BGE 133 III 431 |
53. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG und A. (Berufung) |
4C.67/2007 vom 27. April 2007 |
Regeste |
Unlauterer Wettbewerb. |
Sachverhalt |
A. Die X. (Klägerin) ist eine Stiftung, die die Durchführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge im Rahmen des BVG und seiner Ausführungsbestimmungen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber der ihr angeschlossenen Firmen sowie für deren Angehörige und Hinterlassene nach Massgabe eines Reglements gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod und Invalidität bezweckt; sie kann über die gesetzlichen Mindestleistungen hinaus weiter gehende Vorsorge betreiben.
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Die Y. AG (Beklagte 1) ist eine Aktiengesellschaft mit dem Zweck, Vorsorgeeinrichtungen oder Teilbereiche daraus im Gebiet der gesamten Schweiz und auch im Ausland zu beraten, zu führen und zu verwalten; sie kann sich an anderen Unternehmen beteiligen, Grundstücke erwerben oder Gebäude errichten, Immaterialgüterrechte erwerben, halten oder verwalten. A. (Beklagter 2) war bis zum 30. Juni 2005 Mitglied des Stiftungsrates der Klägerin, seit dem 1. März 2004 ist er Geschäftsführer der Beklagten 1.
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A.a Mit Dienstleistungsvertrag vom 20./23. Dezember 2004 übertrug die Klägerin der Beklagten 1 die Verwaltung ihrer Stiftung. In Ziffer 3.2 des Vertrags verpflichtete sich die Beklagte 1 unter anderem zur Verschwiegenheit über die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der der Stiftung angeschlossenen Arbeitgeber und der versicherten Personen. Direkte Auskünfte an Versicherte sollte sie nur über deren persönliche Vorsorgeverhältnisse erteilen. In Ziffer 3.3 verpflichtete sie sich sodann zur Geheimhaltung über verwendete Kosten- respektive Rabattmodelle, Anschlussvereinbarungen, Geschäfts- und Anlagenreglemente. Nach Ziffer 6.1 des Dienstleistungsvertrags sollten sodann bei Vertragsauflösung sämtliche relevanten Daten, Formeln und Dokumentvorlagen im Besitz der Klägerin bleiben.
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A.b Am 1. Juni 2005 beschlossen die Parteien die Aufhebung des Dienstleistungsvertrags auf den 31. Mai 2005, wobei sie sich zum Stillschweigen über ihre Geschäftstätigkeit und die Gründe für die Beendigung der Zusammenarbeit verpflichteten.
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A.c Mit Schreiben vom 5., 6. und 7. Juli 2005, unterzeichnet durch den Beklagten 2, gelangte die Beklagte 1 an verschiedene Firmen. Sie kündigte unter dem Titel "Auf zu neuen Taten ..." insbesondere an, dass sie diverse Produkte im Bereich der zweiten Säule lanciere und stellte in Aussicht, dass sie in den nächsten Monaten Kontakt aufnehmen werde, um ihre Produkte vorzustellen, und dass sie sich natürlich sehr freuen würde, wenn daraus erneut eine fruchtbare Zusammenarbeit entstehen könnte.
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B. Am 2. August 2005 gelangte die Klägerin an den Einzelrichter des Bezirks Schwyz und stellte unter anderem folgende Rechtsbegehren:
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"Die Beklagten seien zu verpflichten, sämtliche Datenträger, Schriftstücke oder anderen Sachen und Gegenstände, welche Daten und Angaben zu Kundendaten und Kundenkontakte der Klägerin tragen, herauszugeben.
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Eventualiter seien die Beklagten zu verpflichten, sämtliche sich bei ihnen befindlichen Kundendaten und Kundenkontakte der Klägerin zu löschen oder zu vernichten, und die Klägerin sei berechtigt zu erklären, dies durch eigene Angestellte zu überprüfen.
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Die Beklagten seien zu verpflichten, der Klägerin eine Aufstellung zukommen zu lassen über diejenigen Kunden, welche von den Beklagten unter Verwendung der Kundendaten und Kundenkontakte der Klägerin kontaktiert wurden."
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Mit Urteil vom 7. März 2006 wies der Einzelrichter des Bezirks Schwyz die Klage ab, soweit er darauf eintrat.
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C. Mit kantonaler Berufung beantragte die Klägerin dem Kantonsgericht Schwyz die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und wiederholte die bereits vor dem Einzelrichter gestellten Rechtsbegehren.
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Mit Urteil vom 24. Oktober 2006 wies das Kantonsgericht Schwyz die kantonale Berufung ab und bestätigte das angefochtene Urteil. Das Gericht wies die Begehren mit dem erstinstanzlichen Richter ab, weil das Verhalten der Beklagten nicht als unlauter im Sinne von Art. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) zu qualifizieren sei. Die Vorinstanz stellte fest, die Beklagten seien gegenüber der Klägerin noch gar nicht konkurrenzierend tätig geworden, sondern hätten den Kunden der Klägerin in den Schreiben vom 5., 6. und 7. Juli 2005 bloss in Aussicht gestellt, sie in den nächsten Monaten zu kontaktieren, um ihre Produkte vorzustellen. Da weder eine Verleitung zum Vertragsbruch im Sinne von Art. 4 UWG noch eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen im Sinne von Art. 6 UWG vorliege, bedürfte es besonderer Umstände, um die Verwendung der Kundenadressen der Klägerin durch die Beklagten als in einer Gesamtschau wettbewerbsverfälschend erscheinen zu lassen.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Aus den Erwägungen: |
4.2 In der Lehre wird vertreten, es sei für die Beurteilung der Lauterkeit des Verhaltens von der direkt anwendbaren Generalklausel des Art. 2 UWG auszugehen und diese sei zunächst im Lichte des Zweckartikels auszulegen. Danach ist ein Verhalten unlauter, wenn es entweder Treu und Glauben bzw. der Geschäftsmoral widerspricht oder wenn es mit der Funktion des Wettbewerbs unvereinbar erscheint bzw. geeignet ist, die natürlichen Wettbewerbsbedingungen künstlich zu verändern (JÜRG MÜLLER, Rechtsfindung im Lauterkeitsrecht, sic! 4/2003 [im Folgenden: Rechtsfindung] S. 301, insbes. S. 309; derselbe, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/1: Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 1998 [im Folgenden: SIWR], S. 54 ff.; CARL BAUDENBACHER, Lauterkeitsrecht, N. 7 zu Art. 2 UWG; LUCAS DAVID/RETO JACOBS, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 15, Rz. 52 f.; MATHIS BERGER, Die funktionale Konkretisierung von Art. 2 UWG, Diss. Zürich 1997, S. 132; MARIO M. PEDRAZZINI/FEDERICO A. PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. 2002, S. 41 ff.; ROLAND VON BÜREN/EUGEN MARBACH, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2002, S. 200; vgl. zum aUWG schon RALPH H. STEYERT, Das Verhältnis von Generalklausel und Spezialtatbeständen im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, Diss. Basel 1971, S. 42). Mit der methodischen Anweisung, die Unlauterkeit eines Wettbewerbsverhaltens direkt auf seine Vereinbarkeit mit der Generalklausel von Art. 2 UWG zu prüfen, soll der Gefahr begegnet werden, dass der gesetzlich eingeräumte Spielraum ungenügend ausgeschöpft (VON BÜREN/MARBACH, a.a.O.), die Generalklausel vernachlässigt (DAVID/JACOBS, a.a.O., S. 15, Rz. 51; BAUDENBACHER, a.a.O., N. 8 zu Art. 2 UWG), neue Sachverhalte in die Zwangsjacke der Sondertatbestände gepresst (PEDRAZZINI/PEDRAZZINI, a.a.O., S. 43, Rz. 4.06) oder dem funktionalen Ansatz der Lauterkeit im Wettbewerb zu wenig Bedeutung beigemessen wird (MÜLLER, Rechtsfindung, S. 306; BERGER, a.a.O., S. 133 oben).
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4.3 Nach der Rechtsprechung ist aufgrund der Generalklausel zunächst zu beurteilen, ob überhaupt ein Verhalten vorliegt, das den Wettbewerb beeinflussen kann. Trifft dies zu, so kann im Sinne des Zweckartikels gefragt werden, in welcher Weise das umstrittene Verhalten seiner Art nach die Lauterkeit oder Unverfälschtheit des Wettbewerbs beeinträchtigen könnte, damit den Zielen der Erhaltung der Geschäftsmoral und der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs Rechnung getragen werden kann. Wird so die Art und Weise eines Verhaltens in Bezug gesetzt zur erwünschten Fairness der Wettbewerber und zum zweckmässigen Funktionieren des Wettbewerbs, so ist zu prüfen, ob sich das Verhalten seiner Art nach einem der Sondertatbestände der Art. 3 bis 8 UWG zuordnen lässt. Auch wenn solcherart beachtet wird, dass die Sondertatbestände der Art. 3 bis 8 UWG eine beispielhafte Aufzählung unlauteren Verhaltens im Sinne der Generalklausel darstellen, hat sich die gesetzeskonforme Auslegung der Generalklausel zwingend an den Sondertatbeständen zu orientieren. Denn deren Tatbestände sind teilweise derart präzis gefasst, dass sie selbst die Grenzen zwischen lauterem und unlauterem Verhalten ziehen (DAVID/JACOBS, a.a.O., S. 17 f., Rz. 60). Erfüllt ein Wettbewerbsverhalten einen Spezialtatbestand, so ist er ohne weitere Prüfung auch unlauter im Sinne der Generalklausel (BAUDENBACHER, a.a.O., N. 7 zu Art. 2 UWG; MÜLLER, SIWR, S. 56). Es kann daher bei zutreffendem methodischem Vorgehen nicht davon abgesehen werden zu prüfen, ob das umstrittene Verhalten einen der Sondertatbestände der Art. 3 bis 8 UWG erfüllt, wobei je in Auslegung der einzelnen dieser Tatbestände zu beurteilen ist, ob sie ein bestimmt geartetes Verhalten ihrerseits abschliessend tatbestandsmässig erfassen oder nicht als abschliessend definiert zu verstehen sind.
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4.5 Die Ausbeutung fremder Leistung wird namentlich in den Sondertatbeständen der Art. 4 bis 6 UWG konkretisiert. Nach Art. 4 lit. a UWG handelt insbesondere unlauter, wer Abnehmer zum Vertragsbruch verleitet, um selber mit ihnen einen Vertrag abschliessen zu können. Dieser Sondertatbestand, der das unlautere Verhalten dieser Art nicht abschliessend definiert (BGE 114 II 91 E. 4a/bb S. 99), setzt den eigentlichen Vertragsbruch voraus (BGE 129 II 497 E. 6.5.6 S. 541 mit Hinweisen). Er ist vorliegend unbestritten nicht erfüllt. Nach Art. 5 UWG handelt insbesondere unlauter, wer fremde Leistung verwertet. Danach ist die unbefugte Verwertung von Arbeitsergebnissen ohne immaterialgüterrechtlichen Schutz einerseits widerrechtlich, wenn sie insbesondere im Rahmen vertraglicher oder vertragsähnlicher Beziehungen anvertraut worden sind, und anderseits, wenn sie ohne eigenen Aufwand schmarotzerisch übernommen werden (BGE 122 III 469 E. 8b S. 484; BGE 117 II 199 E. 2a/ee S. 202; vgl. auch BGE 131 III 384 E. 4 S. 389). In den Feststellungen der Vorinstanz finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die den Beklagten im Rahmen des früheren Vertragsverhältnisses anvertrauten Kundendaten als Arbeitsergebnis im Sinne von Art. 5 lit. a UWG qualifiziert werden könnte (vgl. Urteil 4C.399/1998 vom 18. März 1999, E. 2d, publ. in: sic! 3/1999 S. 300). Die Klägerin beruft sich denn auch nicht auf diese Bestimmung. Ihre Behauptung, sie habe über Jahre für ihre Branche bereits filtrierte und aufbereitete Kunden- und Maklerdaten und -adressen zusammengetragen, ist neu, ohne dass ein Mangel im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG gehörig gerügt würde. Nach Art. 6 UWG handelt schliesslich insbesondere unlauter, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse verwertet oder anderen mitteilt, die er ausgekundschaftet oder sonst wie unrechtmässig erfahren hat. Es ist unbestritten, dass die Beklagten die Kenntnis der umstrittenen Kundendaten der Klägerin im Rahmen des früheren Vertrages und damit nicht unrechtmässig erlangt haben.
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4.6 Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass Kenntnisse, die im Rahmen einer vertraglichen Arbeitstätigkeit für Dritte erworben worden sind, grundsätzlich frei genutzt und weiter entwickelt werden können. Die Verbesserung der auf dem Markt erbrachten Leistungen durch Nutzung entsprechend erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ist im Gegenteil üblich und ein erwünschtes Ziel des Wettbewerbs. Auch die Pflege von Beziehungen zu anderen Marktteilnehmern, die im Rahmen der vertraglich für Dritte erbrachten Arbeit aufgebaut worden sind, ist weder mit der Geschäftsmoral noch mit der Funktion des Wettbewerbs unvereinbar. Dass diese Beziehungen genutzt werden, um mit besseren Angeboten am Markt teilzunehmen, ist funktional nicht unerwünscht, da es die bisherigen Anbieter motiviert, ihrerseits ihre Angebote stets zu verbessern und weiter zu entwickeln. Ein solches Verhalten widerspricht auch der Geschäftsmoral nicht und ist, sofern - wie hier - kein Konkurrenzverbot vereinbart ist, nicht rechtswidrig. Die Beklagten haben vertraglich die Verwaltung der Stiftung übernommen und in diesem Zusammenhang die Kunden der Klägerin betreut. Durch ihre Dienstleistungen haben sie sich bei diesen Kunden Goodwill erworben. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid haben sich die Beklagten darauf beschränkt, die Kunden im Hinblick auf ein verbessertes eigenes Angebot zu kontaktieren, haben sie doch erklärt, sie würden sich über eine "erneute" Zusammenarbeit freuen. Eine solche Nutzung von Kundendaten und -kontakten ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht unlauter. Die Vorinstanz hat Art. 2 UWG bundesrechtskonform ausgelegt und angewandt, wenn sie das Verhalten der Beklagten nicht als unlauter qualifizierte.
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