BGE 130 III 489 |
62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Z. gegen Y. (Nichtigkeitsbeschwerde) |
5C.71/2004 vom 23. Juni 2004 |
Regeste |
Anweisung an die Schuldner im internationalen Verhältnis (Art. 137 Abs. 2 i.V.m. Art. 177 ZGB; Art. 10 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973). |
Die Anweisung an die Schuldner stellt eine besondere familienrechtliche Sanktion bei Nichterfüllung der Unterhaltspflicht dar und untersteht daher nicht dem Statut der Unterhaltsforderung (E. 2). |
Sachverhalt |
A. Mit Urteil vom 26. September 2002 des Kreisgerichts Kranj, Slowenien, wurde die Ehe von Z. und Y. geschieden. Seit dem 18. Oktober 2002 ist die von Y. gegen den in Slowenien wohnhaften Z. beim Bezirksgericht Baden angehobene Klage auf Ergänzung des slowenischen Scheidungsurteils und auf Zusprechung von Unterhalt hängig. Am 22. November 2002 beantragte Y. die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für die Dauer des Hauptverfahrens.
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B. Mit Präliminarentscheid vom 8. September 2003 des Gerichtspräsidenten 3 von Baden wurde Z. für die Dauer des Hauptprozesses verpflichtet, Y. einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'488.- (vom 22. November 2002 bis 31. Dezember 2002) bzw. Fr. 1'446.- (ab 1. Januar 2003) zu bezahlen. Gleichzeitig wurde die in der Schweiz domizilierte Pensionskasse X. angewiesen, von der Z. zustehenden Altersrente monatlich Fr. 1'446.- direkt an Y. zu überweisen. Auf Beschwerde hin erhöhte das Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, mit Urteil vom 24. Februar 2004 die Unterhaltsbeiträge auf Fr. 1'744.- (vom 22. November 2002 bis 31. Juli 2003) bzw. Fr. 1'501.- (ab 1. August 2003) und den von der Pensionskasse direkt zu überweisenden Betrag auf Fr. 1'501.-. Dabei erklärte das Obergericht für das Unterhaltsrecht das slowenische Recht und für das Recht der Schuldneranweisung das schweizerische Recht als massgeblich.
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C. Z. führt mit Eingabe vom 19. März 2004 eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Weiter ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
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Eine Beschwerdeantwort ist nicht eingeholt worden.
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Das Bundesgericht nimmt die Nichtigkeitsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde entgegen und weist diese ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 1 |
1.3 Die Meinungen über die Rechtsnatur der Schuldneranweisung gehen in der Literatur allerdings auseinander. Während ein Teil der Lehre die Praxis gemäss BGE 110 II 9 bestätigt (DESCHENAUX/ STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, Bern 2000, S. 296 Rz. 705; BRÄM/HASENBÖHLER, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 177 ZGB), bezeichnen andere Autoren die Schuldneranweisung nach Art. 177 ZGB (bzw. Art. 132 ZGB sowie Art. 291 ZGB) als ein besonderes familienrechtliches Institut des ZGB zur erleichterten Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, welche als Zivilsache zu behandeln sei (HAUSHEER/GEISER/REUSSER, Berner Kommentar, N. 18 und 19 zu Art. 177 ZGB; SCHWANDER, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl., 2002, N. 3 zu Art. 177 ZGB; SANDOZ, L'avis aux créanciers des art. 171 [177 nCC] et 291 CC est-il une mesure d'exécution forcée?, BlSchK 1988 S. 86/87; VOGEL, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1984, ZBJV 122/1986 S. 498 Ziff. 5; BREITSCHMID, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl., 2002, N. 5 zu Art. 291 ZGB; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 13 zu Art. 291 ZGB; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, N. 13 und 25 zu Art. 132 ZGB). Im Urteil 5C.105/2000 vom 9. Juni 2000 (E. 2) sind die Standpunkte der Lehre dargestellt worden, wobei sich damals mit Blick auf das Ergebnis eine Auseinandersetzung erübrigt hatte. Während im Urteil 5P.276/2001 vom 1. November 2001 (E. 1a) die Praxis gemäss BGE 110 II 9 ohne weitere Ausführungen bestätigt wurde, ist in anderen Urteilen (5P.193/2003 vom 23. Juli 2003, E. 1.2; 5P.205/2003 vom 11. September 2003, E. 1.1; 5P.210/2003 vom 11. September 2003, E. 1) die Frage der Rechtsnatur unter Hinweis auf die Kritik in der Literatur offen gelassen worden. Die Auffassung, dass es sich bei der Anweisung um eine zivilrechtliche Massnahme und eine Zivilsache im Sinne des OG handelt, ist wohl vertretbar. Doch rechtfertigt sich namentlich auch mit Blick auf die Rechtssicherheit keine Praxisänderung, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ist.
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2. Das Obergericht hat im Wesentlichen erwogen, auf die vorsorgliche Regelung des Unterhalts im Rahmen des Verfahrens zur Ergänzung des slowenischen Scheidungsurteils sei gestützt auf Art. 8 UStÜ das slowenische Recht anwendbar. Hingegen hat es für die Frage der Anweisung an den Schuldner des Beschwerdeführers nicht das UStÜ, sondern gestützt auf Art. 62 Abs. 2 IPRG das schweizerische Recht als massgebend und die Voraussetzungen für die entsprechende richterliche Anordnung nach Art. 137 i.V.m. Art. 177 ZGB als erfüllt erachtet.
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2.3 Nach Art. 10 UStÜ bestimmt das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht insbesondere, ob, in welchem Ausmass und von wem der Berechtigte Unterhalt verlangen kann (Ziff. 1), wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist und welche Fristen für die Einleitung gelten (Ziff. 2), und das Ausmass der Erstattungspflicht im Falle des Unterhaltsvorschusses durch öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen (Ziff. 3). Diese Bestimmung nennt besonders wichtige Gegenstände, die jedenfalls unterhaltsrechtlich zu qualifizieren sind (VON STAUDINGER/MANKOWSKI, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/IPR, Berlin 2003, N. 315 in Anhang I zu Art. 18 EGBGB). Über diese Aufzählung hinaus unterliegen dem Unterhaltsstatut alle Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Forderung (wie Gegenrechte, Einreden, materielle Verteidigungsmittel des Schuldners, Verzicht, Erlass und Abfindung sowie die Verrechnung mit der Unterhaltsforderung) sowie - bei Nichterfüllung der Forderung - die allgemeinen Rechtsfolgen wie Verzug, Ansprüche für Verzugszinsen und Schadenersatz (VON STAUDINGER/MANKOWSKI, a.a.O., N. 317 ff. und 379 ff. in Anhang I zu Art. 18 EGBGB, N. 40 in Anhang II zu Art. 18 EGBGB). Dies liegt im Zweck von Art. 10 UStÜ, vorab zu präzisieren, dass das anwendbare Recht die Existenz, Höhe und Modalitäten der Unterhaltsforderung bestimmen soll (VERWILGHEN, Rapport de la Commission spéciale, in: Actes et documents de la Douzième session de la Conférence de La Haye de droit international privé, Bd. IV, Den Haag 1975, S. 124 Rz. 75 f.). Hingegen unterstehen besondere ehe- und familienrechtliche Sanktionen bzw. Rechtsfolgen, welche bei Nichterfüllung der Unterhaltspflicht vorgesehen sind, grundsätzlich nicht dem Statut der Unterhaltsforderung (FRANÇOIS HERZFELDER, Les obligations alimentaires en droit international privé conventionnel, Paris 1985, S. 116).
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2.4 Die Anweisung nach Art. 177 ZGB setzt voraus, dass der Unterhaltsschuldner die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfüllt (SCHWANDER, a.a.O., N. 10 zu Art. 177 ZGB). Sie hat insoweit den Charakter einer familienrechtlichen Sanktion und untersteht - ob man sie nun als Vollstreckungsmassnahme sui generis oder als besonderes familienrechtliches Institut zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen versteht - daher nicht dem Statut der Unterhaltsforderung. Zum gleichen Ergebnis kommen die Lehrmeinungen, welche die Schuldneranweisung nicht an das Unterhaltsstatut, sondern an das allgemeine Ehewirkungsstatut gemäss Art. 48 IPRG anknüpfen (SCHWANDER, a.a.O., N. 17 zu Art. 177 ZGB; BUCHER, Droit international privé, Bd. II, S. 156 Rz. 425; a.M. WEBER, Anweisung an die Schuldner, Sicherstellung der Unterhaltsforderung und Verfügungsbeschränkung, AJP 2002 S. 241: Anknüpfung an das Statut der Legalzession gemäss Art. 146 Abs. 1 IPRG). Wenn vor diesem Hintergrund das Obergericht die anbegehrte Anweisung nicht unterhaltsrechtlich qualifiziert und daher nicht dem Unterhaltsstatut unterstellt hat, ist keine Verletzung des Staatsvertrages ersichtlich. Ob das Obergericht hingegen die autonomen Kollisionsregeln richtig angewendet hat, wenn es die Schuldneranweisung als vorsorgliche Massnahme nach Art. 62 Abs. 2 IPRG dem schweizerischen Recht unterstellt hat, oder ob die Schuldneranweisung - entsprechend den Regeln des internationalen Vollstreckungsrechts - sogar ein zwingender Rechtssatz mit auf die Schweiz beschränktem Anwendungsbereich darstellt (vgl. HAUSHEER/GEISER/REUSSER, a.a.O., N. 26 zu Art. 177 ZGB), ist im vorliegenden Fall nicht zu erörtern. Der Beschwerdeführer rügt nicht, inwiefern die Anwendung des schweizerischen Rechts und damit der angefochtene Entscheid willkürlich (Art. 9 BV) sein soll. Auf die Beschwerde kann insoweit nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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