1. Entscheid vom 7. Januar 1963 i.S. Fouché.
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Regeste
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Schweizerisches Spezialdomizil (Wahldomizil) eines im Auslande wohnenden Schuldners (Art. 50 Abs. 2 SchKG).
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Ob ein Wahldomizil oder bloss eine Zustelladresse gemeint sei, ist Frage der Auslegung.
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Sachverhalt
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A.- Laut einer in Genf und Bern unterzeichneten Vereinbarung vom 16. April 1959, überschrieben "Avenant au contrat du 19 mai 1958", zwischen dem in Paris wohnhaften Gläubiger R.-P. Fouché und dem gleichfalls im Auslande wohnenden Schuldner J. Ashkenasy anerkannte dieser eine Schuld von 194'580 Schweizerfranken. Als Sicherheit dafür verpfändete er ein bei Fürspecher P. von Teufenstein in Bern verwahrtes Aktienzertifikat. Am Kopf der Vereinbarung ist dem Namen des Gläubigers beigefügt:
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"élisant domicile aux fins des présentes en l'Etude de MMes Turrettini & L'Huillier, ... à Genève",
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und dem Namen des Schuldners:
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"élisant domicile aux fins des présentes en l'Etude de Me Peter von Teufenstein, ... à Berne".
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Der Vereinbarung ist ferner zu entnehmen:
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Art. 8. "Tout paiement du débiteur sera effectué à l'Etude de MMes Turrettini & L'Huillier ou chez MM. Pictet & Cie s'il intervient en vertu de la cession de créances prévue à l'article 5 b."
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Art. 10.
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"Aux fins d'exécution des présentes le créancier fait élection de domicile en l'Etude de MMes Turrettini & L'Huillier et le débiteur en l'Etude de Me Peter von Teufenstein, à laquellc pourra valablement être notifiée toute réclamation, mise en demeure, fixation de délai, ou tout acte judiciaire ou de poursuite en recouvrement de la créance."
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B.- Die in Bern angehobene Betreibung auf Verwertung des Faustpfandes führte zur Ausstellung eines Pfandausfallscheins. Hierauf verlangte der Gläubiger beim nämlichen Betreibungsamte die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung oder Konkurs, gemäss Art. 158 Abs. 2 SchKG. Das Betreibungsamt Bern 1 wies dieses Begehren jedoch zurück und erklärte sich als örtlich unzuständig, weil das vom Schuldner gewählte Spezialdomizil Bern nur für die Verwertung des in Bern verwahrten Faustpfandes gegolten habe.
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C.- Die Beschwerde des Gläubigers, der auf der Fortsetzung der Betreibung in Bern bestand, wurde von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 5. Dezember 1962 abgewiesen, aus folgenden Gründen: Der Ansicht des Betreibungsamtes Bern 1 sei zwar nicht beizustimmen. Hätte der Schuldner wirklich Bern als Spezialdomizil zur Erfüllung der in Frage stehenden Verbindlichkeit gewählt, so wäre Bern Betreibungsort zur Geltendmachung dieser Verbindlichkeit schlechthin, also auch zur Fortsetzung der mit einem Ausfall beendigten Faustpfandbetreibung. Nun sei aber der vom Gläubiger angerufenen Vertragsklausel bloss die Wahl eines Zustellungsdomizils zu entnehmen. Die Zuständigkeit des Betreibungsamtes Bern 1 für die Betreibung auf Faustpfandverwertung beruhe gar nicht auf dieser Klausel, sondern auf Art. 51 Abs. 1 SchKG (Standort des Pfandes). Der Betreibungsort des Spezialdomizils (Art. 50 Abs. 2 SchKG) treffe also für Bern nicht zu. Man könnte sich bloss fragen, ob die Voraussetzungen hiefür in Genf gegeben wären. Genf sei laut dem Vertrage als Erfüllungsort bezeichnet worden, was freilich nach der Rechtsprechung noch nicht ohne weiteres Erfüllungsdomizil im Sinne des Art. 50 Abs. 2 SchKG bedeute (BGE 86 III 81); doch sei diese Unterscheidung kaum gerechtfertigt. Wie dem aber auch sein möge, sei jedenfalls in Bern kein Spezialdomizil begründet worden.
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D.- Diesen Entscheid zieht der Gläubiger an das Bundesgericht weiter, indem er am Antrag festhält, seinem in Bern gestellten Fortsetzungsbegehren sei Folge zu geben.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
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Nach Art. 50 Abs. 2 SchKG kann der Rekursgegner in Bern betrieben werden, falls er dort zur Erfüllung der in Frage stehenden Verbindlichkeit "ein Spezialdomizil" gewählt hat. Unbestritten ist, dass er im Auslande wohnt (laut dem Pfandausfallschein und dem Fortsetzungsbegehren in Rotterdam) oder allenfalls zur Zeit keinen festen Wohnsitz mehr hat (nach den Angaben der Rekursschrift); auch im letztern Fall ist Art. 50 Abs. 2 SchKG anwendbar (BGE 46 III 109). Die Vorinstanz glaubt dagegen dem "avenant" kein Spezialdomizil im Sinne des Gesetzes entnehmen zu sollen. Sie fasst die Klauseln des "avenant" in dem Sinne auf, dass die Parteien als Erfüllungsort Genf bezeichnet hätten (wo allenfalls, freilich nicht nach der herrschenden Rechtsprechung, zugleich ein Spezialdomizil im Sinne jener Gesetzesnorm gegeben wäre), Bern jedoch nur als Zustellungsdomizil des Schuldners. Diese Art der Auslegung hält jedoch einer nähern Betrachtung nicht stand.
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Gewiss fällt das "Spezialdomizil" des Art. 50 Abs. 2 SchKG mitunter mit dem vom Gläubiger mit dem Schuldner vereinbarten Erfüllungsorte zusammen. So ist nach ständiger Rechtsprechung der in einem Wechsel oder Inhaberpapier angegebene Zahlungsort zugleich als Rechtsdomizil des Schuldners (Akzeptanten, Ausstellers, Wechselbürgen) zu betrachten, insbesondere auch als Spezialdomizil im Sinne der erwähnten Bestimmung des SchKG (BGE 47 III 32,BGE 52 III 167,BGE 53 III 197, BGE 86 III 82). Ausserhalb des Bereichs dieser Wertpapiere kann aber ein vereinbarter Erfüllungsort nicht ohne weiteres als Spezialdomizil und damit als Betreibungsort des im Auslande wohnenden Schuldners gelten. Es müssen vielmehr, falls nicht ausdrücklich ein Spezialdomizil vereinbart wird, besondere Umstände hinzutreten, die dem Erfüllungsorte stillschweigend diese weitergehende Bedeutung geben (wie in BGE 86 III 82 /83 mit Hinweis auf frühere Entscheidungen ausgeführt wird). Daran ist gegenüber dem von der Vorinstanz, übrigens ohne Begründung, geäusserten Zweifel festzuhalten. Bei einer gewöhnlichen, nicht in einem Wechsel oder Inhaberpapier verkörperten, also auch nicht nach den diese Wertpapiere beherrschenden Regeln in Verkehr zu bringenden Schuldverpflichtung entspricht die Wahl eines schweizerischen Zahlungsortes (lieu de paiement), sofern nichts anderes dazutritt, vermutungsweise nicht dem Willen, ein Rechtsdomizil des Schuldners zu begründen, das (im Rahmen des massgebenden Prozessgesetzes) einen Gerichtsstand und (nach Art. 50 Abs. 2 SchKG) einen Betreibungsort zur Geltendmachung dieser Verpflichtung zu schaffen vermöchte. Der vorliegende Fall liefert ein sprechendes Beispiel dafür, dass der Erfüllungsort (Zahlungsort) nach dem zunächst zu vermutenden und hier überdies offensichtlichen Parteiwillen nicht zugleich als Rechtsdomizil und Betreibungsstand des Schuldners für die sich aus der Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen zu gelten hat. Wird doch in Art. 10 des "avenant" der Erfüllungsort Genf bloss als Wahldomizil des Gläubigers, anderseits aber Bern als Wahldomizil des Schuldners bezeichnet. Schon nach der allgemeinen Rechtsordnung braucht der Erfüllungsort (zumal bei Bringschulden) nicht mit dem ordentlichen Gerichtsstand des Schuldners zusammenzufallen. Ebensowenig steht etwas entgegen, ein vom Erfüllungsort verschiedenes Domizil des Schuldners für die vom Gläubiger zu treffenden Massnahmen zur Bewirkung der Erfüllung zu wählen. Daraus, dass im vorliegenden Falle Bern bloss als Spezialdomizil des Schuldners und nicht zugleich als Erfüllungsort für die ihm obliegenden Zahlungen bezeichnet wurde, ist somit keineswegs zu schliessen, Bern könne gar nicht im Sinne des Art. 50 Abs. 2 SchKG als Spezialdomizil gelten.
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Wenn diese Gesetzesnorm von einem Domizil des Schuldners "zur Erfüllung einer Verbindlichkeit" spricht (französischer Text: "Le débiteur domicilié à l'étranger, qui a élu domicile en Suisse pour l'exécution d'une obligation"), so ist darunter das Wahldomizil zu verstehen, an dem er auf Erfüllung belangt werden kann, gleichgültig ob sich auch der Erfüllungsort dort befindet. Insbesondere Personen, die, wie die an der vorliegenden Betreibung Beteiligten, der französischen Rechtssprache kundig sind, ist diese Bedeutung des Wahldomizils geläufig (vgl. LEUCH, N. 1 zu Art. 27 der bernischen ZPO). Dies ist der Sinn der "élection de domicile" nach Art. 111 des französischen Code civil und dem Schlussabsatz von Art. 59 des französischen Code de procédure civile (vgl. den Abschnitt "domicile élu" bei Dalloz, Encyclopédie, droit civil II; JOSSERAND, Cours de droit civil positif français, I nos 240-242; PLANIOL et RIPERT, droit civil I, R. et J. SAVATIER, nos 165 et sv.). Davon wird auch bei Anwendung des Art. 3 des schweizerisch/französischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 ausgegangen (BGE 39 I 373ff.). Damit stimmen ferner die Regeln der Prozessgesetze mehrerer Kantone der französischen Schweiz überein (vgl.BGE 75 I 35). Und in entsprechender Bedeutung sieht nun auch Art. 50 Abs. 2 SchKG vor, dass das schweizerische Wahldomizil eines im Auslande wohnenden Schuldners einen speziellen Betreibungsort für die betreffende Verbindlichkeit schafft.
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Dass diese gesetzliche Wirkung dem im vorliegenden Falle vereinbarten Schuldnerdomizil Bern nicht zukommen solle, sondern wegbedungen worden sei, kann der Vorinstanz nicht zugegeben werden. Wie bereits dargetan, folgt eine solche Einschränkung nicht aus der Bezeichnung von Genf als Zahlungsort. Neben diesen Ort tritt eben das Rechtsdomizil des Schuldners in Bern, das die Vereinbarung ganz allgemein vorsieht "aux fins des présentes" (so in der dem Namen des Schuldners am Kopf der Vereinbarung beigefügten Klausel) und "aux fins d'exécution des présentes" (so in Art. 10). Wenn der letztere Artikel ausserdem bestimmt, dass in Bern alle vom Gläubiger vorzunehmenden oder zu veranlassenden privaten oder amtlichen Notifikationen (worunter "tout acte judiciaire ou de poursuite") erfolgen können, so schränkt dies jene umfassende Domizilwahl nicht ein, sondern fasst ergänzend noch besonders die Zustellungen ins Auge, die der Gläubiger oder die von diesem angegangene Behörde hinsichtlich der in Frage stehenden Verbindlichkeit ebenfalls ohne Vorbehalt an der genau angegebenen Berner Adresse des Schuldners bewirken dürfe.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Betreibungsamt Bern 1 angewiesen, dem Fortsetzungsbegehren des Rekurrenten Folge zu geben.
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