BGE 137 III 153 |
27. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Kanton Bern (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_60/2011 vom 1. April 2011 |
Regeste |
Art. 973 Abs. 1 ZGB; guter Glaube in das Grundbuch; Wegrecht; Zugang durch einen Tunnel. |
Sachverhalt |
Die Eigentümer der Parzellen Nrn. 11, 44, 66, 2455 und 2477 begründeten mit Vertrag vom 17. Juli 1952 ein Wegrecht. Der Weg führte ab dem öffentlichen W.-Weg westwärts zwischen den Gebäuden auf den Parzellen Nrn. 11 und 44 hindurch, bog auf der Grenze zur Parzelle Nr. 2477 nach Norden ab und endete am Innenhof der Parzelle Nr. 2455. Der Weg folgte der jeweiligen Parzellengrenze und hatte am Anfang ab dem W.-Weg eine Breite von 3 m (je 1,5 m auf den Parzellen Nrn. 11 und 44) bei einem Abstand zwischen den beiden Gebäuden von rund 5,5 m. Am Ende bei der Einmündung in den Innenhof der Parzelle Nr. 2455 betrug die Breite des Wegs 4 m (je 2 m auf den Parzellen Nrn. 44 und 2477). Im Grundbuch wurde die Dienstbarkeit mit dem Stichwort "Wegrecht" zulasten der Parzellen Nrn. 11, 44 und 2477 und zugunsten der Parzellen Nrn. 11, 44, 66, 2455 und 2477 eingetragen.
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Mitte der Siebzigerjahre wurden die Parzellen Nrn. 11 und 44 neu überbaut. Der bisherige Weg wurde um 1,5 m nach Norden verschoben und befand sich damit vollständig auf der Parzelle Nr. 44. Er führte nicht mehr zwischen zwei Gebäuden hindurch, sondern neu durch eine Aussparung in der Gesamtüberbauung, d.h. ab dem W.-Weg auf der Parzelle Nr. 44 durch einen Tunnel von 2,75 m Höhe und anschliessend über die Parzellen Nrn. 44 und 2477 zur Parzelle Nr. 2455. Der Weg durch den Tunnel ist 3 m breit, wobei im Eingangsbereich Halterungen für ein Tor bestehen, die die Wegbreite von 3 m verkürzen. Die Änderungen des Wegverlaufs wurden damals weder schriftlich vereinbart noch im Grundbuch eingetragen. Die Parzellen Nrn. 11 und 44 wurden im Jahre 1981 zur Parzelle Nr. 11 vereinigt.
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Die Parzelle Nr. 11 steht seit 1989 im Eigentum des Kantons Bern (Beschwerdegegner). X. (Beschwerdeführer) erwarb am 28. April 2008 die Parzelle Nr. 2477. Er klagte im Frühjahr 2009 gegen den Beschwerdegegner auf Wiederherstellung des ursprünglichen Wegrechts und beantragte, den früheren Zustand, d.h. das Wegrecht auf der gesamten Höhe (ca. 12 m) und mit einer Breite von 5,4 m wiederherzustellen. Die kantonalen Gerichte wiesen die Klage ab. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
4.1.2 Der gute Glaube gemäss Art. 973 Abs. 1 ZGB ist indessen nicht absolut geschützt. Vielmehr darf sich auch in diesem Zusammenhang gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB derjenige nicht auf seinen guten Glauben berufen, der bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte. Selbst ein an sich gutgläubiger Erwerber muss daher nähere Erkundigungen einziehen, sofern besondere Umstände ihm Zweifel an der Genauigkeit des Eintrags aufkommen lassen (vgl. BGE 109 II 102 E. 2 S. 104; BGE 127 III 440 E. 2c S. 443; zuletzt die in E. 4.1.1 zitierten Urteile). Der Entscheid darüber erfolgt aufgrund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls nach gerichtlichem Ermessen (Art. 4 ZGB; vgl. DESCHENAUX, Das Grundbuch, SPR V/3/2, 1989, § 38/B/BB/V/1 S. 788 und § 38/B/BB/V/3 S. 792 ff.).
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4.2.2 Namentlich bei Wegrechten ist die sog. natürliche Publizität zu beachten. Nach der Rechtsprechung kann sich beispielsweise der Erwerber nicht auf seinen guten Glauben in das Fehlen eines Grundbucheintrags berufen, wenn ihm das permanent ausgeübte und geduldete Wegrecht auf seinem Grundstück seit jeher bekannt gewesen ist und wenn er zeitlebens in unmittelbarer Nachbarschaft des berechtigten Grundstücks gewohnt und daher die Entwicklung auf seinem Grundstück selber miterlebt hat (vgl. Urteil 5C.282/2005 vom 13. Januar 2006 E. 3, in: ZBGR 88/2007 S. 480).
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4.3 Das Obergericht hat allgemein und im Besonderen das hier streitige Wegrecht nach den soeben dargelegten Grundsätzen beurteilt. In tatsächlicher Hinsicht ist unbestritten und wird in der Beschwerdeschrift ausdrücklich bestätigt, dass der Beschwerdeführer vor dem Kauf den Eintrag im Grundbuch "Wegrecht" gelesen, das Grundstück besichtigt und den Zugang zum Hinterhof durch den besagten Tunnel beschritten hat. Der Beschwerdeführer hat somit den tatsächlichen Verlauf des Wegrechts vor Ort gekannt, wonach der Weg ab dem W.-Weg durch einen Tunnel von 2,75 m Höhe führt und daselbst 3 m breit ist, wobei im Eingangsbereich Halterungen für ein Tor angebracht sind, die die Wegbreite von 3 m gemäss den Angaben des Beschwerdeführers auf 2,58 m verkürzen. Diese äussere Erscheinung des Wegrechts, das der Beschwerdeführer vor dem Erwerb besichtigt hat, ist massgebend und muss sich der Beschwerdeführer entgegenhalten lassen. Hat er das berechtigte Grundstück Nr. 2477 gleichwohl vorbehaltlos erworben, kann er sich im Nachhinein weder auf seinen guten Glauben in den wenig aussagekräftigen Grundbucheintrag "Wegrecht" noch auf ein Wegrecht gemäss dem Vertrag von 1952 berufen. Inhalt und Umfang des Wegrechts werden hier durch die bauliche Anlage ("Tunnel") bestimmt. Aus den dargelegten Gründen kann nicht beanstandet werden, dass das Obergericht das Begehren des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung des Wegrechts abgewiesen hat.
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5. Sind für den Inhalt und den Umfang des Wegrechts nach dem Gesagten die für jedermann sichtbaren örtlichen Gegebenheiten massgebend, kann dahingestellt bleiben, wie das Wegrecht gemäss dem Vertrag von 1952 zu Recht bestanden haben mag, ob die Verlegung des Wegrechts im Rahmen der Überbauung in den Siebzigerjahren ordentlich erfolgt ist und inwiefern sich der Beschwerdeführer rechtsmissbräuchlich verhalten hat. An der Beurteilung seiner dagegen gerichteten Rügen hat der Beschwerdeführer kein schutzwürdiges Interesse (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG; vgl. BGE 135 III 513 E. 7.2 S. 525).
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