2. Entscheid vom 8 März 1957 i. S. Dinten.
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Regeste
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Rückzug der Betreibung.
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Der Eintritt der Wirkung wird verhindert durch einen vor der Rückzugserklärung beim Amt eintreffenden Widerruf des Gläubigers, ohne dass das Amt zu prüfen hätte, ob dem Rückzug eine Vereinbarung zwischen den Parteien zugrundelag.
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Sachverhalt
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A.- In zwei Betreibungen des F. Dinten gegen F. Uhler für zusammen Fr. 50'000.-- war kein Rechtsvorschlag erfolgt und die Pfändung auf 1. September 1956 angesetzt. Am 30. August fand zwischen Dinten und dessen eigenem Gläubiger Fellinger eine Besprechung statt, bei welcher Fellinger dem Dinten versprach, er werde die gegen diesen gerichtete Betreibung zurückziehen, wenn Dinten die beiden gegen Uhler gerichteten Betreibungen gleichzeitig ebenfalls zurückziehe. Demgemäss unterzeichnete Dinten ein Schreiben vom 30. August an das Betreibungsamt Kreuzlingen, worin er den Rückzug der Betreibungen gegen Uhler erklärte, da er sie irrtümlicherweise eingeleitet habe. Dieses Schreiben übergab Dinten dem Fellinger, der es am 31. August an das Betreibungsamt absandte, wo es gleichen Tags um 14 Uhr eintraf. Schon vor der Abmachung vom 30. August, am 29., hatte jedoch Frau Dinten dem Betreibungsamt telephonisch mitgeteilt, die zu erwartende Rückzugserklärung ihres Mannes gelte dann nicht; und mit Expressbrief vom 30. August schrieb der Anwalt Dintens in dessen Namen und Auftrag dem Betreibungsamt, Dinten "fechte den ihm von Fellinger nahegelegten Rückzug der Betreibungen gegen Uhler wegen Täuschung und Irrtums an und er habe keine Gültigkeit." Dieser Brief traf am 31. August morgens zwischen 8 und 9 Uhr beim Betreibungsamt ein, also vor der Rückzugserklärung (14 Uhr).
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B.- Gegen die darauf vollzogene Pfändung führte Uhler Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung derselben. Er machte geltend, mit der zuhanden des Betreibungsamtes schriftlich aufgesetzten und unterzeichneten Rückzugserklärung habe Dinten sich der Möglichkeit eines Widerrufes begeben. Wann diese Erklärung beim Betreibungsamt eingetroffen sei, bleibe unerheblich. Als Gegenleistung habe Fellinger seine Betreibung gegen Dinten zurückgezogen und er könne diese Erklärung auch nicht widerrufen. Das Betreibungsamt hätte daher den Widerruf gar nicht beachten und die Pfändung nicht vornehmen dürfen.
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C.- Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde als unbegründet ab. Auf Rekurs Uhlers hat die obere mit Entscheid vom 20. Februar 1957 sie geschützt und die Betreibungen gegen Uhler aufgehoben. Die Vorinstanz führt aus, zwar sei die Rückzugserklärung Dintens erst nach dem telephonischen und dem schriftlichen Widerruf beim Betreibungsamt eingetroffen. Dinten habe aber doch eine an das Betreibungsamt direkt gerichtete Rückzugserklärung abgegeben. Darin, dass diese direkt an das Betreibungsamt gesandt wurde, liege ein entscheidender Unterschied zu dem in BGE 69 III 4ff. beurteilten Tatbestand, bei welchem der Schuldner die ihm vom Gläubiger ausgehändigte Rückzugserklärung dem Betreibungsamt gar nie zustellte. Zudem habe dort der Schuldner seine Gegenleistung für den Rückzug nicht erfüllt, während dies hier der Fall sei, indem Uhler den Rückzug der gegen Dinten gerichteten Betreibung veranlasst habe. Nach der Aktenlage stelle sich die Frage, ob in dem Widerruf der Betreibung (recte: des Rückzugs) seitens Dintens nicht ein Verhalten wider Treu und Glauben vorliege. Unter diesen Umständen könne der später abgesandte, aber früher beim Betreibungsamt eingetroffene Widerruf nicht berücksichtigt werden und habe es bei dem zwischen den Parteien vereinbarten und dem Betreibungsamt ordnungsgemäss zugestellten Rückzug der Betreibungen zu bleiben.
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D.- Mit dem vorliegenden Rekurs beantragt Dinten Aufhebung dieses Entscheides, Abweisung der Beschwerde Uhlers und Gültigerklärung der Betreibungen gegen diesen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
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Die Vorinstanz erblickt einen die gegenteilige Beurteilung rechtfertigenden Unterschied des vorliegenden gegenüber dem Falle BGE 69 III 4ff. darin, dass hier der vom Gläubiger Dinten zufolge Vereinbarung mit dem Schuldner gegenüber dem Betreibungsamt erklärte Rückzug der Betreibungen dem Amte auch tatsächlich zugestellt worden sei. Die Auffassung jedoch, dass die Rückzugsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner für das Betreibungsamt massgebend sei, weil der Gläubiger damit über sein Gestaltungsrecht verfügt habe und formell daran gebunden sei, gleich wie wenn er einen Vergleich auf Prozesserledigung und Klagerückzug abgeschlossen hätte, geht fehl. Die Vereinbarung vom 30. August 1956 betrifft nur den Rückzug der Betreibungen und berührt, im Gegensatz zu einem Prozessvergleich, materiell die Forderung nicht (a.a.O. 5 unten). Der Gläubiger ist Herr der Betreibung; das ihm zustehende Gestaltungsrecht des Rückzuges derselben wird von ihm durch Erklärung gegenüber dem Betreibungsamt ausgeübt, nicht schon durch eine Abmachung mit dem Schuldner, wonach er sich verpflichtet, die Betreibung zurückzuziehen. Auch wenn eine solche, nicht unmittelbar an das Betreibungsamt gerichtete Rückzugserklärung vom Schuldner kraft Ermächtigung seitens des Gläubigers an das Betreibungsamt weitergeleitet wird, wird sie erst mit dem Eintreffen bei diesem wirksam (a.a.O. 6). So wie nach zivilrechtlichen Regeln der Eintritt der Rechtswirkung einer empfangsbedürftigen Erklärung durch einen vor oder gleichzeitig mit ihr beim Adressaten eintreffenden Widerruf verhindert wird (Art. 9 OR, VON TUHR/SIEGWART OR 162), ist hier durch den am 30. August (also früher und nicht, wie die Vorinstanz im Schlussabsatz sagt, später als die Rückzugserklärung) abgesandten und einige Stunden vor dieser dem Betreibungsamt zugegangenen, als "Anfechtung" bezeichneten Widerruf der Rückzug dem Betreibungsamt gegenüber entkräftet worden. Das Amt konnte, als dann am Nachmittag die Rückzugserklärung eintraf, nicht im Zweifel sein, dass diese ihm gegenüber unwirksam war. Es hatte sich nicht darum zu kümmern, ob die dem Rückzug zugrunde liegende Vereinbarung zwischen den Betreibungsparteien gültig sei oder nicht, wie im Widerrufsschreiben zur Motivierung geltend gemacht war. Es hatte nur darauf abzustellen, dass der Gläubiger bei ihm den Rückzug nicht erklärte, sondern den Vollzug der Pfändung verlangte, und es ist Sache des Schuldners, allenfalls gerichtlich nach Art. 85 SchKG vorzugehen (a.a.O. 7 i.f.).
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Beschwerde des Schuldners Uhler abgewiesen.
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