge Veräusserung nicht mehr zurückgeben könne.
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5. Rückerstattung ungerechtfertigter Bereicherung im Betrage von 7516 Fr.
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6. Feststellung, dass sie die Widerklageforderungen mit der Konkursdividende verrechnen könne.
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B. |
Durch Urteil vom 26. Januar 1924 hat das Obergericht des Kantons Solothurn das von der Klägerin geltend gemachte Pfandrecht abgewiesen und sämtliche Widerklageanträge zugesprochen, speziell Widerklageantrag 4 im Betrage von 119,132 Fr. 40 Cts. nebst 5% Zins seit 15. Mai bezw. 19. Mai 1919.
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C. |
Gegen dieses am 22. April zugestellte Urteil hat die Klägerin und Widerbeklagte am 12. Mai die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit den Anträgen auf Gutheissung der Hauptklage und Abweisung der Widerklage.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 |
1. Die Vorinstanz hat zu den Fragen nicht, mindestens nicht explizierte, Stellung genommen, ob die von der Klägerin behauptete Pfandbestellung vom 19. Mai 1919 überhaupt stattgefunden habe und ob sie nicht mangelhaft gewesen sei. Diese Fragen dürfen jedoch nicht ungelöst bleiben, da im Falle ihrer Verneinung für die Verantwortlichkeit der Klägerin ganz andere Vorschriften massgebend sind als in den Fällen der Annahme nachträglichen Erlöschens des Pfandrechts oder der Gutheissung der Anfechtungseinrede. Indessen erweist sich die Auffassung der Beklagten in diesen Punkten als nicht haltbar. Wenn der Sohn Müller dem Adolf Michel Sohn auf dessen Drängen hin am genannten Tage Uhren auslieferte, so muss hierin der Abschluss eines Pfandvertrages zugunsten der Klägerin gesehen werden, welchen jener als Prokurist rechtswirksam für die Firma seines Vaters eingehen konnte. Einer Form bedurfte dieser Vertrag nicht, sodass nichts darauf ankommt, ob die beiden nach der für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der Vorinstanz erst um jene Zeit verfassten, jedoch auf den 25. April und 6. Mai datierten Schreiben, in welchen der Pfandbestellungswille verurkundet ist, vor oder nach der Inbesitznahme der Pfänder gefertigt wurden. Dann kann aber keine Rede davon sein, dass Michel Sohn den Besitz an dem in Frage stehenden Teil der Uhren durch verbotene Eigenmacht der Firma Müller entzogen hätte. Ebensowenig kann angenommen werden, dieser Pfandvertrag sei für die Firma Müller nicht verbindlich gewesen, weil der Sohn Müller ihn unter dem Einfluss einer Drohung eingegangen sei. Die einzig festgestellte Drohung mit Betreibung fällt nach Art. 30 Abs. 2 OR als Erregung gegründeter Furcht deswegen nicht in Betracht, weil die Sicherstellung, welche die Klägerin dem Sohn Müller abnötigte, nichts weiteres als die vollständige Befriedigung für ihre Forderung bezweckte. Hierin kann jedoch ein übermässiger Vorteil schlechterdings nicht gesehen werden, da durch die Bezahlung einer Schuld das Vermögen des Schuldners selbst nicht geschmälert, sondern allfällig nur die Befriedigung der übrigen Gläubiger gefährdet wird.
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Erwägung 2 |
2. Die Vorinstanz hat angenommen, das von der Klägerin in Anspruch genommene Pfandrecht sei erloschen, weil sie ungerechtfertigterweise unterlassen habe, dem Konkursamt binnen der Eingabefrist die ihr bestellten und noch vorhandenen Pfänder wie auch den Erlös aus den von ihr verkauften Pfändern zur Verfügung zu stellen. Dieser Auffassung kann zunächst mit Bezug auf die dem Konkursamt am 26. September 1919 aushingegebenen Pfänder nicht beigetreten werden, weil das Konkursamt selbst in seinem Schreiben vom 25. September der Klägerin die Rechtswirkung erst androhte für den Fall, dass die Pfänder den zur Abholung bestimmten Personen nicht ausgeliefert würden, also die Verwirkung nicht etwa schon daraus herleitete, dass sich die Klägerin darauf beschränkt hatte, binnen der Eingabefrist dem Konkursamt die Erklärung abzugeben, dass sie ihm die noch vorhandenen Pfänder zur Verfügung halte. Nachdem daraufhin ein Posten Uhren ohne weitere Säumnis ausgeliefert wurde, konnte die Verwirkungsfolge für diesen Posten nicht mehr eintreten, insbesondere nicht etwa aus dem Grunde, dass die Klägerin mit Bezug auf die übrigen Pfänder der Herausgabepflicht nicht genügte. Die Folge der Verwirkung hann aber auch nicht an die Nichtherausgabe des Erlöses aus den von der Klägerin verkauften Pfändern geknüpft werden. Denn der Erlös ging durch die Vermengung mit dem übrigen Geld der Klägerin in ihr Eigentum über, gleichgültig, ob sie berechtigt war oder nicht, die Pfänder privatim zu verkaufen. Hatte sie aber den Erlös als Eigentümerin und nicht als Pfandgläubigerin des Gemeinschuldners in Händen, so wurde sie durch Art. 232 Ziff. 4 SchKG auch nicht verpflichtet, ihn dem Konkursamt abzuliefern. Nun behauptet das Konkursamt ja freilich, die Klägerin habe ausser den Pfändern, welche sie zurückgegeben habe oder verkauft zu haben eingestehe, noch weitere Pfänder erhalten. Allein da die Klägerin dies bestreitet, lässt sich auch nicht feststellen, ob sie dieselben noch besitze oder aber ebenfalls verkauft habe. Nur im ersteren Falle, nicht aber auch im letzteren könnte nach dem Gesagten aus der Nichtablieferung eine Rechtsverwirkung hergeleitet werden. Freilich liesse sich fragen, ob nicht unter dem Gesichtspunkte des durch das Verhalten der Klägerin geschaffenen Beweisnotstandes der Beklagten das Erlöschen des Pfandrechts doch zu bejahen wäre, wenn sich ergeben sollte, dass die Klägerin wirklich mehr Pfänder erhalten hat, als sie gelten lassen will (vgl. hierüber sub Ziff. 5 unten). Indessen kann dies dahingestellt bleiben, da die Verantwortlichkeit, welche die Klägerin aus der Verwirkung des Pfandrechts trifft, nicht grösser ist als im Falle der Gutheissung der paulianischen Anfechtungseinrede, die sich in der Tat als begründet erweist.
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Erwägung 3 |
3. Die Vorinstanz hat die Anfechtungseinrede in Anwendung des Art. 287 Ziff. 1 und nur ganz eventuell des Art. 288 SchKG als begründet erklärt. Demgegenüber macht die Klägerin zunächst geltend, Müller sei schon vor der Pfandbestellung verpflichtet gewesen, die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten ihr gegenüber sicherzustellen. Allein die vom 25. April und 6. Mai datierten Schreiben Müllers an die Klägerin fallen für eine solche Sicherstellungspflicht ausser Betracht, weil sie nach der nicht beanstandeten Feststellung der Vorinstanz nicht vor dem 19. Mai gefertigt wurden. Sodann sind mündliche Sicherstellungsversprechen, wie sie von Fiechter und auch Favre bezeugt werden, welchen übrigens die Vorinstanz die Glaubwürdigkeit abspricht, nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichts nicht genügend, weil sie zu vage sind, als dass eine Klage auf Sicherheitsleistung darauf gestützt werden könnte, insbesondere das zu bestellende Pfand in keiner Weise näher bezeichnen (AS 41 III S. 163 f. und 43 III S. 233). Endlich kann bezüglich der Pfandbestellung vom 15. Mai nicht etwa angenommen werden, sie sei gar nicht für eine frühere, sondern für eine erst damals neu eingegangene Verbindlichkeit vorgenommen worden. Denn die Zeugen, welche bestätigen, dass diese Pfandbestellung zur Sicherung der Klägerin für ihr Indossement auf dem sogenannten Scillawechsel, das übrigens schon am Vortage gegeben worden war, dienen sollte, werden widerlegt durch das Schreiben Müllers vom 15. Mai, in welchem er die übergebenen Pfänder als "Garantie für den mir seinerzeit ausgestellten Wechsel" bezeichnet, was schlechterdings nicht auf den erst gleichzeitig oder doch unmittelbar vorher gezeichneten Wechsel bezogen werden kann. Weiter bestreitet die Klägerin, dass Müller am 15. und 19. Mai bereits überschuldet gewesen sei. Indessen ist es durchaus zutreffend, wenn die Vorinstanz in die auf die kritische Zeit rekonstruierte Bilanz im Gegensatz zu den Experten das Guthaben an Benoit, welches sich in der Folge als Non-valeur erwiesen hat, als solchen einstellte, gleichgültig ob der Gemeinschuldner infolge der damals noch geleisteten Abzahlungen keine Veranlassung gehabt haben mochte, es abzuschreiben (vgl. ausser dem von der Vorinstanz zitierten Urteil des Bundesgerichts besonders noch AS 37 II S. 510 f.). Der sich hiebei ergebende Passivenüberschuss von rund 140,000 Fr. wird bei weitem nicht aufgewogen durch die Vermehrung der Aktiven, welche aus der Annahme der Vorinstanz folgt, dass der Gemeinschuldner der Klägerin ein bedeutend höheres Quantum Uhren zu Pfand bestellt hatte als diese zugibt (vgl. Ziff. 5 hienach). Soweit aber einfach die Bewertung der Aktiven in Frage steht, so handelt es sich um Schätzungsfragen, welche der Nachprüfung des Bundesgerichts nicht unterworfen sind, zumal die Klägerin nicht etwa die der Schätzung zugrunde gelegten Normen angreift. Endlich bestreitet die Klägerin auch, von der Überschuldung Müllers Kenntnis gehabt zu haben. In diesem Punkte trifft sie die Beweislast. Mit Recht hat sie heute nicht mehr ernstlich versucht, diesen Beweis für die Pfandbestellung vom 19. Mai zu führen, der ohnehin scheitern müsste angesichts der Art und Weise, wie sich die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz die Pfänder verschafft hat. Aber auch für die Pfandbestellung vom 15. Mai kann der Entlastungsbeweis nicht als erbracht angesehen werden. Darauf, dass die als Zeugen befragten Drittpersonen keine Kenntnis von der schlechten Vermögenslage des Müller gehabt haben, kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie selbst Einblick in die finanziellen Verlegenheiten des Müller hatte gewinnen können durch ihre mehrfachen Gefälligkeitsindossamente in hohen Beträgen, von denen eines nach erfolgtem Protest, welcher der Klägerin als Mitunterzeichnerin des Wechsels unmöglich hat unbekannt bleiben können, hatte erneuert werden müssen. Wenn sie es trotzdem versäumt hat, nachzuforschen, ob diese Verlegenheiten wirklich nur auf eine augenblickliche Knappheit an flüssigen Mitteln zurückzuführen sei, wie sie geglaubt zu haben behauptet, als sie sich nachträglich sicherstellen liess, so kann sie daraus nichts gegen die Anfechtung der Pfandbestellung herleiten (vgl. die bei Jaeger, Ziff. 11 zu Art. 287 zitierten Urteile des Bundesgerichts). Ebensowenig schlägt der Hinweis auf die noch am Vortage erfolgte neue Interzession durch. Abgesehen davon, dass die Klägerin in der Zwischenzeit von den grossen Wechselfälligkeiten per 15. Mai (162,000 Fr.) erfahren haben kann, welchen Müller nicht zu genügen vermochte, vermag sie der Anfechtung nicht damit zu begegnen, dass sie trotz der früheren Vorgänge, die Verdacht in ihr erwecken mussten, sorglos weiteren Kredit gewährte, und übrigens erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass sie die damals bereits blanco kreditierten 60,000 Fr. um den Preis eines nochmaligen Einsatzes von 30,000 Fr. retten zu können hoffen mochte.
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Nach Bejahung der Anfechtbarkeit in Anwendung von Art. 287 Ziff. 1 SchKG braucht nicht mehr weiter erörtert zu werden, ob die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, auch die Voraussetzungen der Anfechtung gemäss Art. 288 SchKG seien erfüllt.
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Erwägung 4 |
Erwägung 5 |
5. Aus der Gutheissung der Anfechtungseinrede folgt nach Art. 291 SchKG ohne weiteres die Verpflichtung der Klägerin zur Rückgabe der ihr verpfändeten Uhren. Den für den Umfang dieser Verpflichtung präjudiziellen Streitpunkt, welches die Anzahl (bezw. der Wert) der der Klägerin am 19. Mai überlassenen Uhren sei, hat die Vorinstanz in eingehender Beweiswürdigung dadurch entschieden, dass sie gegenüber dem von der Klägerin aufgestellten Verzeichnis mit einem Gesamtwerte von 96,939 Fr. auf das vom Sohn Müller aufgestellte Verzeichnis mit dem Ergebnis von 200,056 Fr. (inbegriffen die am 15. Mai bestellten Pfänder) abstellte. Diese Feststellung ist rein tatsächlicher Natur und daher der Nachprüfung durch das Bundesgericht nur in dem beschränkten Rahmen des Art. 81 OG unterworfen. Die Klägerin ficht sie in mehrfacher Richtung als aktenwidrig an. Doch erweist sich diese Rüge als unbegründet, zunächst insofern, als das kantonale Prozessrecht darüber entscheidet, durch welche Beweismittel sich der Richter seine Überzeugung verschaffen darf, sodann insofern, als die Aktenwidrigkeit einzelner Indizien nicht ohne weiteres auch die Aktenwidrigkeit der auf Grund des Indizienbeweises (gewonnenen Feststellung nach sich zieht, und endlich insofern, als die kantonalen Gerichte bei der Bestimmung des Beweiswertes der einzelnen Beweis- und Gegenbeweismittel, insbesondere auch der Expertisen, der Kontrolle des Bundesgerichts im Berufungsverfahren nicht unterworfen sind, es wäre denn, dass sie dabei bundesrechtliche Beweisvorschriften nicht beobachteten. Auch dies behauptet die Klägerin unter Hinweis auf Art. 8 ZGB. Allein es kann keine Rede davon sein, dass die angefochtene Beweiswürdigung der Vorinstanz auf eine Umkehrung der Beweislast hinsichtlich des von der Beklagten behaupteten, von der Klägerin bestrittenen Quantums der eingeräumten Pfänder hinauslaufen würde.
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Insoweit die Klägerin ihrer Rückgabepflicht genügt hat (und allfällig noch genügen wird), sind die der Beklagten aus der erfolgreichen paulianischen Anfechtung erwachsenen Ansprüche (unter Vorbehalt allfälliger Verzugsfolgen hinsichtlich allfällig erst noch zurückzugebender Uhren) erschöpft. Insbesondere gibt Art. 291 SchKG keine Grundlage für den von der Beklagten geltend gemachten und von der Vorinstanz zugesprochenen Schadenersatzanspruch im Umfang des Minderwertes ab, welchen die Uhren seit der Verpfändung erlitten haben. Ein solcher Anspruch Hesse sich auch gar nicht rechtfertigen, weil sich die Klägerin bis zur Konkurseröffnung, welche Voraussetzung der Anfechtungsklage bildet, in unanfechtbarem Besitz der Pfänder befand und sie erst auf den Ablauf der Eingabefrist hin abliefern musste. Auch der von der Vorinstanz angenommene nachträgliche Untergang des Pfandrechts infolge Nichtablieferung vor Ablauf der Eingabefrist vermöchte einen Schadenersatzanspruch für Minderwert der Pfänder nicht zu begründen, soweit er (hinsichtlich allfällig erst noch zurückzugebender Uhren) nicht etwa erst seit diesem Zeitpunkt eingetreten sein sollte. Vielmehr könnte ein solcher Anspruch nur dann erhoben werden, wenn der Pfandbesitz der Klägerin von vorneherein zivilrechtlich mangelhaft gewesen wäre, was jedoch nach dem sub Ziff. 1 hievor Gesagten nicht zutrifft und auch von der Vorinstanz selbst gar nicht angenommen, mindestens nicht hinreichend deutlich ausgesprochen worden ist.
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Erwägung 6 |
6. Insoweit aber die Klägerin ihrer Rückgabepflicht nicht nachgekommen ist und nicht allfällig noch nachkommen wird, tritt an Stelle des Anspruchs der Beklagten auf Rückerstattung in natura ein Wertersatzanspruch im Umfange des Wertes der nicht zurückgegebenen Uhren. Und zwar ist für die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs wiederum die Überlegung massgebend, dass die Klägerin vor Ablauf der Eingabefrist nicht zur Rückgabe verpflichtet war, aber nach Art. 232 Ziff. 4 SchKG in jenem Zeitpunkt die Uhren an die Konkursmasse hätte abliefern sollen, gleichgültig ob sie daran mit Fug ein Pfandrecht beanspruchte oder nicht. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob sich die Klägerin der Rückgabepflicht entzieht oder aber ihr deshalb nicht mehr genügen kann, weil sie die Pfänder verkauft hat, wie es mindestens für einen Teil der nicht zurückgegebenen Uhren feststeht. Infolgedessen kann auch dahingestellt bleiben, ob Müller der Klägerin die Befugnis zum privaten Pfandverkauf eingeräumt hatte oder diese vielmehr den Verkauf unbefugterweise vornahm; denn nachdem sich die Pfandbestellungen als anfechtbar erwiesen haben, ist die Klägerin schlechthin zum Ersatz des Wertes der Uhren an dem Tage verpflichtet, an welchem sie dieselben hätte spätestens zurückgeben sollen, und kann sie sich nicht einfach durch die Ablieferung des erzielten Erlöses, der ihre Bereicherung darstellt, befreien (arg. e contr. Art. 291 Abs. 3 SchKG). Zu Unrecht hat daher die Vorinstanz die Klägerin zur Bezahlung "des auf Grund des Inventars des Louis Müller und der Schätzung der Experten am 15. Mai bezw. 19. Mai 1919 als vorhanden gewesen festgestellten Verkaufswertes" der nicht zurückgegebenen Uhren verurteilt. Vielmehr muss die Sache zur Feststellung des Wertes der im von der Vorinstanz als massgebend erachteten Inventar verzeichneten und nicht zurückgegebenen Uhren auf den 23. September 1919 (durch Ergänzug der Expertenschätzung) an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, zu dessen Bezahlung alsdann die Klägerin zu verurteilen ist, sofern er sich als geringer herausstellen sollte als der im angefochtenen Urteil angenommene Wert von 119,132 Fr. 40 Cts. Auch der Beginn der Zinspflicht wird auf den angegebenen Tag hinauszuschieben sein.
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Da die Uhren, welche die Klägerin während der Nachlasstundung an den Sachwalter verkaufte, einen Teil der ihr am 10. Mai verpfändeten bildeten, umfasst der Wertersatz, zu welchem die Klägerin auf Grund des Inventars des Louis Müller verurteilt worden ist bezw. gestützt auf die vorstehenden Ausführungen nach neuer Schätzung zu verurteilen ist, auch die genannten Uhren. Es versteht sich von selbst, dass die Klägerin nicht auch noch zu der von der Beklagten verlangten und von der Vorinstanz angeordneten Rückgabe des vom Sachwalter bezahlten Preises verurteilt werden kann, wenn sie ohnehin den vollen Wert der dem Sachwalter verkauften Uhren ersetzen muss.
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Erwägung 7 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
Die Berufung wird teilweise dahin begründet erklärt, dass in Aufhebung der Dispositive 5 bis 7 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 26. Januar 1924 die Widerklageanträge 3 und 5 abgewiesen werden und die Sache zu neuer Beurteilung des Widerklageantrages 4 an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.
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