BGE 92 III 20
 
4. Entscheid vom 26. Mai 1966 i.S. Beta Holding SA
 
Regeste
Arrestvollzug. Art. 271 ff. SchKG. Vinkulierte Namenaktien als Gegenstand der Zwangsvollstreckung. Art. 686 Abs. 4 OR.
2. Namenaktien, auch vinkulierte, sind Wertpapiere. Ebenso wie bei Inhaberaktien ist es unzulässig, losgelöst vom Titel ein diesem zu Grunde liegendes "Beteiligungsrecht" am Sitz der Aktiengesellschaft zu arrestieren. (Erw. 3).
 
Sachverhalt
A.- Die "Eurofima", Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial, mit Sitz in Basel, wurde gegründet gemäss einem internationalen Abkommen vom 20. Oktober 1955 (durch Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1955 genehmigt und für die Schweiz am 22. Juli 1959 in Kraft getreten; eidg. Sammlung der Gesetze 1959 S. 603 ff.). Sie hat laut ihren Statuten vom 20. November 1956 ein Grundkapital von 100 Millionen Schweizerfranken. Die Aktien lauten auf den Namen der als Aktionäre beteiligten Eisenbahnverwaltungen. In Art. 7 der Statuten vom 20. November 1956 wird bestimmt:
"Die Aktien lauten auf den Namen.
Eine Abtretung von Aktien ist unter Vorbehalt der Bestimmungen des nachfolgenden Artikels 9 nur unter Aktionären und mit Zustimmung der Generalversammlung möglich.
Die Gesellschaft führt ein Aktienregister, in welches Name und Wohnort der Aktionäre eingetragen werden. Als Aktionär wird von der Gesellschaft nur anerkannt, wer im Aktienregister eingetragen ist."
Art. 9 der Statuten lautet:
"Jede Eisenbahnverwaltung eines Staates, die das Internationale Abkommen über die Gründung der Gesellschaft unterzeichnet hat oder ihm beigetreten ist, kann durch Beschluss der Generalversammlung als Aktionär aufgenommen werden, sei es durch die Abtretung von Aktien oder durch die Zeichnung neuer Aktien bei einer Kapitalerhöhung, ...
..."
Art. 20 der Statuten lautet:
"Jeder Aktionär ist verpflichtet, für die ihn vertretenden Mitglieder des Verwaltungsrates, für die Dauer ihres Amtes je eine Aktie der Gesellschaft bei der Gesellschaftskasse zu hinterlegen."
B.- Für zwei Forderungen von Fr. 6 000 000.-- (Provision) und Fr. 60 000 000.-- (Schadenersatz) gegen die am Aktienkapital der Eurofima beteiligten Italienischen Staatsbahnen erwirkte die Beta Holding SA am 22. Februar 1965 den Arrestbefehl Nr. 25/65, der die zu arrestierenden Gegenstände in folgender Weise umschrieb:
"Sämtliche Guthaben, Beteiligungen, Depositen, Werttitel, Edelmetalle und überhaupt Valoren irgendwelcher Art der Schuldnerin bei
a) der Eurofima AG Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial, Parkweg 8, Basel;
b) ..."
Nach Einholung eines Berichtes der Eurofima stellte das Betreibungsamt Basel-Stadt fest, dass sich von den erwähnten Arrestgegenständen nur die zwei von den Italienischen Staatsbahnen hinterlegten Eurofima-Pflichtaktien in Basel, nämlich im Besitz der Eurofima, befanden. Es arrestierte daher nur diese zwei Aktien und die aus dem Eurofima-Aktienbesitz der Arrestschuldnerin fliessenden Erträgnisse auf die Dauer eines Jahres.
Auf eine Beschwerde der Arrestgläubigerin trat die kantonale Aufsichtsbehörde nicht ein, weil die Beschwerdefrist gegenüber der Arresturkunde versäumt worden war, was das Bundesgericht im Rekursentscheid vom 13. Mai 1965 bestätigte. In Erw. 5 dieses Entscheides ist ausgeführt: "Insbesondere die Frage, ob bei stark vinkulierten Namenaktien wie denjenigen der Eurofima die "Beteiligung" an einer Aktiengesellschaft getrennt von den Aktientiteln, und zwar am Gesellschaftssitz, arrestiert werden könne (abweichend von der Rechtsprechung betreffend die Arrestierung von Inhaberaktien, BGE 88 II 142 /43), konnte daher... nicht mehr aufgeworfen werden". (BGE 91 III 29 ff.).
Auch ein weiterer, der Beta Holding SA im Juni 1965 bewilligter Arrest Nr. 101/65 vermochte die übrigen 1398 Eurofima-Aktien der Italienischen Staatsbahnen nicht zu erfassen.
C.- Für die nämlichen Forderungen von Fr. 6 000 000. - und Fr. 60 000 000.-- erwirkte die Rekurrentin am 21. Februar 1966 in Basel neuerdings einen Arrestbefehl, der in erster Linie folgende Arrestgegenstände bezeichnete:
"a) die sämtlichen Dividendenansprüche und anderweitigen Erträgnisse aus den beiden Eurofima-Namenaktien der Schuldner ab 22. Februar 1966."
Diese Dividendenansprüche und anderweitigen Erträgnisse wurden auf ein weiteres Jahr, bis 21. Februar 1967, arrestiert.
Das Gesuch hatte ferner folgende Gegenstände angegeben:
"b) sämtliche bisher, d.h. in den Arresten Nr. 25/26 und 101/65 noch nicht verarrestierten Beteiligungen, Guthaben, etc. der Schuldner bei der Eurofima, wie sie sich aus dem Aktienbuch der Eurofima und aus ihrer Buchhaltung ergeben, wobei das Betreibungsamt BaselStadt als Vollzugsbehörde in das Aktienbuch und die Buchhaltung der Eurofima Einsicht nehmen und dort eine Sperre anlegen soll."
Der Arrestbefehl bezeichnete infolge dieses Begehrens als weitere Arrestgegenstände
"b) sämtliche bisher, d.h. in den Arresten Nr. 25/65 und 101 /65 noch nicht verarrestierten Beteiligungen und Guthaben der Schuldner bei der Eurofima, wie sie sich aus dem Aktienbuch der Eurofima und aus ihrer Buchhaltung ergeben",
fügte jedoch bei:
"Abgelehnt wird das Arrestbegehren insoweit, als es unter Arrestobjekte b) mit "etc." das Betreibungsamt anhalten will, nach nicht vom Gläubiger bezeichneten oder bezeichenbaren Aktiven zu forschen. Das ist ebenso unzulässig wie das Ansinnen der Gläubigerin an das Betreibungsamt, bei der Eurofima im Aktienbuch und in der Buchhaltung nach Beteiligungen und Guthaben der Italienischen Staatsbahnen zu forschen. Die Arrestobjekte hat der Gläubiger selbst zu benennen und zu bezeichnen. Was er nicht oder nicht genügend bezeichnen kann, hat nicht das Betreibungsamt für ihn zu suchen.
Das Betreibungsamt wird lediglich angewiesen, von der Eurofima eine schriftliche Bestätigung zu erwirken, aus der hervorgeht, ob und was (auch ziffernmässig) als unter Arrestobjekte nach b) fallend von diesem Arrest ergriffen wird, wobei die Eurofima auf ihre Schadenersatzpflicht bei Verheimlichung von Aktiven der Schuldnerin ausdrücklich aufmerksam zu machen ist."
Da die Eurofima das Vorhandensein von unter b) fallenden Gegenständen verneinte, wurde unter b) nichts arrestiert.
D.- Mit der hierauf "gegen den unvollständigen Vollzug des Arrestbefehls Nr. 22/66" geführten Beschwerde stellte die Gläubigerin den Antrag:
"Es sei das Betreibungsamt anzuhalten, im Aktienbuch der Eurofima bezüglich der dort eingetragenen vinkulierten Namenaktien, lautend auf die Italienischen Staatsbahnen, eine Verfügungssperre anzulegen" ("wodurch diese Aktien unter Arrestbeschlag fallen", wird im Rekurs an das Bundesgericht beigefügt).
"Ferner sei das Betreibungsamt anzuweisen, in der Buchhaltung bezüglich des Hauptkontos "Beteiligung Italienische Staatsbahnen", welches gemäss Prospekt der Eurofima für die 5 % Anleihe 1965 eine Beteiligung der FS an der Eurofima von ca. 61 000 000.-- Franken ausweist, den Arrest zu vollziehen."
E.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde am 22. April 1966 abgewiesen.
F.- Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende Rekurs der Gläubigerin, die am erwähnten Beschwerdeantrag festhält.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Die Arrestlegung beruht auf dem von der zuständigen Behörde nach Art. 272 und 274 SchKG erlassenen Arrestbefehl. Dessen Grundlagen sind vom beauftragten Betreibungsamte nicht nachzuprüfen (BGE 64 III 128,BGE 66 III 73). Freilich hat dieses Amt unter Umständen den Vollzug zu verweigern (vgl.BGE 73 III 101,BGE 78 III 69Erw. 3,BGE 79 III 4Erw. 1, BGE 80 III 126 Erw. 3), und auch die Anwendung der für die Pfändung geltenden Bestimmungen der Art. 91 bis 109 SchKG (Art. 275 SchKG) kann zum Ausschluss bestimmter im Arrestbefehl genannter Gegenstände führen. Keinesfalls aber darf das Betreibungsamt Gegenstände arrestieren, die im Arrestbefehl gar nicht genannt sind; geschieht es dennoch, so ist die Arrestierung insoweit als nichtig anzusehen (BGE 90 III 50).
2. Im vorliegenden Falle umschrieb der Arrestbefehl die (gemäss den Angaben der Gläubigerin) nach b) zu arrestierenden Gegenstände allgemein als "Beteiligungen und Guthaben der Schuldner bei der Eurofima, wie sie sich aus dem Aktienbuch der Eurofima und aus ihrer Buchhaltung ergeben". Zugleich wurde dem Betreibungsamt aufgegeben, lediglich einen schriftlichen Bericht der Eurofima darüber einzuholen, ob und was (auch ziffernmässig) unter diese Gattung von Gegenständen falle. Das Betreibungsamt befolgte diese Weisung, nahm den negativen Bericht der Eurofima entgegen und gab dessen Inhalt in der Arresturkunde wieder, um auf diese Weise das Fehlen eines unter b) fallenden Arrestgegenstandes darzutun. Es erscheint als fraglich, ob unter diesen Umständen von unvollständigem Vollzug des Arrestes die Rede sein und die in BGE 91 III 36 Erw. 5 offen gelassene Frage überhaupt noch zum Gegenstand einer Beschwerde gemacht werden konnte.
Allein, auch wenn man hievon ausgeht, ist die Beschwerde der Gläubigerin mit Recht abgewiesen und jene im früheren Rekursverfahren offengebliebene Frage aus guten Gründen verneint worden. Es steht fest, dass die Eurofima Aktientitel ausgegeben hat; deshalb kommt nicht etwa in Frage, der Arrestschuldnerin blosse Rechte eines Aktienzeichners zuzuschreiben, wie sie vor der Ausgabe von Aktien oder Interimsscheinen nach Art von Forderungen arrestiert werden könnten (BGE 77 III 90). Die Aktientitel sind Wertpapiere. Diese Eigenschaft kommt, wie allgemein anerkannt ist, auch vinkulierten Namenaktien zu, und die streitige Frage, ob man es dabei mit Namenpapieren im engern Sinne, also mit Rektapapieren, oder mit Orderpapieren zu tun habe, ist dahin entschieden worden, dass Orderpapiere vorliegen, sofern die Statuten die Übertragung durch Indossament nicht ausschliessen (BGE 78 II 265, BGE 81 II 202, BGE 83 II 304). Die Statuten der Eurofima enthalten keine dahingehende Ausschlussklausel, sie verbieten die Übertragung auch nicht schlechthin (Art. 684 Abs. 1 OR;BGE 75 II 350Erw. 2), und die Vinkulierung der Aktien gemäss Art. 7 und 9 der Statuten beschränkt zwar die Übertragbarkeit der Rechte eines Aktionärs in bestimmter Weise, ändert aber nichts am Wertpapiercharakter der Aktientitel, so dass die Form der Übertragung eben in der Abtretung (Indossierung) der Aktientitel zu bestehen hat. Es braucht hier nicht zu der umstrittenen Frage Stellung genommen zu werden, inwiefern eine Spaltung der Aktionärrechte eintritt, wenn eine Abtretung (Indossierung) auf Grund eines Rechtsgeschäftes (Kaufvertrages usw.) erfolgt ist, die Zustimmung der Gesellschaft aber ausbleibt (vgl. dazu BGE 83 II 297 ff. und BGE 90 II 235 ff. mit Literaturhinweisen). Denn nach der für den Erwerb der Aktien "infolge Erbganges, ehelichen Güterrechts oder Zwangsvollstreckung" geltenden Spezialbestimmung des Art. 686 Abs. 4 OR kann die Eintragung in das Aktienbuch nur verweigert werden, wenn Mitglieder der Verwaltung oder einzelne Aktionäre sich bereit erklären, die Aktien zum Börsenkurs, und, wenn ein solcher nicht besteht, zum wirklichen Wert im Zeitpunkte der Anmeldung zur Eintragung zu übernehmen. Durch diese zwingende Bestimmung ist dafür gesorgt, dass sich auch vinkulierte Aktien in wirksamer Weise verwerten lassen, indem der Erwerber entweder als neuer Aktionär eingetragen werden muss oder ihm der Börsenwert bzw. der wirkliche Wert der erworbenen Aktien auszuzahlen ist; der nicht genehme Erwerber erhält also von Gesetzes wegen eine volle Entschädigung (vgl. W. BÜRGI, Kommentar, N. 1 am Ende, 82 und 83 zu Art. 686 OR; übereinstimmend SCHUCANY, Kommentar, 2. A., N. 3 zu Art. 686 OR; nichts Abweichendes besagt die von der Rekurrentin angerufene N. 1 zu Art. 684 OR). Bei alldem ist Gegenstand der Verwertung der die Rechte des Aktionärs verkörpernde Aktientitel; es besteht also in dieser Hinsicht die gleiche Rechtslage wie bei Inhaberaktien (wozu vgl. BGE 88 III 142 /43).
Da sich diese Titel nicht in Basel befinden, konnte das Betreibungsamt sie nicht mit Arrest belegen. Anderseits besteht die Beteiligung der Arrestschuldnerin an der Eurofima, wie deren Auskunft ergab, ausschliesslich aus dem Aktienbesitz. Gewöhnliche Forderungen, die wegen des ausländischen Sitzes der Arrestschuldnerin beim Drittschuldner in der Schweiz arrestiert werden könnten, sind nicht nachgewiesen. Endlich sind die Aktien der Eurofima nicht gänzlich unübertragbar, wie bereits bemerkt. Sie dürfen an Aktionäre übertragen werden, welche Eisenbahnverwaltungen von Staaten sein müssen, die dem Abkommen vom 20. Oktober 1955 beigetreten sind. Was für Rechtsfolgen sich an ein unbedingtes Übertragungsverbot der Statuten zu knüpfen hätten, ist hier nicht zu prüfen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.