BGE 136 III 587 |
87. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. GmbH gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_534/2010 vom 28. Oktober 2010 |
Regeste |
Art. 85a Abs. 2 und Art. 173 Abs. 1 SchKG; Einstellung der Betreibung und Aussetzung des Konkursentscheides. |
Sachverhalt |
In der betreffenden Betreibung leitete die X. GmbH ein Verfahren im Sinn von Art. 85a SchKG ein, indem sie am 5. März 2010 zum Aussöhnungsversuch lud. Das Kreisgericht setzte den Termin für den Aussöhnungsversuch betreffend die negative Feststellungsklage auf den 7. Mai 2010 fest.
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Mit Schreiben vom 12. April 2010 machte die X. GmbH das Kreisgericht darauf aufmerksam, dass die Konkursverhandlung bereits am 6. Mai 2010 stattfinde, und sie bat um Vorverlegung des Termins für den Aussöhnungsversuch betreffend die negative Feststellungsklage. Mit Verfügung vom 13. März 2010 wurde dieser auf den 5. Mai 2010 vorverlegt.
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Nachdem der Aussöhnungsversuch am 5. Mai 2010 fruchtlos verlaufen war, übergab die X. GmbH dem Kreisgericht noch gleichentags die vollständig ausformulierte negative Feststellungsklage, in welcher sie u.a. um Einstellung der Betreibung ersuchte.
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Mit am frühen Morgen des 6. Mai 2010 erlassener Verfügung nahm das Kreisgericht vom Eingang der negativen Feststellungsklage Kenntnis und wies den Antrag auf vorläufige Einstellung der Betreibung ab mit der Begründung, die Verhandlung für die Konkurseröffnung sei auf 9.15 Uhr angesetzt und es bleibe keine Zeit mehr, um im Verfahren der negativen Feststellungsklage vorgängig die Gegenpartei anzuhören; die X. GmbH hätte die Klage so rechtzeitig anhängig machen müssen, dass die Parteianhörung noch vor der Konkurseröffnung hätte stattfinden können.
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Im Anschluss eröffnete das Kreisgericht über die X. GmbH den Konkurs mit der Begründung, im Verfahren der negativen Feststellungsklage sei keine Einstellung der Betreibung verfügt worden.
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Gegen den Gerichtspräsidenten Y., der die Einstellung der Betreibung verweigert hatte, erhob die X. GmbH Aufsichtsbeschwerde, welche das Obergericht als gegenstandslos vom Protokoll abschrieb mit der Begründung, zufolge Konkurseröffnung mache die Einstellung der Betreibung keinen Sinn mehr.
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Dagegen hat die X. GmbH Beschwerde in Zivilsachen eingereicht, welche vorliegend gutgeheissen wird.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
2. Bereits Anfang März 2010 hatte die Beschwerdeführerin zu dem (nach bernischem Zivilprozessrecht unabdingbaren) Aussöhnungsversuch für die negative Feststellungsklage geladen. Das erstinstanzliche Gericht setzte den Termin für die Aussöhnungsverhandlung auf den 7. Mai 2010, denjenigen für die Konkursverhandlung aber bereits auf den 6. Mai 2010 fest. Nachdem die Beschwerdeführerin gegen diese im Gegensatz zur publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehende (vgl. BGE 133 III 684 sowie im Einzelnen Parallelurteil 5A_540/2010 E. 3) Verhandlungsreihenfolge interveniert hatte, wurde der Termin für den Aussöhnungsversuch vorverschoben, allerdings nur um zwei Tage. Nachdem dieser fruchtlos verlaufen und der Beschwerdeführerin die Klagebewilligung erteilt worden war, reichte diese noch gleichentags, also am Vortag der Konkursverhandlung, die negative Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG ein.
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Es ist nicht frei von Zynismus, wenn das erstinstanzliche Gericht der Beschwerdeführerin am Folgetag beschied, sie hätte die negative Feststellungsklage rechtzeitig einreichen müssen, für eine Sistierung der Betreibung sei es nun zu spät, weil die Gegenpartei nicht mehr vor dem Konkurstermin zur negativen Feststellungsklage angehört werden könne, wenn die gleiche Instanz, nunmehr als Konkursgericht, unmittelbar darauf den Konkurs eröffnete mit der Begründung, es liege keine Sistierung im Sinn von Art. 85a Abs. 2 i.V.m. Art. 173 Abs. 1 SchKG vor, und wenn schliesslich die obere Instanz festhielt, die Beschwerde gegen die verweigerte Sistierung sei gegenstandslos, nachdem der Konkurs eröffnet worden sei.
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Wie die Beschwerdeführerin zutreffend festhält, verstösst ein solches Vorgehen gegen das von Art. 9 BV garantierte Vertrauensprinzip und den Grundsatz des fair trial. Nachdem das erstinstanzliche Gericht den Termin für den Aussöhnungsversuch auf den Vortag der Konkursverhandlung festgesetzt und die Beschwerdeführerin noch gleichentags die negative Feststellungsklage eingereicht hatte, durfte sie nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass vor dem Konkurstermin wenigstens vorläufig über die Einstellung der Betreibung entschieden würde. Sie hat alles getan, was ihr aufgrund der allein vom erstinstanzlichen Gericht zu verantwortenden Terminplanung möglich war, und sie muss sich nicht entgegenhalten lassen, sie hätte ihre Klage so spät eingereicht, dass keine Anhörung der Gegenpartei mehr habe stattfinden können. Umso weniger muss sie sich dies entgegenhalten lassen, als eine superprovisorische Einstellung vorliegend ohne weiteres möglich gewesen wäre:
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Gemäss Art. 85a Abs. 2 SchKG hört das Gericht die Parteien nach Eingang der Klage an und stellt anschliessend die Betreibung ein, soweit die negative Feststellungsklage als sehr wahrscheinlich begründet erscheint. In der Literatur wird teilweise die Meinung vertreten, dass das Gericht demnach von Bundesrechts wegen nicht superprovisorisch die Einstellung verfügen dürfe (namentlich TENCHIO, Feststellungsklagen und Feststellungsprozess nach Art. 85a SchKG, 1999, S. 165 oben; missverständlich der im erstinstanzlichen Entscheid zitierte BODMER, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1998, N. 20 zu Art. 85a SchKG: dieser hält nicht etwa fest, dass ein Superprovisorium ausgeschlossen sei, vielmehr dass der endgültige Entscheid über die Einstellung nicht superprovisorisch im Sinn einer einseitigen Verfügung, sondern als kontradiktorische vorsorgliche Massnahme erlassen werde). Der Gesetzgeber wollte mit dem verabschiedeten Gesetzeswortlaut garantieren, dass die vorläufige Einstellung der Betreibung in einem kontradiktorischen Verfahren erfolgen soll und nicht, wie noch im Vorentwurf zur Änderung des SchKG vorgesehen, aufgrund einseitigen Begehrens seitens des Feststellungsklägers (zum Wortlaut des Vorentwurfes siehe BBl 1991 III 224). Daraus wird von einer anderen Lehrmeinung, welche die Beschwerdeführerin korrekt zitiert, zutreffend gefolgert, dass es selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist, die vorläufige Einstellung, bei der es sich um eine vorsorgliche Massnahme handelt, bei dringender Gefahr nach den Modalitäten des kantonalen Verfahrensrechts vorab superprovisorisch zu verfügen und sodann nach Anhörung der Gegenpartei im Rahmen der vorsorglichen Massnahme zu bestätigen oder zurückzunehmen (BRÖNNIMANN, in: Kurzkommentar SchKG, 2009, N. 13 zu Art. 85a SchKG; von der Möglichkeit eines Superprovisoriums wird sodann auch im Urteil 5P.69/2003 vom 4. April 2003 E. 5.2.2 ausgegangen). Gemäss dem einschlägigen Art. 308a Abs. 1 ZPO/BE (BSG 271.1) kann der Richter in Fällen dringender Gefahr schon auf die Einreichung des Gesuches hin die vorläufigen Verfügungen treffen, welche er für notwendig erachtet, um die Ansprüche des Gesuchstellers bis zum Entscheid sicherzustellen. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist die superprovisorische Anordnung nicht von einem entsprechenden Parteiantrag abhängig, sondern liegt sie vielmehr im pflichtgemässen Ermessen des Richters; etwas anderes wird jedenfalls vernehmlassungsweise nicht geltend gemacht. Das Superprovisorium erfordert eine dringende Gefahr, die insbesondere gegeben ist, wenn die angestrebte Rechtswahrung bei Zuwarten vereitelt oder hochgradig gefährdet würde (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 1a zu Art. 308a ZPO/BE). Dass vorliegend genau dies gegeben war, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.
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Inwieweit der Richter die Einstellung der Betreibung bei offensichtlich fehlenden Prozesschancen der negativen Feststellungsklage auch ohne Anhörung der Gegenpartei, d.h. gleich von Beginn weg verweigern darf (vgl. Urteil 5P.69/2003 vom 4. April 2003 E. 5.3.1), kann vorliegend mangels Liquidität des Sachverhaltes nicht geprüft werden, weil dies nie Thema war (über die Prozesschancen hat sich bislang keines der involvierten Gerichte geäussert), sondern die kantonalen Instanzen sich allein darauf berufen haben, die Einstellung sei aus Zeitgründen nicht möglich.
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