BGE 130 III 537 |
69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. B. gegen K. (Berufung) |
5C.25/2004 vom 17. Juni 2004 |
Regeste |
Art. 125 ZGB; gebührender Unterhalt; Aufnahme einer Erwerbstätigkeit; Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils. |
Voraussetzungen, unter denen ein Ehegatte verpflichtet werden kann, während des Getrenntlebens eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszudehnen (E. 3). |
Besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, darf die güterrechtliche Auseinandersetzung nicht vom Entscheid über den Unterhalt abgetrennt und in ein besonderes Verfahren verwiesen werden (E. 4). |
Tragweite des Grundsatzes der Einheit des Scheidungsurteils im Verhältnis zwischen Scheidung einerseits und Scheidungsfolgen andererseits (E. 5). |
Sachverhalt |
B., geboren am 29. Mai 1945, floh im Jahre 1968 aus der damaligen Tschechoslowakei in die Schweiz. In ihrer Heimat hatte sie ein Hochschuldiplom als Ingenieurin in Agrarwissenschaften erlangt. An der Universität Zürich studierte sie Betriebswirtschaft und schloss mit dem Lizentiat in Ökonomie ab. Sie arbeitete als Bankangestellte und zuletzt im EDV-Bereich als Analytikerin und Programmiererin. Im August 1989 lernte B. den vier Jahre älteren K. kennen. Ab Weihnachten 1989 lebte sie mit ihm und seinen drei Kindern zusammen. Sie arbeitete in seiner Firma mit und besorgte den gemeinschaftlichen Haushalt. Am 6. Dezember 1991 heirateten B. und K. Wenig später - ca. 1992 - gab B. ihre Mitarbeit im Betrieb des Ehemannes auf. Die Ehe blieb kinderlos. Ab Herbst 1994 entfremdeten sich die Ehegatten zusehends. B. verbrachte mehrere Monate in ihrer früheren Heimat. Nach ihrer Rückkehr trennten sich die Ehegatten im Mai 1995. Am 29. August 1995 leitete K. (hiernach: Kläger) den Scheidungsprozess ein.
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Für die Dauer des Scheidungsverfahrens mussten die Gerichte des Kantons Solothurn vorsorgliche Massnahmen treffen. Was den Unterhalt angeht, sprach das Obergericht der Ehefrau lediglich bedarfsdeckende Beiträge zu. Die monatlichen Unterhaltsbeiträge von anfänglich Fr. 3'800.- wurden den Bedarfsänderungen angepasst, rückwirkend auf 1. Dezember 2000 auf Fr. 3'000.- herabgesetzt und schliesslich ganz aufgehoben. Während des Scheidungsverfahrens wurde der Ehefrau rückwirkend ab 1. Dezember 1999 eine ganze Invalidenrente zugesprochen, ausmachend ab 1. Juni 2003 Fr. 1'473.- pro Monat. Der Invaliditätsgrad beträgt 73 %. Das mit der Behinderung theoretisch noch zumutbare Erwerbseinkommen (Invalideneinkommen) wurde auf Fr. 1'831.- pro Monat beziffert.
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Am 26. November 2002 wurde die Ehe in erster Instanz geschieden. Auf Appellation beider Parteien schied das Obergericht die Ehe. Es sprach der Ehefrau keine Unterhaltsbeiträge zu und verwies die güterrechtliche Auseinandersetzung in ein separates Verfahren. Mit eidgenössischer Berufung beantragt die Ehefrau (hiernach: Beklagte), das obergerichtliche Urteil vom 24. November 2003 aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, soweit darauf eingetreten werden kann, und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
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Aus den Erwägungen: |
2.2 Dass das Obergericht den "gebührenden Unterhalt" im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB anhand der Lebenshaltung während der Trennungszeit bestimmt hat, kann nicht beanstandet werden. Mit ihren Ausführungen übersieht die Beklagte einen wesentlichen Punkt: Im Sinne einer Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen ist die Lebenshaltung des anspruchsberechtigten Ehegatten während der Trennungszeit massgebend, wenn die Ehegatten vor der Scheidung bereits über eine längere Zeit hinweg getrennt gelebt haben. Diesfalls findet eine Anknüpfung an eine eheliche oder voreheliche Lebenshaltung nicht statt. Darin sind sich Lehre und Rechtsprechung einig (BGE 129 III 7 E. 3.1.1 S. 9; Urteil 5C.230/2003 vom 17. Februar 2004, E. 4.2, je mit Hinweisen, z.B. auf GLOOR/SPYCHER, Basler Kommentar, 2002, N. 3, und SCHWENZER, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 5, je zu Art. 125 ZGB).
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3. Einen nachehelichen Unterhaltsbeitrag kann nur der Ehegatte fordern, der nicht in der Lage ist, für seinen im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer ange messenen Altersvorsorge selbst aufzukommen. Das Obergericht hat die Eigenversorgungskapazität der Beklagten bejaht und angenommen, es sei ihr die Aufnahme einer Teilzeitarbeit zumutbar. Die Beklagte bestreitet die Zumutbarkeit eigener Erwerbstätigkeit.
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3.2 Unter dem Titel "Die Wirkungen der Ehe im allgemeinen" regeln die Art. 163 ff. ZGB den Unterhalt der Familie. Auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts in einem Scheidungs- oder Eheschutzverfahren behält der Unterhaltsanspruch seine Grundlage in diesen Gesetzesbestimmungen. Für entsprechende Massnahmen des Scheidungs- und des Eheschutzgerichts gelten daher im Grundsatz dieselben Regeln (statt vieler: HAUSHEER/BRUNNER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 04.93 S. 227). Die ZGB-Revision von 1998/2000 hat daran nichts geändert. Im Unterschied zum bisherigen Recht (aArt. 145 Abs. 2 ZGB) erklärt Art. 137 Abs. 2 ZGB nunmehr ausdrücklich die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft für sinngemäss anwendbar (vgl. dazu Botschaft, BBl 1996 I 1, Ziff. 234.4 S. 137). Nach den grundsätzlich gleichen Kriterien ist somit zu prüfen, ob und in welchem Umfang dem Ehegatten, der durch das Getrenntleben der Pflicht zur Führung des gemeinsamen Haushalts enthoben ist, zugemutet werden darf, seine freigewordene Arbeitskraft anderweitig einzusetzen und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszudehnen.
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Im Eheschutzverfahren ist eine Pflicht zur Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbstätigkeit nur zu bejahen, wenn keine Möglichkeit besteht, auf eine während des gemeinsamen Haushalts gegebene Sparquote oder vorübergehend auf Vermögen zurückzugreifen, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel - allenfalls unter Rückgriff auf Vermögen - trotz zumutbarer Einschränkungen für zwei getrennte Haushalte nicht ausreichen und wenn die Aufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit unter den Gesichtspunkten der persönlichen Verhältnisse des betroffenen Ehegatten (Alter, Gesundheit, Ausbildung u.ä.) und des Arbeitsmarktes zumutbar ist. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (HAUSHEER/REUSSER/ Geiser, Berner Kommentar, 1999, N. 19a zu Art. 176 ZGB, mit Hinweisen).
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Im Scheidungsverfahren ist zusätzlich zu beachten, dass die vorsorglichen Massnahmen einen anderen Zweck verfolgen als die Eheschutzmassnahmen. Nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses wird eine Rückkehr zur gemeinsam vereinbarten Aufgabenteilung weder angestrebt noch ist sie wahrscheinlich. Insoweit darf dem Ziel der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des bisher nicht oder bloss in beschränktem Umfang erwerbstätigen Ehegatten bereits eine gewisse Bedeutung zugemessen werden und in stärkerem Ausmass als im Eheschutzverfahren auf die bundesgerichtlichen Richtlinien zum Scheidungsunterhalt abgestellt werden (HAUSHEER/BRUNNER, a.a.O., N. 04.98 S. 229; vgl. dazu BGE 128 III 65 E. 4a S. 67 und das die Parteien betreffende Urteil 5P.189/2002 vom 17. Juli 2002, E. 2, zusammengefasst in: FamPra.ch 2002 S. 836).
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Auf Grund des geschilderten Sachverhalts muss von einer Ehe mit traditioneller Rollenverteilung ausgegangen werden. Mit Blick auf die verschiedenen vorsorglichen Massnahmen betreffend Unterhalt können die wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten des Klägers als grundsätzlich gut bezeichnet werden, auch wenn sie im kantonalen Verfahren nicht restlos geklärt worden sind. Der Kläger ist jedenfalls in der Lage gewesen, die trennungsbedingten Mehrkosten allein zu tragen und der Beklagten bedarfsdeckende Beiträge von Fr. 3'800.- bzw. Fr. 3'000.- monatlich zu bezahlen. Haben die finanziellen Mittel zur Bezahlung der Kosten zweier Haushalte problemlos ausgereicht, hat für die Beklagte keine Pflicht bestanden, sofort ab der Trennung eine Arbeit aufzunehmen.
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Die erwähnten Begleitumstände der Trennung im Mai 1995 machen deutlich, dass die Beklagte bereits ab jenem Zeitpunkt nicht mehr ernsthaft mit einer Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft rechnen durfte. Insoweit hat das Obergericht zu Recht die Grundsätze für den nachehelichen Scheidungsunterhalt in die Beurteilung miteinbezogen. Es hat dabei jedoch zu wenig gewürdigt, dass der Kläger selbst erst im Dezember 2000 die ersatzlose Aufhebung seiner Unterhaltspflicht während des Scheidungsverfahrens verlangt hatte. Bei dieser Verfahrenslage erscheint es als offensichtlich treuwidrig, von der Beklagten zu verlangen, sie hätte sich bereits ab Mai 1995 um ein eigenes Erwerbseinkommen bemühen können und müssen, wenn der Kläger dergleichen erstmals im Dezember 2000 gefordert hat. Bis zu diesem Zeitpunkt hat für die Beklagte weder ein Anlass noch die Pflicht bestanden, eine Teilzeitarbeit zu suchen und aufzunehmen.
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3.4 Zu prüfen bleibt, ob es der Beklagten ab Dezember 2000 zumutbar gewesen wäre, eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Beurteilung kann anhand der in Art. 125 Abs. 2 ZGB genannten Kriterien (Ziff. 1-8) erfolgen, die insbesondere zu berücksichtigen sind beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten ist und gegebenenfalls in welcher Höhe und für wie lange. Für die Zumutbarkeit, wenigstens eine Teilzeitarbeit aufzunehmen, sprechen die eher kurze Dauer des ehelichen Zusammenlebens von rund fünf Jahren (Ziff. 2) und die Tatsache, dass keine Kinder (mehr) zu betreuen sind (Ziff. 6). Gegen die Zumutbarkeit sprechen indessen alle weiteren Kriterien. Die Ehegatten haben eine traditionelle Aufgabenteilung gewählt, wonach die Beklagte während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgehen musste und finanziell ausreichend vom Kläger unterhalten wurde (Ziff. 1 und 3). Die Beklagte ist heute beinahe sechzig Jahre alt, stand bereits im Dezember 2000 im fünfundfünfzigsten Altersjahr und ist seit Dezember 1999 psychisch angeschlagen, invalid mit einem Grad von 73 % und mindestens teilweise erwerbsunfähig (Ziff. 4). Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind auf Seiten des Klägers offenbar eher gut, auf Seiten der Beklagten hingegen eher schlecht (Ziff. 5). Schliesslich hat die Beklagte seit rund elf Jahren nicht mehr in ihren angestammten Bereichen "Informatik" und "Banken" gearbeitet, wo nach allgemeiner Lebenserfahrung laufend Stellen abgebaut und ältere Mitarbeiter regelmässig frühpensioniert werden und trotz guter Grundschulung ohne ständige Fort- und Weiterbildung kein Auskommen mehr zu finden ist (Ziff. 7). Mit Bezug auf die Altersvorsorge kann die Beklagte lediglich mit einer kleinen Rente aus dem zu teilenden BVG-Guthaben des Klägers im Betrag von rund Fr. 45'000.- rechnen und wird voraussichtlich auch nicht viel mehr als eine einfache AHV-Rente erhalten (Ziff. 8). Die Abwägung all dieser Kriterien führt zum Schluss, dass der Beklagten eine Teilzeitarbeit nicht zugemutet und deshalb auch kein eigenes Erwerbseinkommen mit Wirkung ab Dezember 2000 angerechnet werden kann.
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Gemäss Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB sind beim Entscheid, "ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange", Einkommen und Vermögen der Ehegatten zu berücksichtigen. Zum Vermögen zählt das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung (vgl. SCHWENZER, a.a.O., N. 57, und SUTTER/ Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 88, je zu Art. 125 ZGB). Auf Grund der Gesetzessystematik hat das Bundesgericht denn auch festgehalten, das Scheidungsgericht habe zuerst die güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen (Art. 120 Abs. 1 ZGB), dann die Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge zu regeln (Art. 122-124 ZGB) und erst zuletzt über den nachehelichen Unterhalt zu entscheiden (Art. 125 ZGB), damit sämtliche Kriterien gemäss Art. 125 Abs. 2 ZGB - insbesondere die Ziff. 5 und 8 - berücksichtigt werden können (vgl. BGE 129 III 7 E. 3.1.2 S. 9).
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Da die Beklagte mangels ausreichender Eigenversorgungskapazität auf nachehelichen Unterhalt Anspruch erheben kann (E. 3 hiervor), missachtet die obergerichtliche Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in ein separates Verfahren Art. 125 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB. Der angerufene Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils spielt im Verhältnis von Güterrecht und Unterhalt insoweit keine selbstständige Rolle mehr bzw. ist mit der ZGB-Revision von 1998/2000 gesetzlich verankert worden. Die Sache ist in Gutheissung der Berufung an das Obergericht zurückzuweisen, damit es vor dem Entscheid über den nachehelichen Unterhalt die Parteien güterrechtlich auseinandersetzt.
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5.1 Nach bisherigem Recht besagt der Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils, dass das mit der Scheidungsklage befasste Gericht auch für die Regelung aller sich aus der Scheidung ergebenden Nebenfolgen ausschliesslich zuständig ist und hierüber im gleichen Verfahren zu entscheiden hat. Es soll damit sichergestellt werden, dass alle im Zusammenhang mit einer Scheidung zu lösenden Fragen in einheitlicher Weise beurteilt werden und die bei getrennten Verfahren bestehende Gefahr widersprechender Entscheide vermieden wird - insbesondere was die Berücksichtigung eines Verschuldens im Scheidungspunkt (aArt. 142 Abs. 2 ZGB) einerseits und bei der Beurteilung der Leistungen bei Scheidung (aArt. 151 f. ZGB) andererseits betrifft (LÜCHINGER/GEISER, Basler Kommentar, 1996, N. 3 der Vorbem. zu aArt. 137 ff. ZGB, mit Hinweisen; BGE 123 III 433 E. 4b S. 437). In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesgericht deshalb kantonale Urteile aufgehoben, mit denen das Rechtsmittelgericht die Scheidung aussprach, die Regelung der Nebenfolgen hingegen an seine Vorinstanz und damit (stillschweigend) in ein separates Verfahren verwies (BGE 113 II 97 E. 2 S. 99). In einem gewissen Spannungsverhältnis hat dazu die ständige Praxis gestanden, wonach es ausschliesslich Sache des kantonalen Rechts ist, ob für den Weiterzug erstinstanzlicher Urteile der Grundsatz der Teilrechtskraft gelten soll (BGE 128 III 121 E. 3a S. 122). Denn die Anerkennung der Teilrechtskraft bedeutet eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils und konnte die - unerwünschte - Folge haben, dass das Rechtsmittelgericht das Verschulden im Zusammenhang mit den vermögensrechtlichen Nebenfolgen der Scheidung abweichend von seiner Vorinstanz beurteilt, die über den Scheidungspunkt und die damit verbundene Schuldfrage zuvor rechtskräftig entschieden hat (vgl. LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Aufl., Bern 1956/1985, N. 1 Abs. 4 zu Art. 333 ZPO/BE, S. 313, mit Hinweisen auf nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts).
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5.2 Der schon bisher kraft ungeschriebenen Bundesrechts geltende Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils ist auch nach der ZGB-Revision von 1998/2000 zu beachten (STECK, Basler Kommentar, 2002, N. 7 zu Art. 120 ZGB, mit Hinweisen; aus der Rechtsprechung: Urteil 5C.136/2002 vom 24. Oktober 2002, E. 3 nicht publ. in BGE 129 III 1; Urteil 5C.221/2001 vom 20. Februar 2002, E. 3a, publ. in: Pra 91/2002 Nr. 86 S. 495 f. und SJ 2002 I S. 276 f.). Seine Tragweite hat sich allerdings verändert. Das geltende Scheidungsrecht hat den Grundsatz der Teilrechtskraft in Art. 148 Abs. 1 ZGB verankert. Es ist weitgehend verschuldensunabhängig ausgestaltet (vgl. BGE 127 III 65 E. 2a S. 66/67 mit Hinweisen), so dass ein Koordinationsbedarf zwischen Scheidung einerseits und Scheidungsfolgen andererseits praktisch vollständig entfallen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Urteile wäre höchstens noch in den seltenen Ausnahmefällen denkbar, wo die Ehe aus schwerwiegenden Gründen im Sinne von Art. 115 ZGB geschieden und der Unterhalt aus denselben Gründen gemäss Art. 125 Abs. 3 ZGB versagt oder gekürzt wird. Diesbezüglich bleibt ein gewisser Koordinationsbedarf bestehen (vgl. FANKHAUSER, in: Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 7 a.E. zu Art. 115 ZGB; SUTTER/FREIBURGHAUS, a.a.O., N. 104 zu Art. 125 ZGB). Bei der vorliegenden Scheidung der Ehe nach Ablauf der vierjährigen Trennungsfrist (Art. 114 ZGB) ist hingegen nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse noch daran bestehen könnte, in Anwendung des Grundsatzes der Einheit des Scheidungsurteils auch das Urteil im Scheidungspunkt aufzuheben, wenn über die Unterhaltsfrage in einer unteren Instanz neu entschieden werden muss.
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