3.2 Dem bundesrätlichen Entwurf zu Art. 439 ZGB, dem die geltende Fassung dieser Bestimmung wörtlich entspricht, lässt sich zur strittigen Frage nichts Schlüssiges entnehmen. Wenig aufschlussreich ist auch die Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] (BBl 2006 7072), ergibt sich doch daraus lediglich, nach Art. 439 Abs. 3 ZGB richte sich das Verfahren - wie im Fall einer Beschwerde gegen die Unterbringung durch die Erwachsenenschutzbehörde (Art. 428 Abs. 1 ZGB) - "sinngemäss" (franz. "par analogie"; ital. "per analogia") nach den Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (Art. 450 ff. ZGB). Die beiden Kammern stimmten dem Entwurf des Bundesrates ohne Diskussion zu (AB 2007 S 840; AB 2008 N 1536). Die Lehre vertritt mehrheitlich ausdrücklich die Auffassung, die Beschwerdeinstanz nach Art. 439 ZGB sei zur Einholung eines Gutachtens im Sinn von Art. 450e Abs. 3 ZGB verpflichtet (PHILIPPE MEIER, Droit de la protection de l'adulte, Art. 360-456 CC, 2016, S. 651 Rz. 1352; GEISER/ETZENSBERGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 48 zu Art. 439 ZGB; OLIVIER GUILLOD, in: Erwachsenenschutz, FamKomm, 2013, N. 39 zu Art. 439 ZGB). HERMANN SCHMID (Erwachsenenschutz, Kommentar zu Art. 360-456 ZGB, 2010, N. 18 zu Art. 439 ZGB) äussert sich zwar nicht ausdrücklich zur Notwendigkeit des Gutachtens; seiner Ansicht nach gelangen aber die besonderen Bestimmungen bei fürsorgerischer Unterbringung (Art. 450 ff. ZGB) zur Anwendung, womit namentlich Art. 450e ZGB zum Tragen kommt. Angesichts des Wortlautes von Art. 439 Abs. 3 ZGB und der zitierten Lehrmeinungen besteht kein Grund, im Fall der Beschwerde gegen eine ärztliche Einweisung einen weniger strengen Massstab anzulegen und kein Gutachten im Sinn von Art. 450e Abs. 3 ZGB zu verlangen. Insbesondere lässt sich der Verzicht auf ein Gutachten nicht mit dem Hinweis auf den gesetzlichen Begriff "sinngemäss" ("par analogie"; "per analogia") begründen: Dieser besagt einzig, dass die Verfahrensbestimmungen vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (Art. 450-450e ZGB) ebenso bei der Anrufung des Gerichts (Marginalie zu Art. 439 ZGB) durch den Betroffenen zur Anwendung gelangen. Mithin werden die für ein bestimmtes Verfahren vorgesehenen Normen auf ein anderes Verfahren angewendet. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die ärztliche Einweisung lediglich auf maximal sechs Wochen befristet ist (Art. 429 ZGB) und nach
Ablauf der kantonal bestimmten, sechs Wochen nicht überschreitenden Maximalfrist ohne Weiteres dahinfällt, wenn die KESB keine Fortführung der Massnahme verfügt. Das ändert aber nichts daran, dass es sich auch bei dieser zeitlich befristeten Massnahme um einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen (Art. 10 Abs. 2 BV) handelt, der diese strenge Anforderung rechtfertigt.