BGE 122 III 204
 
36. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 18. Juni 1996 i.S. Spar- und Leihkasse Kaltbrunn (Rekurs)
 
Regeste
Art. 40 Abs. 1 SchKG; Art. 309 SchKG.
 
Sachverhalt
J. Z. war Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma KIBA J. Z. in Kaltbrunn gewesen. Am 19. August 1994 war die Löschung der Einzelfirma im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht worden.
Das Bezirksgericht Gaster bewilligte J. Z. am 29. November 1994 eine Nachlassstundung und stellte am 16. August 1995 das Nichtzustandekommen eines Nachlassvertrages fest. Dies wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 22. September 1995 veröffentlicht.
Am 27. September 1995 verlangte die Spar- und Leihkasse Kaltbrunn die sofortige Konkurseröffnung über J. Z. Diesem Begehren gab der Bezirksgerichtspräsident von Gaster 17. Oktober 1995 statt, indem er den Konkurs über J. Z. eröffnete. Indessen setzte der E inzelrichter des Kantonsgerichts St. Gallen, welcher Zweifel an der Konkursfähigkeit des Schuldners anmeldete, das Konkursdekret am 29. November 1995 aus und überwies die Sache an das Bezirksgerichtspräsidium Gaster als untere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Dieses erklärte J. Z. mit Verfügung vom 6. März 1996 als konkursfähig.
Das Kantonsgericht St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs hob jedoch die Verfügung des Bezirksgerichtspräsidiums Gaster mit Entscheid vom 29. April 1996 auf und erklärte J. Z. als nicht konkursfähig.
Der gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen gerichtete Rekurs der Spar- und Leihkasse Kaltbrunn wurde von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
 
Aus den Erwägungen:
Während nun aber das Bezirksgerichtspräsidium Gaster meint, eine teleologische Auslegung führe dazu, dass die sechsmonatige Frist des Art. 40 Abs. 1 SchKG während der Zeit der Nachlassstundung ruhe, ist das Kantonsgericht St. Gallen zur Ansicht gelangt, die Frist von Art. 40 Abs. 1 SchKG gelte absolut und könne - auch durch eine Nachlassstundung - nicht verlängert werden.
3. Bei der Beantwortung dieser Rechtsfrage sind vorerst zwei Konstellationen auseinanderzuhalten:
a) Ist - unter der Voraussetzung des Art. 39 SchKG oder innert der Frist des Art. 40 Abs. 1 SchKG - ein Konkursbegehren gestellt, das Konkurserkenntnis aber ausgesetzt worden, weil der Schuldner nachgewiesen hat, dass er ein Gesuch um Bewilligung einer Nachlassstundung anhängig gemacht hat (Art. 173a SchKG), so wird das Konkursverfahren nach Verwerfung des Nachlassvertrages durchgeführt und zu Ende geführt (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich 1911, N. 1 zu Art. 309 SchKG; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, § 76 Rz. 7).
b) Das Konkursbegehren kann aber auch - wie im vorliegenden Fall - ohne vorgängige Betreibung (Art. 190 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG) erst gestellt werden, nachdem der Nachlassvertrag verworfen worden ist. Hiefür setzt Art. 309 SchKG dem Gläubiger eine Frist von zehn Tagen seit Bekanntmachung der Verwerfung des Nachlassvertrages.
Voraussetzung ist aber auch hier, dass der Schuldner nach Massgabe von Art. 39 SchKG der Konkursbetreibung unterliegt oder dass - gemäss Art. 40 Abs. 1 SchKG - das Konkursbegehren noch innerhalb der sechs Monate nach der Publikation der Löschung des Handelsregistereintrags im Schweizerischen Handelsamtsblatt gestellt worden ist. Art. 309 SchKG sagt denn auch: "Wird gegenüber einem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner der Nachlassvertrag verworfen..." (vgl. auch AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Auflage Bern 1993, § 54 N. 71, der sagt, dass der Verwerfungsentscheid vorübergehend noch einen materiellen Konkursgrund bilde, voraus aber die Bedingung stellt, dass der Schuldner der Konkursbetreibung unterliege). Die Voraussetzung, dass der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt, ist nicht mehr gegeben, wenn mehr als sechs Monate seit der Publikation der Löschung des Handelsregistereintrages verflossen sind.
Das Kantonsgericht St. Gallen hat der Rekurrentin BGE 40 [recte] III 75 E. 2, S. 79f., entgegengehalten. Dort ist ausgeführt worden, Art. 297 SchKG enthalte in seinem ersten Teil, d.h. soweit er bestimmt, dass während der Nachlassstundung Betreibungen weder angehoben noch fortgesetzt werden können, lediglich eine Wiederholung des schon in Art. 56 Ziff. 4 SchKG ausgesprochenen Grundsatzes, dass gegen einen Schuldner, dem Nachlassstundung gewährt ist, keine Betreibungshandlungen vorgenommen werden dürfen, und schliesse demnach nur die Vornahme von Betreibungshandlungen im Sinne der letzteren Vorschrift aus. Hiezu zählten aber die vom Gläubiger im Betreibungsverfahren zu stellenden Begehren nicht. Sie könnten daher auch während der Stundung gestellt und müssten vom Betreibungsamt entgegengenommen und protokolliert werden; nur dürfe das Amt sie erst nach Wegfall der Stundung vollziehen. Aufgrund dieser Überlegungen ist im zitierten Entscheid gefolgert worden, dass die Gläubigerin ungeachtet der Nachlassstundung die Möglichkeit gehabt hätte, innert der sechsmonatigen Frist des Art. 40 Abs. 1 SchKG das Begehren um Einleitung der Wechselbetreibung zu stellen.
Dasselbe gilt grundsätzlich auch in dem hier zu entscheidenden Fall. Es obliegt den Gläubigern, während der Dauer der Nachlassstundung ihre Rechte wahrzunehmen - dies insbesondere dadurch, dass sie mit Begehren an das Betreibungsamt gelangen, welche ungeachtet Art. 56 Ziff. 4 SchKG (bzw. Art. 297 Abs. 1 SchKG) zulässig sind. Es ist nicht nur so, dass die vor Bewilligung der Nachlassstundung vollzogenen Rechtshandlungen, weil die Stundung keine Rückwirkung entfaltet, rechtswirksam bleiben; vielmehr sind auch während der Nachlassstundung gestellte Begehren der Gläubiger gültig. Nur dürfen Rechtshandlungen nicht weiterverfolgt werden und darf Begehren nicht stattgegeben werden, solange die Nachlassstundung andauert. Wenn der Nachlassvertrag nicht bewilligt wird, so wird das Verfahren dort wiederaufgenommen, wo es sich im Augenblick der Bewilligung der Nachlassstundung befunden hat (AMONN, a.a.O., § 54 N. 25; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 75 Rz. 2; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 430, § 2, I).
Somit hätte es im vorliegenden Fall genügt, wenn die Gläubigerin ein die Konkursandrohung auslösendes Fortsetzungsbegehren (und nicht schon das Konkursbegehren) gestellt hätte, solange der Schuldner noch konkursfähig war, also innert der Frist des Art. 40 Abs. 1 SchKG (AMONN, a.a.O., § 36 N. 5; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 10 Rz. 14). Dieser Schritt drängte sich umso mehr auf, als die Gläubigerin nicht ohne weiteres darauf vertrauen durfte, dass ein Nachlassvertrag zustande kommen würde.
5. Der angefochtene Entscheid erweist sich nach dem oben Gesagten als bundesrechtskonform.
Ob Art. 309 des revidierten, am 1. Januar 1997 in Kraft tretenden Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs zu einer anderen Rechtsauffassung als der hier dargelegten führen könnte, ist im jetzigen Zeitpunkt nicht zu entscheiden. Das revidierte Gesetz entfaltet keine Vorwirkung.