BGE 138 III 241
 
37. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
 
4A_505/2011 vom 13. Februar 2012
 
Regeste
Art. 111 OR; Umfang der Substanziierungspflicht bei Abruf der Garantiesumme.
 
Sachverhalt
A.
A.a Die X. AG (Klägerin und Beschwerdeführerin) und die Y. AG (Beklagte und Beschwerdegegnerin) schlossen am 12./13. April 2006 einen Baugarantie-Versicherungsvertrag ab. Gestützt auf diesen Vertrag erklärte die Klägerin mit Garantieversprechen vom 13. April 2006, der Z. AG auf erste Aufforderung hin jeden Betrag bis maximal Fr. 145'286.90 zu zahlen. Dies ungeachtet der Gültigkeit und der Rechtswirkungen des zwischen der Beklagten und der Begünstigten bestehenden Werkvertrags und unter Verzicht auf jegliche Einwendungen und Einreden aus demselben. Zur Geltendmachung der Garantiesumme erforderlich war eine schriftliche Zahlungsaufforderung der Z. AG und eine schriftliche Bestätigung, wonach die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Das Ende der Gültigkeit der Garantie wurde auf den 30. Juni 2007 festgelegt.
A.b Mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 forderte die Z. AG von der Klägerin die Auszahlung der Garantiesumme in der Höhe von Fr. 145'286.90 mit der Begründung, die Beklagte sei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2007 forderte die Klägerin die Z. AG sinngemäss auf, den Garantiefall zu substanziieren. Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 beharrte die Z. AG unter Hinweis auf die Abstraktheit der Garantie auf Auszahlung. Erst mit Schreiben vom 25. Juli 2007 spezifizierte die Z. AG die Vertragsverletzungen der Beklagten näher. Am 2. August 2007 zahlte die Klägerin schliesslich die Garantiesumme von Fr. 145'286.90 aus.
In der Folge forderte die Klägerin den Betrag von Fr. 145'286.90 von der Beklagten zurück. Diese lehnte die Zahlung ab.
B.
B.a Am 11. August 2009 reichte die Klägerin beim Bezirksgericht Arlesheim Klage ein mit dem Begehren, es sei die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von Fr. 145'286.90 sowie der Friedensrichterkosten von Fr. 250.- zu verurteilen.
Mit Urteil vom 12. August 2010 wies das Bezirksgericht Arlesheim die Klage ab.
B.b Die dagegen von der Klägerin erhobene Appellation wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 14. Juni 2011 ab.
C. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem diese von einer Substanziierungspflicht der Begünstigten ausgegangen sei, obwohl dies im Garantieversprechen nicht vorgesehen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts könne der Garant der Begünstigten keine anderen Einreden entgegenhalten als diejenigen, die aus dem Garantievertrag hervorgingen. Dabei sei vom Wortlaut der entsprechenden Klausel auszugehen. Dieser Grundsatz der Garantiestrenge folge aus der Unabhängigkeit der Garantie von den dieser zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen. Würde der Begünstigten unabhängig vom Wortlaut des Garantieversprechens stets eine Substanziierungspflicht auferlegt, verliere der Grundsatz der Garantiestrenge inhaltlich jegliche Bedeutung. Einwendungen aus dem Grundverhältnis könnten nur auf das Garantieverhältnis durchschlagen, wenn der Abruf der Garantie geradezu rechtsmissbräuchlich erfolge.
3.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, in der Lehre sei umstritten, ob der Begünstigte bei Inanspruchnahme der Garantie das Ereignis, welches den Garantiefall auslöse, auch dann näher umschreiben müsse, wenn der Garantietext keine oder nur eine allgemein formulierte Erklärung enthalte. Die rechtsmissbräuchliche Ausnützung einer formalen Rechtsposition sei nicht zulässig, weshalb auf eine Pflicht des Begünstigten zur Substanziierung des Garantiefalls auch beim Vorliegen eines Garantieversprechens mit Sofortzahlungsklausel und Ausschluss von Einreden und Einwendungen nicht verzichtet werden könne. Sonst wäre der Nachweis des Rechtsmissbrauchs derart erschwert, dass der Garant dem Begünstigten den Einwand der rechtsmissbräuchlichen Garantieziehung kaum je entgegenhalten könnte. An die Substanziierung seien indessen keine allzu grossen Ansprüche zu stellen. Es genüge, wenn der Begünstigte den Tatbestand, welcher den Eintritt des Garantiefalls auslöse, kurz umschreibe, indem er z.B. bei einer Erfüllungsgarantie angebe, dass er diese wegen mangelhafter oder verzögerter Werkausführung in Anspruch nehme.
Vorliegend habe die Begünstigte lediglich die Garantie angefordert und die formelle Erklärung einer Vertragsverletzung durch die Beschwerdegegnerin abgegeben. Dies genüge für die durch die Beschwerdeführerin vorzunehmende grobe Prüfung der Frage, ob die Ziehung der Garantie rechtsmissbräuchlich erfolge, in keiner Weise. Eine nähere Spezifizierung sei erst am 25. Juli 2007 und damit nach Ablauf der Garantie erfolgt. Da die Beschwerdeführerin trotz ihres Rechts auf Zahlungsverweigerung die Garantiesumme in Verletzung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflichten ausbezahlt habe, stehe ihr gegen die Beklagte kein Regressrecht zu. Damit könne die Frage offenbleiben, ob überhaupt eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie erfolgt sei.
3.3 In der Lehre wird die Meinung vertreten, dass der Begünstigte einer Garantie mit Sofortzahlungsklausel ("auf erstes Anfordern") bei Inanspruchnahme das Ereignis, welches den Garantiefall auslöst, auch dann näher umschreiben muss, wenn der Garantietext keine oder nur eine allgemein formulierte Erklärung verlangt (MAURO SPAINI, Die Bankgarantie und ihre Erscheinungsformen bei Bauarbeiten, 2000, S. 102; CLAUS-WILHELM CANARIS, in: Handelsgesetzbuch, Grosskommentar, Bd. V: Bankvertragsrecht, Erster Teil, 4. Aufl. 2005, N. 1130 S. 767; je mit Hinweisen). Dies wird damit begründet, dass die rechtsmissbräuchliche Ausnützung einer formalen Rechtsposition nicht zulässig sei (SPAINI, a.a.O., S. 102). Ohne eine gewisse Substanziierung könne die Bank keine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen und habe auch keine Grundlage für die Erkenntnis eines etwaigen Rechtsmissbrauchs (CANARIS, a.a.O., N. 1130 S. 767).
Dem wird entgegengehalten, eine Substanziierungspflicht widerspreche der streng formalisierten Betrachtungsweise, die allein auf den Wortlaut der Garantieklausel abstelle (CARLO LOMBARDINI, Droit bancaire suisse, 2. Aufl. 2008, S. 600 N. 96; JÜRGEN DOHM, Bankgarantien im internationalen Handel, 1985, N. 198 f.). Die Voraussetzungen für den Abruf der Garantiesumme würden einzig durch das Garantieversprechen festgelegt (ANDRES BÜSSER, Einreden und Einwendungen der Bank als Garantin gegenüber dem Zahlungsanspruch des Begünstigten, 1997, N. 896 ff.; BEAT KLEINER, Bankgarantie, 4. Aufl. 1990, N. 21.04 f., 21.09; DANIEL GUGGENHEIM, Les contrats de la pratique bancaire suisse, 4. Aufl. 2000, S. 341). Bestünden keine weiteren Zahlungsvoraussetzungen und Formvorschriften, so werde die Zahlungspflicht der Garantin mit dem Empfang der formlosen Abruferklärung ausgelöst (DIETER ZOBL, Die Bankgarantie im schweizerischen Recht, in: Berner Bankrechtstag, Personalsicherheiten, 2007, S. 45 f.).
3.5 Diese Grundsätze sind nicht vereinbar mit einer Verpflichtung des Begünstigten, den Eintritt des Garantiefalls über den Wortlaut der Garantieklausel hinausgehend näher zu substanziieren. Es liegt vielmehr in der Verantwortung der Garantin, sämtliche Voraussetzungen für die Auszahlung der Garantiesumme im Garantieversprechen aufzuführen. Der Begünstigte ist insofern in seinem Vertrauen auf den Inhalt des Garantieversprechens zu schützen (vgl. Urteil 4C.144/2003 vom 10. September 2003 E. 2.2). Vorliegend wurden zum Abruf der Garantie eine schriftliche Zahlungsaufforderung der Z. AG und eine schriftliche Bestätigung vorausgesetzt, wonach die Beschwerdegegnerin ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz konnte die Beschwerdeführerin von der Z. AG nicht eine über den Wortlaut des Garantieversprechens hinausgehende Substanziierung verlangen, inwiefern der Vertrag verletzt worden sei. Indem die Vorinstanz mit dieser Begründung eine Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflichten der Beschwerdeführerin angenommen und folglich deren Regressrecht verneint hat, hat sie Bundesrecht verletzt.