bb) Wird im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zur Begründung des eventualiter gestellten Trennungsbegehrens der Scheidungsgrund der tiefen Zerrüttung gemäss Art. 142 Abs. 1 ZGB angerufen, schlösse dies streng genommen die von Art. 146 Abs. 3 ZGB geforderte Aussicht auf die Wiedervereinigung von vorneherein aus; ist eine Ehe nämlich tief und unheilbar zerrüttet, erscheint die Wiedervereinigung als unwahrscheinlich. In der Lehre wird seit langem auf den Widerspruch zwischen dem Zerrüttungsgrundsatz nach Art. 142 Abs. 1 ZGB und der geforderten Aussicht auf die Wiedervereinigung gemäss Art. 146 Abs. 3 ZGB hingewiesen (HINDERLING/STECK, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Auflage, Zürich 1995, S. 169; DESCHENAUX/TERCIER/WERRO, Le mariage et le divorce, 4. Auflage, Bern 1995, Rz. 935; ALFRED BÜHLER, Ehetrennung und Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, Diss. Zürich 1969, S. 22 ff., insbes. S. 25; EDOUARD BARDE, Le procès en divorce, ZSR NF 74/II [1955], S. 510a f.). Einzelne Autoren folgern daraus sogar, dass eine Ehetrennung beim Scheidungsgrund der Zerrüttung ausgeschlossen sei (HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 3. Auflage, Bern 1993, Rz. 10.07). Die Gerichtspraxis geht indessen stillschweigend davon aus, dass auch bei einer zerrütteten Ehe eine Aussicht auf die Wiedervereinigung vorhanden sein kann. Im Bestreben, den Widerspruch zwischen unheilbarer Zerrüttung und Aussicht auf Wiedervereinigung zu minimieren und damit auch im Falle des Scheidungsgrundes der Zerrüttung eine Trennung nicht von vorneherein auszuschliessen, werden an die Zerrüttung nicht allzu hohe Anforderungen gestellt, während gleichzeitig bei der Anwendung von Art. 146 Abs. 3 ZGB starke Zurückhaltung geübt wird: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes reicht eine bloss vage Möglichkeit der Wiedervereinigung
nicht aus, um bei einer Scheidungsklage nur auf Trennung zu erkennen, sondern es müssen bestimmte konkrete Tatsachen vorhanden sein, die beim Richter die Überzeugung erwecken, dass der zwischen den Parteien bestehende Bruch doch noch nicht als endgültig zu erachten ist (BGE 88 II 137, BGE 55 II 158 S. 159, je mit Hinweisen).