17. Entscheid vom 18. April 1955 i.S. Compagnie Coloniale Franco-Américaine.
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Regeste
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Pfändung und private Pfandverwertung.
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Sachverhalt
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Am 23. Dezember 1954 arrestierte das Betreibungsamt Arlesheim für eine Forderung der Rekurrentin gegen die Manufattura tessile ticinese San Giorgio S. A. 68 im Zollfreilager Basel-Münchenstein liegende Kisten mit ca. 4500 Stück Herrenhemden im Schätzungswerte von Fr. 54'000.--. Am 19. Januar 1955 arrestierte es für die gleiche Forderung noch 28 Kisten Baumwollstoffe im Schätzungswerte von Fr. 22'000.--. Adolf Segmüller machte an diesen Waren ein Faustpfandrecht für Fr. 60'000.-- nebst 6% Zins seit 24. Juni 1954 geltend. Dieses hat als anerkannt zu gelten, da die Rekurrentin die ihr gemäss Art. 109 SchKG angesetzte Klagefrist nicht benutzte.
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Nachdem der Pfandgläubiger unter Berufung darauf, dass der Pfandvertrag ihm das Recht der freihändigen privaten Verwertung einräume, das Betreibungsamt ersucht hatte, der Lagerhalterin mitzuteilen, dass er über die arrestierten Gegenstände verfügen dürfe, schrieb das Betreibungsamt der Rekurrentin am 29. Januar 1955:
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"Wollen Sie davon Kenntnis nehmen, dass wir die gesamte verarrestierte Ware herausgeben werden.
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Der Schuldner und der Faustpfandansprecher sind uns über den Mehrerlös abrechnungspflichtig.
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Dieser Mehrerlös ist gepfändet.
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Es steht Ihnen frei, gegenüber unserer Verfügung Beschwerde einzuleiten."
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Die Beschwerde, mit welcher die Rekurrentin die Aufhebung dieser Verfügung verlangte, ist von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 14. März 1955 abgewiesen worden. Hiegegen richtet sich der vorliegende Rekurs an das Bundesgericht.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
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Das Bundesgericht hat längst entschieden, dass der Faustpfandgläubiger das ihm vom Schuldner eingeräumte Recht, das Pfand selbst zu verwerten, im Konkurs des Schuldners nicht ausüben kann (BGE 44 III 49; vgl auch schonBGE 24 II 445/6 = Sep. ausg. 1 S. 193). Zur Begründung wurde auf Art. 198, 232 Ziff. 4, 256 und 262 SchKG hingewiesen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass verpfändete Vermögensstücke unter Vorbehalt des Vorzugsrechts des Pfandgläubigers zur Konkursmasse gezogen werden, dem Konkursamt zur Verfügung zu stellen sind und amtlich verwertet werden. Der Grund dafür, dass die amtliche Verwertung der Pfänder durch Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Pfandgläubiger für den Fall des Konkurses nicht ausgeschlossen werden kann, liegt darin, dass man es bei den erwähnten Bestimmungen mit verfahrensrechtlichen Vorschriften zu tun hat, die im Interesse der Gesamtheit der Konkursgläubiger aufgestellt sind.
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Einen ähnlichen Charakter hat auch die aus Art. 98 Abs. 4, Art. 122 und 126 SchKG sich ergebende Regel, dass gepfändete Sachen amtlich zu verwerten sind, auch wenn ein Dritter daran ein Pfandrecht besitzt. Die Anwendung dieser den Interessen der Pfändungsgläubiger dienenden Verfahrensregel können der Schuldner und der Faustpfandgläubiger ebenfalls nicht verhindern, indem sie im Pfandvertrag das Selbstverkaufsrecht des Pfandgläubigers stipulieren. Dieses kann also im Falle der Pfändung der verpfändeten Gegenstände so wenig wie im Konkurs über den Pfandschuldner ausgeübt werden. Das gleiche muss auch für den Fall des Arrestes gelten, der eine Sicherungsmassnahme darstellt, die dazu bestimmt ist, die Pfändung und Verwertung zugunsten des Arrestgläubigers zu ermöglichen.
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JAEGER sagt in N. 8 zu Art. 38 SchKG freilich, eine Abmachung, die dem Faustpfandgläubiger das Recht zum Selbstverkauf gewährt, falle "nur" nach Ausbruch des Konkurses über den Schuldner als ungültig dahin. In Übereinstimmung damit nimmt OFTINGER an, die Pfändung durch einen Dritten hindere die private Verwertung des Pfandes nicht (N. 53 zu Art. 891 ZGB). OFTINGER begründet jedoch seine Auffassung nicht, und JAEGER begnügt sich mit dem Hinweis auf BGE 24 II Nr. 57 (S. 445/6) = Sep. ausg. 1 Nr. 45 (S. 193), der fehlgeht, weil dieser Entscheid die Frage offen gelassen hat, ob das Selbstverkaufsrecht im Falle der Pfändung gelte.
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Wenn Art. 316 k SchKG für den Fall des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung bestimmt, der Faustpfandgläubiger könne die Faustpfänder freihändig oder börsenmässig verwerten, sofern ihm der Pfandvertrag das Recht hiezu gebe, so lässt sich hieraus entgegen der Ansicht der Vorinstanz kein Argument dafür gewinnen, dass dieses Recht dem Pfandgläubiger auch im Falle der Pfändung erhalten bleibe. Art. 316 k räumt dem Faustpfandgläubiger überhaupt eine sehr freie Stellung ein. Er braucht das Pfand nicht abzuliefern und kann es (vorbehältlich einer im Nachlassvertrag enthaltenen Stundung der Pfandforderung) zur Verwertung bringen, wann es ihm passt. Unter diesen Umständen ist es nur folgerichtig, dass ihm auch das Recht zum privaten Verkauf gewahrt bleibt. Als eine Vorschrift, die sich aus der ganz besondern Stellung der Faustpfandgläubiger im Nachlassliquidationsverfahren erklärt, kann aber der auf das Selbstverkaufsrecht bezügliche Abschnitt von Art. 316 k im Falle der Pfändung nicht entsprechend angewendet werden. Es handelt sich dabei vielmehr um eine nur für den Liquidationsvergleich gültige Ausnahmevorschrift.
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Die Erwägung der Vorinstanz, dass der Pfändungsbzw. Arrestgläubiger durch die Pfändung bzw. den Arrest keine bessern Rechte erwerben könne, als der Schuldner sie hatte, schlägt ebenfalls nicht durch. Sie ist deshalb verfehlt, weil die Pfändungsgläubiger wie die Konkursmasse von Gesetzes wegen einen eigenen Anspruch auf amtliche Verwertung der Pfänder haben, den der Schuldner ihnen nicht entziehen kann, indem er dem Pfandgläubiger das Recht zum privaten Verkauf einräumt.
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Die Annahme, dass das Selbstverkaufsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann, nachdem die Pfandsachen gepfändet oder arrestiert worden sind, führt nicht etwa zu unhaltbaren Konsequenzen. Den schutzwürdigen Interessen des Pfandgläubigers wird im Pfändungsverfahren durch das Deckungsprinzip (Art. 126 SchKG) Rechnung getragen. Um so weniger liesse es sich rechtfertigen, die private Verwertung in diesem Verfahren zuzulassen, sie dagegen im Konkurs auszuschliessen, wo das Deckungsprinzip nicht gilt. Das Umgekehrte liesse sich eher verstehen. Auf der andern Seite wird durch den Ausschluss der privaten Verwertung von gepfändeten Pfandgegenständen vermieden, dass die Pfändungsgläubiger einer allfälligen Verschleuderung dieser Gegenstände durch den Pfandgläubiger hilflos zusehen müssen. Diese Gefahr kann namentlich dann aktuell werden, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um Sachen handelt, für die kein Markt- oder Börsenpreis besteht. Die von der Vorinstanz erwähnte Möglichkeit, dem Pfandgläubiger ein Kaufsangebot zu machen oder ihn unter Umständen auf Schadenersatz zu belangen, bietet den Pfändungsgläubigern gegen diese Gefahr keinen hinlänglichen Schutz.
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Die Beschwerde der Rekurrentin gegen die Verfügung des Betreibungsamtes vom 29. Januar 1955 ist demnach begründet.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die Verfügung des Betreibungsamtes Arlesheim vom 29. Januar 1955 aufgehoben.
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