BGE 140 III 485 |
72. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_798/2013 vom 21. August 2014 |
Regeste |
Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren; Ehegattenunterhalt; Sparquote (Art. 276 ZPO; Art. 163 und 176 ZGB; Art. 9 BV). |
Sachverhalt |
A. X. (Ehefrau) und Y. (Ehemann) führen ein Scheidungsverfahren. Der Amtsgerichtspräsident verpflichtete den Ehemann im Rahmen vorsorglicher Massnahmen, der Ehefrau rückwirkend ab 1. Mai 2012 an den Unterhalt der drei Töchter monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'880.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 3.4); ferner verhielt er ihn dazu, an den Unterhalt der Ehefrau persönlich rückwirkend ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'373.- zu entrichten, wobei mit Bezug auf beide Unterhaltsbeiträge bereits geleistete Zahlungen angerechnet werden können (Ziffer 3.6).
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B. Das Obergericht des Kantons Solothurn hiess die Berufungen der Parteien teilweise gut und verpflichtete den Ehemann in Abänderung von Ziffer 3.4 und 3.6 des erstinstanzlichen Entscheides, der Ehefrau an den Unterhalt der drei Töchter rückwirkend ab 1. Mai 2012 monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'750.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 2) und an ihren persönlichen Unterhalt ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'575.- zu leisten (Ziffer 3). Mit Bezug auf die Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen änderte sich nichts.
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C. Die Ehefrau (Beschwerdeführerin) hat gegen Ziffer 3 des obergerichtlichen Urteils beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Sie beantragt, der Ehemann (Beschwerdegegner) sei in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, ihr persönlich ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'700.- zu bezahlen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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D. Die Beschwerde wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 21. August 2014 öffentlich beraten und das Urteil anschliessend an die Beratung und Abstimmung mündlich eröffnet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und reformiert das angefochtene Urteil der Vorinstanz im beantragten Umfang.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 3 |
3.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet einzig die Berücksichtigung einer Sparquote als willkürlich (Art. 9 BV) bzw. gegen den Gleichheitsgrundsatz verstossend (Art. 8 Abs. 1 BV). Sie macht im Wesentlichen geltend, beide kantonalen Instanzen hätten sich bei der Unterhaltsbemessung richtigerweise für die Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit Überschussverteilung entschieden. Der Beschwerdegegner habe im Verfahren nie eine Sparquote behauptet, geschweige denn eine solche nachgewiesen. Sie habe das Obergericht in der Berufung darauf angesprochen; die Vorinstanz habe die Beanstandung mit der Bemerkung abgetan, die Sparquote sei offenbar in der Sühneverhandlung diskutiert worden. Der Beschwerdegegner habe zwar im Rahmen der Befragung erklärt, es habe eine hohe Sparquote bestanden; doch sei nie ein Betrag genannt und anlässlich der Verhandlung die Sparquote nicht weiter thematisiert worden. Auch wenn im Massnahmeverfahren die Untersuchungsmaxime gelte, treffe die Parteien eine Mitwirkungspflicht, welcher der Beschwerdegegner nicht nachgekommen sei. Im Übrigen würden die Kinder mit der vorgenommenen Überschussverteilung auch nicht privilegiert.
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3.3 Der Unterhalt, um den es hier geht, knüpft an den in der Ehe zuletzt, bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts gelebten Standard an, auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Ehegatten Anspruch haben (BGE 119 II 314 E. 4b/aa S. 318). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom gebührenden Unterhalt. Was sodann die Bemessung des elterlichen Unterhaltsbeitrages betrifft, sind die Grundsätze im Kindesrecht geregelt. Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen (Art. 285 Abs. 1 ZGB; BGE 137 III 59 E. 4.2.1 S. 62).
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Das Gesetz schreibt keine bestimmten Methoden für die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen vor. Ausgangspunkt ist indes der gebührende Unterhalt der unterhaltsberechtigten Person, auf den sie bei genügenden Mitteln Anspruch hat. Der Unterhaltsbeiträge beanspruchende Ehegatte muss sich sodann anrechnen lassen, was er mit eigenen Einkünften selber zu decken in der Lage ist (sog. "Eigenversorgungskapazität"). Verbleibt eine Differenz, wird der Unterhaltsbeitrag nach Massgabe der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Person festgesetzt. Der so ermittelte Beitrag stellt die Obergrenze des Unterhaltsanspruchs dar.
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Aus den soeben dargelegten Grundsätzen folgt, dass der jeweilige Bedarf grundsätzlich konkret, das heisst, anhand der tatsächlich getätigten Ausgaben zu ermitteln ist (vgl. für den nachehelichen Unterhalt im Sinne von Art. 125 ZGB: BGE 134 III 145 E. 4 S. 146 f.). Indessen hat das Bundesgericht präzisiert, dass die Methode der Existenzminimumsberechnung mit (allfälliger) Überschussverteilung (auch zweistufige Methode genannt) jedenfalls dann zulässige Ergebnisse gestatte, wenn die Ehegatten - gegebenenfalls trotz guter finanzieller Verhältnisse - nichts angespart haben oder aber die bisherige Sparquote durch die trennungsbedingten Mehrkosten aufgebraucht wird (BGE 137 III 102 E. 4.2.1.1 S. 106 f.; BGE 134 III 577 E. 3 S. 578). Der Unterhaltsschuldner, der eine Sparquote behauptet, trägt hiefür die Behauptungs- und Beweislast. Dass der Sachrichter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen (Art. 277 Abs. 3 ZPO) oder gegebenenfalls zu erforschen hat (Art. 296 ZPO), enthebt den Unterhaltsschuldner zwar von der subjektiven Beweislast oder Beweisführungslast, ändert aber nichts an seiner Mitwirkungspflicht, aufgrund derer die Sparquote behauptet, beziffert und soweit möglich belegt werden muss (vgl. dazu: BGE 130 I 180 E. 3.2 S. 183 f.; BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 413; HAUSHEER/SPYCHER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, Rz. 05.173 S. 332). Es handelt sich um einen klaren Rechtsgrundsatz, dessen Missachtung Willkür in der Rechtsanwendung darstellt (zum Begriff vgl. BGE 140 III 16 E. 2.1; BGE 138 I 49 E. 7.1). Damit ist gleichzeitig gesagt, dass es, anders als wovon der Beschwerdegegner auszugehen scheint, weder vom Ermessen des Sachrichters noch von Billigkeitsgesichtspunkten abhängt, ob eine Sparquote zu berücksichtigen ist oder nicht.
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Erwägung 3.5 |
3.5.1 Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, warum die kantonalen Instanzen angesichts des überdurchschnittlichen Einkommens des Beschwerdegegners nicht die konkrete Lebenshaltung ermittelt, sondern sich der Methode des um gewisse Positionen erweiterten Existenzminimums mit Überschussverteilung bedient haben. Die Parteien haben indes die Anwendung der Methode nicht als unzulässig bzw. willkürlich angefochten. Mit dieser Feststellung hat es diesbezüglich sein Bewenden, und es erübrigen sich weitere Ausführungen.
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Das Obergericht hat auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen - die Höhe des Einkommens des Beschwerdegegners - eine unhaltbare Schlussfolgerung - nämlich das Vorhandensein einer Sparquote - gezogen, und ist damit bei der Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen. Damit erweist sich auch der Abzug einer weder dem Grundsatz nach noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote von einem anhand der zweistufigen Methode errechneten Überschuss als willkürlich. Nichts Gegenteiliges lässt sich der vom Beschwerdegegner angegebenen Literaturstelle im Handbuch des Unterhaltsrechts ableiten. Im Gegenteil: Auch diese Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Sparquote nicht etwa aus einem überdurchschnittlichen Einkommen abgeleitet werden könne; vielmehr erfordere auch die Abgrenzung zwischen der dem nachehelichen Unterhalt zugänglichen bisherigen Sparquote und der unantastbaren Vermögensumteilung letztlich eine "quantitative" Grenzziehung und "einen entsprechenden Nachweis oder zumindest Glaubhaftmachung durch den Unterhaltsverpflichteten" (HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O., Rz. 02.61c S. 74).
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4.5 Ausgehend vom berechneten Überschuss von Fr. 2'593.- (15'242.- ./. 5'339.- ./. Fr. 7'310.-) beträgt der Anteil der Beschwerdeführerin und der Kinder somit rund Fr. 1'730.- (rund 2/3; vgl. BGE 126 III 8) und verbleiben dem Beschwerdegegner rund Fr. 863.-. Damit ergibt sich für die Beschwerdeführerin (inkl. Kinder) ein Gesamtunterhalt von Fr. 9'040.- (Fr. 7'310.- + Fr. 1'730.-). Nach Abzug des Unterhaltsbedarfs der drei Töchter von Fr. 5'250.- (je Fr. 1'750.-) verbleibt ein Bedarf der Beschwerdeführerin von Fr. 3'790.- (Fr. 9'040.- ./. Fr. 5'250.-). Im Verhältnis zum vorinstanzlich zugesprochenen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'575.- besteht eine Differenz von Fr. 1'215.-. Mit anderen Worten macht der vom Obergericht zugesprochene Unterhaltsbeitrag knapp zwei Drittel dessen aus, worauf die Beschwerdeführerin Anspruch hat. Die Kürzung um knapp ein Drittel ist unter allen Titeln offensichtlich unhaltbar. Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch im Ergebnis als willkürlich.
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