BGE 102 III 33 |
8. Entscheid vom 20. Januar 1976 i.S. B. |
Regeste |
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung; Art. 316a ff. SchKG. |
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ist grundsätzlich auch der Schuldner befugt, Verfügungen des Liquidators auf dem Beschwerdeweg anzufechten (Erw. 1). |
2. Sinngemässe Anwendbarkeit des Art. 575 Abs. 1 OR (Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch die Konkursverwaltung) auf den Liquidationsvergleich. |
a) Sachliche Zuständigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörden bzw. des Bundesgerichts als Rekursinstanz (Abgrenzung zwischen vollstreckungsrechtlichen und materiellen Fragen) (Erw. 3b). |
b) Da die Interessenlage für alle Beteiligten die gleiche ist wie beim Konkurs, ist Art. 575 Abs. 1 OR sinngemäss auch auf den Liquidationsvergleich anzuwenden (Erw. 4a). |
c) Der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses brauchen - wie im Falle des Konkurses - keine Einigungsverhandlungen im Sinne von Art. 9 VVAG voranzugehen (Erw. 5). |
Sachverhalt |
Am 1. Dezember 1971 bestätigte der Kreisgerichtsausschuss Rhäzüns einen von der Einzelfirma B. in X. vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Die den Gläubigern überlassenen Aktiven umfassen unter anderem den Gesellschaftsanteil des Inhabers der Nachlasschuldnerin an der Kommanditgesellschaft A. & Cie.
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Unter Berufung auf Art. 575 Abs. 1 OR kündigte der Nachlass-Liquidator dieses Gesellschaftsverhältnis mit Schreiben vom 1. September 1975 auf den 31. März 1976. Gleichzeitig erklärte er, er belege das gesamte Vermögen der A. & Cie sowie deren Geschäftsbücher und weitere Dokumente mit Beschlag.
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Gegen diese Massnahme erhob B. Einsprache beim Gläubigerausschuss, der jedoch die angefochtene Verfügung schützte. Die gegen diesen Entscheid erhobene Aufsichtsbeschwerde wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 18. November 1975 ab.
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Das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde hat B. mit Rekurs an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, es sei aufzuheben.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: |
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist im Falle des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung grundsätzlich auch der Schuldner befugt, Verfügungen des Liquidators auf dem Beschwerdeweg anzufechten. Entsprechend den beim Konkurs geltenden Regeln ist ihm allerdings nur insofern Einfluss auf den Gang der Liquidation zuzugestehen, als er die Möglichkeit haben muss, auf eine rechtmässige Art der Verwertung hinzuwirken (vgl. BGE 85 III 180 lit. b). Ein Beschwerderecht kommt dem Nachlass-Schuldner auf jeden Fall nur dort zu, wo die beanstandete Massnahme in dessen gesetzlich geschützten Rechte und Interessen eingreift (vgl. BGE 95 III 28 Erw. 2).
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Mit der angefochtenen Erklärung strebt der Nachlass-Liquidator die Auflösung der Kommanditgesellschaft an, deren einziger Komplementär der Rekurrent ist. Für diesen ist es von grosser Bedeutung, ob der Liquidationsvergleich zur Auflösung der von ihm mitgetragenen Gesellschaft führen soll. Er muss daher die Möglichkeit haben, die vollstreckungsrechtlich allenfalls unzulässige Gesellschaftsauflösung auf dem Weg der Aufsichtsbeschwerde zu verhindern. Die Vorinstanz ist unter diesem Gesichtspunkt demnach zu Recht auf die Beschwerde eingetreten.
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Der Rekurrent ist demgegenüber nach wie vor der Auffassung, die genannte Gesetzesbestimmung sei zu Unrecht herangezogen worden und der Gesellschaftsvertrag könne im übrigen nur auf das Ende eines Geschäftsjahres, im Falle der A. & Cie auf den 31. Dezember, aufgelöst werden.
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b) Es erhebt sich zunächst die Frage, inwiefern die Aufsichtsbehörde zur Beurteilung der vom Rekurrenten erhobenen Einwände überhaupt sachlich zuständig war. Die Erklärung des Liquidators vom 1. September 1975 stellt eine Massnahme dar, durch welche die Realisierung eines Teils der Nachlassmasse (Gesellschaftsanteil an der A. & Cie) ermöglicht werden soll. Letztlich berührt die Frage der Anwendbarkeit von Art. 575 Abs. 1 OR demzufolge die Art und Weise, wie das schuldnerische Vermögen verwertet werden soll. Die Grundsatzfrage, ob ein Liquidationsvergleich ebenso wie der Konkurs Anlass zur Auflösung einer Personengesellschaft bilden kann, ist somit vollstreckungsrechtlicher Natur, ihre Beurteilung mithin Sache der Aufsichtsbehörde. Dagegen ist namentlich die vom Rekurrenten ebenfalls aufgeworfene Frage des Kündigungstermins bzw. der Rechtzeitigkeit der Kündigung dem materiellen Recht zuzuordnen. Soweit die Vorinstanz sich dazu geäussert hat, hat sie demnach in Überschreitung ihrer Zuständigkeit entschieden und vermag ihr Urteil den Zivilrichter, falls er noch angerufen werden sollte, nicht zu binden.
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Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Zwar hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, dass konkursrechtliche Grundsätze im Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung nicht unbesehen analoge Anwendung finden dürfen, sondern in jedem Fall geprüft werden müsse, ob und wie weit sich die entsprechende Anwendung rechtfertige (BGE 85 III 181, BGE 84 III 109, BGE 82 III 87 und 91). Die analoge Anwendbarkeit des Art. 575 Abs. 1 OR auf den Liquidationsvergleich ist nun aber, wie die Vorinstanz mit zutreffender Begründung darlegt, in jeder Hinsicht zu bejahen. Die Interessenlage ist für alle Beteiligten gleich, ob es sich um einen Konkurs oder einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung handelt. Den Gläubigern steht ein Anspruch auf bestmögliche Verwertung des ihnen abgetretenen Gesellschaftsanteils zu, und der Schuldner, der sich seiner Gesellschafter- und Vermögensrechte an der Gesellschaft durch die Abtretung begeben hat, vermag kein schützenswertes Interesse an der Verneinung eines Kündigungsrechtes geltend zu machen. Die Anwendbarkeit des Art. 575 Abs. 1 OR auf den Liquidationsvergleich ist daher nicht weniger geboten als jene des Art. 756 OR, die vom Bundesgericht ebenfalls bejaht worden ist (BGE 86 II 185 Erw. 3a).
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b) Was der Rekurrent gegen die vorinstanzliche Argumentation vorbringt, vermag nicht durchzudringen:
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aa) Er wendet zunächst ein, die fragliche Bestimmung stelle keine "Konkursnorm" dar und könne auch nicht als "Verfahrensbestimmung" bezeichnet werden. Es lässt sich jedoch nicht bestreiten, dass Art. 575 Abs. 1 OR eine (verfahrensrechtliche) Frage regelt, die sich bei der Verwertung im Konkurs ergeben kann. In diesem Sinne kann diese Bestimmung durchaus sowohl als "Konkurs-" wie auch als "Verfahrensnorm" betrachtet werden. Ergibt sich nun, dass der zu beurteilende Sachverhalt in den massgebenden Punkten dem in dieser Norm geregelten ähnlich ist, steht einer analogen Anwendung nichts entgegen.
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bb) Ein weiteres Hindernis für die sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 575 Abs. 1 OR sieht der Rekurrent darin, dass im Falle des Konkurses die interne Gesellschafterstellung des Gemeinschuldners unter entsprechender Eintragung im Handelsregister auf die Konkursverwaltung übergehe, während hier weiterhin er als Komplementär der A. & Cie auftrete. Auch diese Auffassung ist unzutreffend. Der Komplementär, der seinen Gesellschaftsanteil in einem Liquidationsvergleich seinen Gläubigern abtritt, verliert ebenso wie der Gemeinschuldner im Konkurs sämtliche Befugnisse als Gesellschafter und Gesellschaftsorgan. Es steht dem Nachlass-Liquidator auch frei, im Handelsregister einen entsprechenden Eintrag vornehmen zu lassen.
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cc) Sodann wird eingewendet, dass die Verhältnisse hier insofern anders seien, als der Umfang der Nachlassmasse (im Gegensatz zu jenem der Konkursmasse) mit der gerichtlichen Bestätigung des Liquidationsvergleichs endgültig bestimmt werde und später nicht mehr verändert werden könne. Da der abgetretene Gesellschaftsanteil heute betragsmässig allenfalls grösser sei als im Zeitpunkt der gerichtlichen Genehmigung des Nachlassvertrages, könne er nicht einfach auf dem Wege der Gesellschaftsauflösung realisiert werden; es müsse vielmehr der Stand im Zeitpunkt der Bestätigung rechnerisch ermittelt werden.
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Dem Rekurrenten, der sich auf LUDWIG (Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, Diss. Bern 1970, S. 68) beruft, ist freilich darin beizupflichten, dass mit der Bestätigung des Nachlassvertrages im allgemeinen endgültig festgelegt wird, in welchem Umfang die schuldnerischen Aktiven den Gläubigern überlassen werden. Wird jedoch ein Gesellschaftsanteil als solcher abgetreten, so haben die Gläubiger Anspruch auf den entsprechenden Teil des Liquidationsergebnisses, wie es sich im Zeitpunkt der Auflösung ergibt. Es liesse sich allerdings ein Nachlassvertrag denken, nach welchem ein derartiger Liquidationserlös nur bis zu einem bestimmten Betrag den Gläubigern zufallen soll. Dazu bedürfte es jedoch eines ausdrücklichen Vorbehaltes im Liquidationsvergleich (Art. 316b Abs. 3 SchKG). Dass im vorliegenden Fall eine solche Begrenzung vereinbart worden wäre, behauptet jedoch selbst der Rekurrent nicht.
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Ist demnach der Anspruch auf den dem Rekurrenten zufallenden Liquidationsanteil betragsmässig nicht begrenzt, so steht den Gläubigern nicht bloss eine im voraus bestimmte Geldforderung gegenüber der A. & Cie zu. Da diese die Einsicht in ihre Geschäftsbücher verweigert hat, war es dem Nachlass-Liquidator andererseits aber auch nicht möglich, den Anspruch der Masse zu beziffern. Es blieb ihm unter diesen Umständen gar nichts anderes übrig, als das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen.
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c) Die Realisierung des Gesellschaftsanteils durch die Nachlassmasse braucht indessen - trotz bereits erfolgter Kündigung - nicht zwingend zur Auflösung der A. & Cie zu führen. Findet sich jemand, der gewillt ist, die Stellung des Komplementärs einzunehmen, so bleibt es den übrigen Gesellschaftern nämlich unbenommen, den Rekurrenten bzw. die Nachlassmasse auszuschliessen und den entsprechenden Anteil am Gesellschaftsvermögen auszuzahlen (Art. 619 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 578 OR). Sofern eine Einigung über die Höhe der Auszahlung nicht zustandekommen sollte, müsste diese vom Richter festgelegt werden. Denkbar wäre aber auch, dass der Rekurrent selbst seine Gläubiger abzufinden vermöchte und so die Auflösung verhindern könnte.
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5. Der Rekurrent ist ferner der Auffassung, es hätten der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses auf jeden Fall Einigungsverhandlungen im Sinne von Art. 9 VVAG vorangehen müssen. Wie die Aufsichtsbehörde jedoch zutreffend ausführt, bezieht sich Art. 7 VVAG, der solche vorsieht, ausdrücklich nur auf das Kündigungsrecht des Pfändungsgläubigers nach Art. 575 Abs. 2 OR. Für das Konkursverfahren und damit nach dem Gesagten auch für den Fall des Liquidationsvergleichs sind solche Verhandlungen nicht zwingend vorgeschrieben, wenngleich sie in der Regel zweckmässig erscheinen mögen (vgl. Kreisschreiben des Bundesgerichts Nr. 17 vom 1. Februar 1926 Ziff. 2 =BGE 52 III 59 /60). Die Vorinstanz hat aber jedenfalls auch insofern nicht Bundesrecht verletzt.
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Dieses Vorbringen kann nicht gehört werden, da durch die gerügte Massnahme - im Gegensatz zur Kündigung - allein die A. & Cie, d.h. die übrigen Gesellschafter, beschwert sind, nicht aber auch der Rekurrent. Immerhin sei festgehalten, dass der Liquidator zur Beschlagnahme des Gesellschaftsvermögens der Kommanditgesellschaft nicht befugt ist. Für eine derartige Massnahme zur Sicherung des Liquidationsanspruches wäre einzig der Auflösungsrichter zuständig.
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Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
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