BGE 80 III 25 |
7. Entscheid vom 1. Februar 1954 i. S. Geiser. |
Regeste |
Widerspruchsverfahren um ein unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers stehendes Automobil, dessen Pfändung sich die Ehefrau des Schuldners als angebliche Käuferin widersetzt. |
Kriterien des Gewahrsams und allfälligen Mitgewahrsams. |
Art. 106-109 SchKG. |
Sachverhalt |
A.- Beim Schuldner Pulver wurde ein Auto, Marke FIAT, geschätzt auf Fr. 5000.--, gepfändet. An diesem Fahrzeug besteht ein Eigentumsvorbehalt zugunsten der "Abri" Kreditgesellschaft (Zessionarin des Verkäufers); es steht nur noch ein restlicher Preisbetrag von Fr. 400.-- aus. Der Fahrzeugausweis lautet auf den Schuldner als Halter. Der Wagen wird auch ausschliesslich von ihm benutzt. Seine Ehefrau macht aber geltend, sie habe das Auto gekauft und werde es daher nach völliger Abzahlung des Kaufpreises zu Eigentum erwerben. Über diesen der Pfändung entgegenstehenden Anspruch hat das Betreibungsamt Bern das Widerspruchsverfahren eröffnet und, nach Bestreitung der Drittansprache durch den Gläubiger Geiser, der Ansprecherin Frau Pulver gemäss Art. 107 SchKG Frist zur Widerspruchsklage angesetzt.
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B.- Auf Beschwerde der Ansprecherin hat die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 15. Januar 1954 diese Fristansetzung aufgehoben und das Betreibungsamt angewiesen, nach Art. 109 SchKG vorzugehen. Die Untersuchung hatte ergeben, dass das Auto in einer vom Schuldner gemieteten Garage eingestellt zu werden pflegt. Da aber die Ehefrau den zweiten Schlüssel zur Garage besitzt und diese auch etwa allein betritt, sei es, um andere dort aufbewahrte Gegenstände zu holen, sei es, um den Wagen zu putzen, schliesst die kantonale Aufsichtsbehörde auf Mitgewahrsam der Ansprecherin.
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C.- Mit vorliegendem Rekurs ficht der Gläubiger Geiser diese Verteilung der Parteirollen an und verlangt, dass neuerdings der Ansprecherin Frist zur Klage angesetzt werde.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: |
1. Trotz dem unbestrittenen Eigentumsvorbehalt zugunsten der "Abri" Kreditgesellschaft war das Automobil selbst zu pfänden, als ob es bereits im Eigentum des Käufers stünde. Denn wirtschaftlich betrachtet "gehört" eine unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers stehende Sache doch schon dem Käufer. Sofern und solange der Verkäufer das vorbehaltene Eigentum nicht durch Rücknahme der Sache gemäss Art. 226 OR geltend macht, verschafft ihm der Vorbehalt eine pfandrechtsähnliche Sicherheit für seine restliche Kaufpreisforderung, durch deren Bezahlung der Käufer den Eigentumsvorbehalt hinfällig machen kann. Deshalb eben ordnet das Kreisschreiben Nr. 29 der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31. März 1911 in solchen Fällen die Pfändung der Sache selbst an. Das dem Verkäufer vorbehaltene Eigentum für die allerseits anerkannte oder gerichtlich festgestellte Restforderung ist dabei wie ein Pfandrecht nach dem sog. Deckungsprinzip zu berücksichtigen. Die Sache wird also nur verwertet, wenn sich daraus mehr als der restliche Kaufpreisbetrag lösen lässt, der alsdann vorweg dem Verkäufer (bzw. dessen Zessionar) auszuzahlen ist (vgl. den Schlussabschnitt des erwähnten Kreisschreibens).
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Die demgemäss erfolgte Sachpfändung ist von niemandem, auch nicht von der Drittansprecherin beanstandet worden. Dennoch möchte sie für die Verteilung der Parteirollen auf die obligatorische Natur des Anspruchs auf Eigentumserwerb abstellen, wie er wegen des zugunsten der "Abri" Kreditgesellschaft bestehenden Eigentumsvorbehaltes vorderhand allein in Frage kommt. Dieser Betrachtungsweise ist der angefochtene Entscheid mit Recht nicht gefolgt. Das Widerspruchsverfahren muss sich auf den Gegenstand der Pfändung beziehen. Ist aus den erwähnten Gründen die Sache gepfändet worden, als stünde sie bereits im Eigentum des Käufers, mit dinglicher Sicherung der Restforderung des Verkäufers, so hat man es mit einem Widerspruchsverfahren um Sachen, nicht um obligatorische Ansprüche zu tun. Freilich wird es für die materielle Entscheidung eine Rolle spielen, wer (der Schuldner oder die Drittansprecherin) das Auto gekauft habe. Das wäre aber nicht anders beim Streit um das Eigentum selbst bei bereits völlig abbezahltem Kaufpreis. Und doch ist für die Verteilung der Parteirollen nach Art. 106-109 SchKG eben der Gewahrsam an der gepfändeten Sache massgebend.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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