BGE 131 III 448 |
57. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. Z. (SchKG-Beschwerde) |
7B.31/2005 vom 15. Juni 2005 |
Regeste |
Zustellung von Betreibungsurkunden ins Ausland (Art. 66 Abs. 3 SchKG). |
Aus den Erwägungen: |
2.1 Wie die erkennende Kammer in BGE 94 III 35 (E. 4 S. 42) - im Falle einer Zustellung nach Italien - entschieden hat, ist die (direkte) postalische Zustellung einer Betreibungsurkunde nach dem Ausland schlechthin nichtig, wenn sie in Verletzung staatsvertraglicher Bestimmungen vorgenommen wurde. Die Nichtigkeit einer Betreibungshandlung ist - von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen aus Gründen des zu schützenden guten Glaubens abgesehen (dazu FRANCO LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel 2000, N. 176 f. zu Art. 22 SchKG) - jederzeit zu beachten und von Amtes wegen festzustellen (vgl. Art. 22 Abs. 1 SchKG; BGE 121 III 142 E. 2 S. 144 mit Hinweis). Auf die gegen die Form der Zustellung der Konkursandrohung erhobene Rüge ist hier daher einzutreten.
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2.2.2 Angesichts des konkreten Bestimmungsortes drängt sich die Frage auf, ob die (direkte) postalische Zustellung allenfalls auf Grund eines der bezüglich Deutschland territorial begrenzten Staatsverträge zulässig gewesen sei. S. liegt im Bundesland Baden- Württemberg und gehörte früher zum Grossherzogtum Baden bzw. zum Land Baden, das seit 1952 Teil des neu gebildeten Landes Baden-Württemberg ist (dazu die Stellungnahme vom 16. Februar 1988 des Ministeriums für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten von Baden-Württemberg, [auszugsweise] wiedergegeben bei ERICH BÜRGI, Konkursrechtliche Staatsverträge der Schweiz, insbesondere mit den ehemaligen Königreichen Württemberg und Bayern sowie mit Frankreich, in: Festschrift 100 Jahre SchKG, Zürich 1989, S. 175 ff., insbes. S. 179, und in: BlSchK 1989 S. 81 ff., insbes. S. 86 f.).
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Ein am 9. Juli 1808 vom Landammann der Schweiz namens der damaligen Kantone (mit Ausnahme von Schwyz und Glarus) mit dem Grossherzogtum Baden geschlossener Vertrag betreffend die Gleichstellung beiderseitiger Staatsbürger in Konkursfällen wurde auf Wunsch von Baden auf den 1. Januar 1903 ausser Kraft gesetzt (dazu LUCAS DAVID, In Vergessenheit geratene Staatsverträge, in: SJZ 69/1973 S. 84).
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Zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg wurde alsdann unter den Daten vom 12. Dezember 1825 und 13. Mai 1826 die Übereinkunft "betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen (Konkursvertrag)" geschlossen (abgedruckt bei HANS ULRICH WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, 16. Aufl., Zürich 2002, S. 970 f.). Nach deren Art. I wurde gegenseitig die "Allgemeinheit des Konkursstandes in dem Wohnorte des Gemeinschuldners" anerkannt. Dass das Abkommen nach wie vor gilt, ist schweizerischerseits auch nach der Ablösung des Staatenbundes durch den Bundesstaat nie bezweifelt worden (vgl. DAVID, a.a.O., S. 85; PAUL VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Zürich 2004, Rz. 71 und 73 vor Art. 166-175). Ebenso ist das Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten von Baden-Württemberg in seiner bereits erwähnten Stellungnahme davon ausgegangen, die Übereinkunft stehe nach wie vor in Kraft. In territorialer Hinsicht hielt es allerdings dafür, dass es nur im Gebiet des früheren Königreichs Württemberg (mit Einschluss der ehemaligen Hohenzollerschen Lande) Anwendung finde, das den Vertrag abgeschlossen habe, und dass der Zusammenschluss der Länder Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und (Süd-)Baden (in dem S. gelegen war) im Jahre 1952 nicht zu einer Ausdehnung des Geltungsbereichs geführt habe (vgl. BÜRGI, in: Festschrift 100 Jahre SchKG, S. 179, und in: BlSchK 1989 S. 86 f.).
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2.2.3 Nach dem Gesagten bleibt es bei der Feststellung, dass die (direkte) postalische Zustellung der Konkursandrohung gegen staatsvertragliche Bestimmungen verstiess. Sie ist daher nichtig. Auf Grund der Erklärung vom 1./13. Dezember 1878 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche betreffend den unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den beiderseitigen Gerichtsbehörden (SR 0.274.181.361) und Art. 1 der Erklärung vom 30. April 1910 zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs (SR 0.274.181.362) hätte das Betreibungsamt B. (direkt) das für S. zuständige Amtsgericht Waldshut-Tiengen um die Zustellung der Konkursandrohung ersuchen müssen (vgl. BGE 107 III 11 E. 3 S. 13).
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