BGE 139 III 418 |
60. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen X. Versicherungen AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_20/2013 vom 15. Juli 2013 |
Regeste |
Verjährung von Krankentaggeldern; Art. 46 VVG. |
Aus den Erwägungen: |
3.1 Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht seither bestätigt (Urteile des Bundesgerichts 4A_532/2009 vom 5. März 2010 E. 2.1 ff.; 4A_516/2009 vom 11. Dezember 2009 E. 3.1; 5C.42/2005 vom 21. April 2005 E. 2.1; CHRISTOPH K. GRABER, in: Basler Kommentar, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, 2012, S. 163 f. zu Art. 46 VVG). Sie ist in der Literatur aber auf Kritik gestossen. Namentlich wird beanstandet, der vom Bundesgericht zitierte Autor THALMANN habe zwar tatsächlich die Taggeldentschädigung als einheitliche aufgefasst, die gesamthaft verjähre. Er lasse die Verjährung aber erst mit Ende der Deckungsperiode einsetzen. Die Voraussetzungen der Leistungserbringung müssten auch für die folgenden Tage gegeben sein, wobei jeder Tag als neuer Tatbestand anzusehen sei, der die Leistungspflicht des Versicherers auslöse (SPIRO, Verjährung von Krankentaggeldansprüchen, HAVE 2002 S. 121; VINCENT BRULHART, Justification de l'art. 46 LCA [...], AJP 2001 S. 1105; vgl. auch MEUWLY, La prescription des créances d'assurance privée [...], AJP 2003 S. 312 f.; ROLAND BREHM, L'assurance privée contre les accidents, 2001, S. 365 N. 840). In der Praxis laufe die Rechtsprechung des Bundesgerichts darauf hinaus, für das Grundverhältnis eine Verjährungsfrist von zwei Jahren anzunehmen, was BGE 111 II 501 und dem Urteil des Bundesgerichts 5C.168/2004 vom 9. November 2004 E. 3.1 widerspräche (FUHRER, Anmerkungen zu privatversicherungsrechtlichen Entscheiden des Bundesgerichts, HAVE 2010 S. 262 f.; SPIRO, a.a.O., S. 121 f.). Das Bundesgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung diese Kritik wiedergegeben (BGE 139 III 263 E. 2.3), ohne im Einzelnen darauf einzugehen. Es hielt lediglich fest, mit Blick auf die Leistungsdauer, die häufig auf den relativ kurzen Zeitraum von 720 Tagen befristet sei, bestehe keine Analogie zu einer Rentenleistung. Ob daran festzuhalten sei, dass die Taggelder als Gesamtheit zu behandeln seien und wann diesfalls die Verjährung beginne, liess das Bundesgericht offen (Urteil des Bundesgerichts 4A_702/2012 vom 18. März 2013 E. 2.6, nicht publ. in BGE 139 III 263). Diese Frage ist nachfolgend zu prüfen.
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3.2 Dem Versicherten wird nach Ablauf der Wartefrist nicht ein unbedingter Anspruch auf eine bestimmte Anzahl Taggelder eingeräumt. Vielmehr hängen die einzelnen Leistungen von der Arbeitsunfähigkeit ab und können demnach Änderungen erfahren (vgl. BGE 139 III 263 E. 2.5). Ein Taggeld ist nur geschuldet, wenn der Versicherte den jeweiligen Tag erlebt, an diesem Tag eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25 % gegeben ist und nicht feststeht, dass er Anspruch auf hinreichende Geldleistungen nach IVG, UVG, MVG, der beruflichen Vorsorge oder eines haftpflichtigen Dritten hat (derartige Geldleistungen werden nach Art. B4 Abs. 1 und 2 der allgemeinen Versicherungsbedingungen [AVB] von der Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer eigenen Leistungspflicht ergänzt, und eine Vorleistungspflicht besteht nur, soweit der Rentenanspruch einer staatlichen oder betrieblichen Versicherung noch nicht feststeht). Der Anspruch des Beschwerdeführers aus der Taggeldversicherung geht nicht auf eine einheitliche Leistung, die ihrer Natur nach über eine bestimmte Zeitspanne verteilt erbracht wird (vgl. BRULHART, a.a.O., S. 1104 f., der BGE 127 III 268 diese Überlegung zu Grunde legt). Die Taggeldzahlungen sollen vielmehr das laufende Einkommen des Versicherten, das dieser zufolge seiner Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erzielen kann, ersetzen (vgl. SPIRO, a.a.O., S. 121). Mit Ablauf der Wartefrist sind zwar die Anfangsvoraussetzungen der Zahlungspflicht gegeben, die auch für die folgenden Taggeldansprüche gleich bleiben (vgl. BRULHART, a.a.O., S. 1104). Ob und in welchem Umfang sich daraus eine Leistungspflicht der Versicherung ergibt, ist aber offen, da noch nicht alle leistungsbegründenden Tatsachenelemente feststehen, wie dies für den Beginn der Verjährung an sich verlangt wird (vgl. BGE 127 III 268 E. 2b S. 271; MEUWLY, a.a.O., S. 313).
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3.4 Die in BGE 127 III 268 E. 2b S. 271 f. begründete Rechtsprechung wird nicht nur in der Lehre kritisiert, sie hat auch nicht zu Rechtssicherheit geführt, sondern dazu, dass man die Rechtsprechung als "fluctuante" bezeichnet (PICHONNAZ, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 131 OR; vgl. auch GRABER, a.a.O., S. 163 f. zu Art. 46 VVG), da sie faktisch auf die Annahme einer Verjährung des Stammrechts in zwei Jahren hinausläuft (FUHRER, a.a.O., S. 262). Für die Verjährung des Stammrechts wäre Art. 46 VVG aber nicht einschlägig, sondern es käme die 10-jährige Verjährung zur Anwendung (BGE 139 III 263 E. 2.5, zit. Urteil 5C.168/2004 E. 3.1; vgl. auch BGE 111 II 501 E. 2; SPIRO, a.a.O., S. 122). Auch ergeben sich Ungereimtheiten mit Bezug auf die Verjährungsunterbrechung. Im zit. Urteil 4A_532/2009 E. 2.6 liess das Bundesgericht offen, ob die vorbehaltlose Ausrichtung von Taggeldern als Anerkennung der grundsätzlichen Zahlungspflicht verstanden werden könne. In einer Zahlung mit der Mitteilung, dass die Leistungen zufolge Verletzung der Mitwirkungspflichten definitiv eingestellt würden, sah das Bundesgericht jedenfalls keine Anerkennungshandlung. Im zit. Urteil 5C.42/2005 E. 2.1 sprach dagegen die kantonale Instanz einem Schreiben, in dem der Versicherer ankündigte, er werde die Versicherungsleistungen auf ein bestimmtes Datum einstellen, verjährungsunterbrechende Wirkung zu, was vom Bundesgericht nicht beanstandet wurde.
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Erwägung 4 |
4.1 Die Taggeldzahlungen sollen nach ihrer Natur das laufende Einkommen des Versicherten ersetzen und daher fortlaufend gefordert und erbracht werden. Diesem Zweck entspricht, die Taggeldforderungen grundsätzlich nicht einer Gesamtverjährung zu unterstellen, sondern fortlaufend verjähren zu lassen (SPIRO, a.a.O., S. 121; MEUWLY, a.a.O., S. 312; BRULHART, a.a.O., S. 1105; BREHM, a.a.O., S. 365 N. 840). Eine Unterscheidung zwischen der Verjährung des Stammrechts (des grundsätzlichen Anspruchs auf die Versicherungsleistung bei Schadenseintritt nach Ablauf der Wartefrist) und der einzelnen Taggeldleistungen (die von weiteren Bedingungen wie der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit abhängen) ist zwar, entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin, ohne weiteres möglich. Sie erübrigt sich indessen, soweit das Stammrecht infolge der zeitlichen Beschränkung der Taggeldversicherungen gar nicht verjähren kann, bevor sämtliche Einzelansprüche verjährt sind (vgl. zit. Urteil 4A_702/2012 E. 2.6). Da die einzelnen Taggeldforderungen nach Art. 46 VVG in zwei Jahren verjähren, besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin keine Gefahr, dass der Versicherte noch nach Jahren Ansprüche geltend machen könnte und über eine weit zurückliegende Arbeitsunfähigkeit Beweis geführt werden müsste.
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4.3 Im zu beurteilenden Fall erbrachte die SUVA Leistungen bis zum 8. Januar 2006. Für diesen Zeitraum macht der Beschwerdeführer keine Ansprüche geltend. Für die Zeit danach konnte er aufgrund der vereinbarten Vorleistungspflicht allfällige Taggeldleistungen laufend einfordern, so dass die Ansprüche auf Taggeld einzeln jeweils binnen zwei Jahren verjähren. Diese Frist war für nach dem 9. Januar 2006 geschuldete Taggelder im Zeitpunkt der Verjährungsverzichtserklärung vom 7. Januar 2008 noch nicht abgelaufen.
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