BGE 140 III 577 |
85. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau und B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_334/2014 vom 23. Oktober 2014 |
Regeste |
Art. 19c Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 ZGB; höchstpersönliche Rechte, Namensänderung. |
"Achtenswerte Gründe" zur Bewilligung der Namensänderung eines Kindes, das nach der Scheidung der Eltern den Namen des Inhabers der elterlichen Sorge annehmen soll (E. 3.2-3.5). |
Sachverhalt |
A.a B.A. kam am 6. Juni 2001 als Tochter von A.A. und C.A. geborene D. zur Welt. Kurze Zeit später, am 24. September 2001, wurde die Ehe vom Bezirksgericht Z. geschieden und der Mutter die (alleinige) elterliche Sorge übertragen. Die Mutter nahm nach der Scheidung wieder ihren Ledignamen D. an. B. lebt seit Geburt bei ihrer Mutter.
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A.b Im Jahre 2002 ersuchte C.D. um Änderung des Familiennamens ihrer Tochter von "A." in "D.". Das Gesuch wurde vom Departement für Justiz und Sicherheit (DJS) des Kantons Thurgau am 3./6. März 2003 abgelehnt. Der abweisende Entscheid wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 28. Mai 2003 bestätigt.
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A.c Am 9. Februar 2013 beantragte C.D. beim DJS erneut, den Familiennamen der Tochter zu ändern. Am 20. September 2013 hiess das DJS das Gesuch gut und bewilligte die Änderung des Familiennamens von B. von "A." in "D.".
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B. Gegen den Entscheid erhob A.A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangte die Aufhebung der Namensänderung. Am 5. März 2014 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
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C. A.A. ist mit Eingabe vom 23. April 2014 an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt (sinngemäss), der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 5. März 2014 sei aufzuheben und die Namensänderung sei bis zur Volljährigkeit seiner Tochter zu verweigern.
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(...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das im Jahre 2013 eingereichte Gesuch um Änderung des Namens eines Kindes, dessen Mutter seit der Scheidung das alleinige Sorgerecht hat und das ihren Namen annehmen soll. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht bewilligte Namensänderung. Er macht geltend, dass B. wohl ein intelligentes junges Mädchen, aber erst mit 18 Jahren genügend reif sei, um über den eigenen Namen zu entscheiden. Er weist auf die gute Beziehung zu seiner Tochter hin und betont die Konflikte mit der Mutter wegen des Besuchsrechts sowie deren Beeinflussung; er leitet daraus ab, dass die Namensänderung vor Erreichen der Volljährigkeit nicht zu bewilligen sei.
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3.1.2 Vorliegend hat die Mutter das Gesuch um Änderung des Namens als "gesetzliche Vertreterin" der - damals 11 Jahre und 8 Monate alten - B. gestellt; die Mutter ist in der Folge auch im Rechtsmittelverfahren aufgetreten. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Entscheides und der Erhebung der vorliegenden Beschwerde war B. fast 13 Jahre alt. Das Verwaltungsgericht hat die handschriftlichen Eingaben (vom 9. Februar 2014 und 28. Oktober 2013) gewürdigt und - für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) - festgestellt, dass B. als mittlerweile über 12-jährige Oberstufenschülerin klar auf eigenen Wunsch und ohne Druck der Mutter handle. Ein 12-jähriges Kind gilt im Rahmen der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB grundsätzlich als urteilsfähig; dies ergibt sich aus der Analogie zu Art. 270b ZGB betreffend Zustimmung des Kindes unverheirateter Eltern zur Namensänderung (u.a. MEIER/STETTLER, Droit de la filiation, 5. Aufl. 2014, S. 434 Fn. 1532, S. 459 Rz. 704, mit weiteren Hinweisen; vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 E. 1.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 670: Urteilsfähigkeit eines 13½-jährigen bejaht). Demnach hat B. - als urteilsfähige Minderjährige - nach Art. 19c Abs. 1 ZGB betreffend Namensänderung selber zu handeln. Es kann angenommen werden, dass sie ihre Mutter wirksam bevollmächtigt bzw. ihr Vorgehen genehmigt hat (vgl. BGE 112 IV 9 E. 1 S. 10; BGE 112 II 102 E. 2 S. 103).
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3.3.1 Gemäss aArt. 30 Abs. 1 ZGB, d.h. in der bis zum 31. Dezember 2012 massgebenden Fassung, konnte die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens nur bei Vorliegen von "wichtigen Gründen" bewilligen (vgl. dazu allgemein BGE 136 III 161 E. 3.1.1 S. 163). Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung (BGE 121 III 145; BGE 124 III 401) vermag die blosse Wiederherstellung der Namensidentität zwischen Kind und sorgeberechtigter Mutter eine Namensänderung nicht zu rechtfertigen. Nach dieser Praxis erwächst den Kindern aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr allein deshalb ein ernsthafter Nachteil, weil sie nicht den Namen der sozialen Familie tragen, welcher sie aufgrund besonderer Umstände angehören; dem Wunsch eines Kindes auf Namensänderung sind mögliche spätere Auswirkungen, welche sich aus dem Unsichtbarmachen der Herkunft bzw. der Beziehung zum leiblichen Vater ergeben könnten, gegenüberzustellen (BGE 124 III 401 E. 3b/aa S. 404).
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3.3.4 Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 30 Abs. 1 ZGB geht hervor, dass für die "achtenswerten Gründe" (im Unterschied zu den "wichtigen Gründen"; E. 3.3.1) zur Namensänderung des Kindes nicht mehr vorausgesetzt werden kann, dass sein Name zu konkreten und ernsthaften sozialen Nachteilen führt. Es ist nachvollziehbar, bereits das nachgewiesene Bedürfnis einer Übereinstimmung des Namens des Kindes mit demjenigen des Inhabers der elterlichen Sorge grundsätzlich als "achtenswerten Grund" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB zu betrachten; dies ändert nichts daran, dass eine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, da die Namensänderung eine weitere Trennung vom anderen Elternteil bewirken und das Kindesinteresse beinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinn MEIER/STETTLER, a.a.O., S. 452 Rz. 686).
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3.4.2 Ebenso wenig stellt der Beschwerdeführer in Frage, dass - wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat - die Rückkehr vom faktischen zum rechtlichen Namen die Persönlichkeitsrechte einer 13-jährigen erheblich berührt (vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 E. 3.3.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 673). Dass das Verwaltungsgericht keine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen habe, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er beschränkt sich auf Ausführungen zu Streitigkeiten betreffend die Ausübung des Besuchsrechts sowie zu Spannungen mit der Mutter sowie deren Eltern; die Vorbringen sind - soweit namensrechtlich überhaupt relevant - nicht zu erörtern, da sie im angefochtenen Entscheid keine Stütze in tatsächlicher Hinsicht finden; in der Beschwerdeschrift wird nicht dargelegt, inwiefern der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden sei (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 BGG).
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3.5 Nach dem Dargelegten gibt es keinen Anlass, in das Ermessen (Art. 4 ZGB) des kantonalen Gerichts einzugreifen, wenn es das Bedürfnis zur Übereinstimmung des Namens von B. mit demjenigen ihrer sorgeberechtigten Mutter als nachgewiesen und "achtenswert" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB beurteilt hat. Die Bewilligung zur Namensänderung ist mit Bundesrecht vereinbar.
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