BGE 144 III 285 |
33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. Inc. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_576/2017 vom 11. Juni 2018 |
Regeste |
Art. 140b PatG; Voraussetzungen für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats. |
Auswirkung der Rechtsprechungsänderung auf ein bereits formell rechtskräftig erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat (E. 3). |
Sachverhalt |
A.a Die A. AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) bezweckt unter anderem den Vertrieb und die Herstellung von Arzneimitteln und chemischen Produkten.
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A.b Die B. Inc. (Patentinhaberin, Beklagte, Beschwerdegegnerin) (...) ist Inhaberin des Europäischen Patents EP x. Die Swissmedic erteilte am 21. März 2006 die Genehmigung für ein Heilmittel. Darauf basierend wurde der Patentinhaberin am 29. August 2008 das ergänzende Schutzzertifikat (ESZ) Nr. y "Tenofovir Disoproxilfumarat + Emtricitabin" erteilt.
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A.c Mit Eingabe vom 3. Januar 2017 stellte die Klägerin dem Bundespatentgericht den Antrag, das schweizerische ESZ der Beklagten sei ungültig zu erklären. Die Klägerin machte geltend, es sei die schweizerische Praxis zur Auslegung der Art. 140a ff. PatG aufzugeben und an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) anzupassen. Nach dessen sog. Medeva-Praxis sei das ESZ der Beklagten ungültig.
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A.d Das Bundespatentgericht wies die Klage mit Urteil vom 3. Oktober 2017 ab. Das Gericht kam zum Schluss, dass das ESZ der Beklagten nach dem sog. Verletzungstest (BGE 124 III 375) gültig sei. Für eine Änderung der Rechtsprechung besteht nach dem Urteil kein Anlass, da die Praxis des EuGH nicht klar sei, sondern der EuGH-Entscheid Medeva zu weiteren Vorlagen nationaler Gerichte geführt habe, welche ihrerseits keine Klärung der Kriterien gebracht hätten, nach denen im Sinne von Art. 3(a) der massgebenden EU-Verordnung zu beurteilen sei, ob "das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist" ("the product is protected by a basic patent in force").
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B.a Mit Beschwerde in Zivilsachen stellt die Klägerin die Rechtsbegehren, (1) das Urteil des Bundespatentgerichts vom 3. Oktober 2017 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das ergänzende Schutzzertifkat Nr. y "Tenofovir Disoproxilfumarat + Emtricitabin" nichtig sei, (2) eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Auflage, im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen einen neuen Entscheid zu fällen. Sie rügt, die Vorinstanz habe Art. 140b Abs. 1 PatG bundesrechtswidrig ausgelegt.
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B.b Die Beschwerdegegnerin schliesst in der Antwort auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin vertritt den Standpunkt, eine Praxisänderung sei nicht angezeigt, aber für den vorliegenden Fall würde sich am Ergebnis nichts ändern, da das umstrittene Schutzzertifikat jedenfalls gültig erteilt worden sei und daher kein Nichtigkeitsgrund vorliege; ausserdem sei selbst bei Anwendung der Praxis des EuGH das ESZ für Tenofovir-Disoproxilfumarat mit Emtricitabin gültig, da diese Kombination dem Fachmann gemäss Art. 69 EPÜ durch das Basis-Patent offenbart werde. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
2.1 Mit dem ergänzenden Schutzzertifikat soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass bei Arzneimitteln das zeitaufwändigebehördliche Zulassungsverfahren die Markteinführung verzögert und damit die verbleibende Schutzdauer des Patents verkürzt wird (BGE 124 III 375 E. 1 S. 376 mit Hinweisen, vgl. auch KILIAN SCHÄRLI, Das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel, 2013, Rz. 11 S. 5; CHRISTOPH GASSER, Das ergänzende Schutzzertifikat, in: Patentrecht und Know-how, unter Einschluss von Gentechnik, Software und Sortenschutz, SIWR Bd. IV, 2006, S. 683). Das Zertifikat wird im Anschluss an die erste Heilmittel-Zulassung für eine Dauer von maximal fünf Jahren erteilt; diese wird so berechnet, dass die effektive Schutzdauer für ein zugelassenes Heilmittel maximal 15 Jahre betragen kann, wobei der besondere "SPC"-Schutz mit Ablauf des Grundpatents beginnt (vgl. dazu CHRISTOPH BERTSCHINGER, Quasi-Verlängerung des Patentschutzes: Ergänzende Schutzzertifikate, in: Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. VI, 2002, Rz. 10.9 S. 342, Rz. 10.21 S. 348; SCHÄRLI, a.a.O., Rz. 47 ff. S. 18).
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2.1.2 Nach der ursprünglichen Praxis des EuGH zu Art. 3 der europäischen SPC-Verordnung wurde der nationalen Rechtsprechung überlassen zu entscheiden, welche Anforderungen erfüllt sein mussten, damit ein Erzeugnis "durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt" ist (vgl. SCHÄRLI/HOLZER, Ergänzende Schutzzertifikate für Wirkstoffkombinationen?, sic! 2012 S. 289). Danach bildeten sich unterschiedliche Rechtsprechungslinien aus. Während in einigen Ländern - ebenso wie in der Schweiz - ein Erzeugnis dann von einem Grundpatent als geschützt galt, wenn es in dessen Schutzbereich fällt ("Verletzungstheorie"), verlangte die Rechtsprechung in anderen EU-Mitgliedstaaten (im Sinne der "Offenbarungstheorie"), dass das Erzeugnis in den Ansprüchen des Grundpatents genannt sein muss (vgl. SCHÄRLI, a.a.O., Rz. 203, 205).
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2.2 Eine Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich regelmässig nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht; andernfalls ist die bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich deshalb auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Interesse der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt worden ist (BGE 143 IV 9 E. 2.4; BGE 138 III 359 E. 6.1; BGE 136 III 6 E. 3; BGE 135 I 79 E. 3 S. 82; BGE 144 III 235 E. 2.3.1).
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2.2.2 Das Institut des ergänzenden Schutzzertifikats ist aus dem Recht der Europäischen Union übernommen worden. In der Botschaft des Bundesrates vom 18. August 1993 zu einer Änderung des PatG (BBl 1993 III 706) wird ausdrücklich auf Art. 3 der Verordnung Bezug genommen, wonach das Erzeugnis im Zeitpunkt der Anmeldung zum Zertifikat durch ein in Kraft stehendes Patent geschützt sein und eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel vorliegen muss (BBl 1993 III 711 Ziff. 111.2). Der Bundesrat schlug vor, die Regelung der EU (damals EG) materiell zu übernehmen und begründete dies zunächst mit dem allgemeinen Bestreben, das schweizerische Recht mit dem europäischen möglichst kompatibel auszugestalten, fügte aber auch besonders an, die europäische Lösung sei durchdacht, so dass erwartet werden dürfe, dass sie sich bewähre; ausserdem werde die EU-Verordnung im Rahmen des EWR für Liechtenstein gelten (BBl 1993 III 712 f. Ziff. 112.21). Das Bestreben, die schweizerische Regelung dem Recht der EU-Nachbarstaaten wenn möglich anzugleichen, wird bei der Auslegung der entsprechenden Gesetzesnormen nach konstanter Praxis des Bundesgerichts namentlich im Rahmen der teleologischen und historischen Interpretation berücksichtigt (vgl. BGE 137 II 199 E. 4.3.1 S. 209; BGE 130 III 182 E. 5.5.1 S. 190; BGE 129 III 335 E. 5.1 S. 341 und E. 6 S. 350 mit Verweisen). Zu prüfen ist, ob die nunmehr gefestigte Rechtsprechung des EuGH, die sich namentlich in Bezug auf den ESZ-Schutz für Kombinationspräparate unterscheidet, eine Praxisänderung rechtfertigt.
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2.2.4 In der Schweiz ist zur Kenntnis genommen worden, dass sich die Rechtsprechung zur Auslegung der parallelen Normen durch den EuGH einerseits und durch das Bundesgericht anderseits abweichend entwickelt haben. Es sind daher namentlich vom IGE Bestrebungen für eine Änderung der Erteilungspraxis im Sinne der "Medeva"- Rechtsprechung in die Wege geleitet worden. Als Ergebnis eines Konsultationsverfahrens wurden in einem Schreiben des IGE vom 13. Januar 2017 Grundsätze im Blick auf eine Änderung der entsprechenden Erteilungs-Richtlinie (13.2.1) festgehalten; die beteiligten Kreise haben diesem Vorschlag im Wesentlichen zugestimmt in der Meinung, dass mit der beabsichtigten neuen Richtlinie die Kriterien der "Medeva"-Rechtsprechung des EuGH so umgesetzt werden können, dass hinreichende Rechtssicherheit und Konsistenz geschaffen werden. Dass die interessierten Kreise eine Anpassung der schweizerischen Praxis an die Rechtsprechung des EuGH befürworten, kann als gewichtiges Indiz für die Überzeugung betrachtet werden, dass diese EuGH-Praxis auch für die schweizerische Rechtspraxis übernommen werden sollte, um die vom Gesetzgeber angestrebte Übereinstimmung der Regelung im Bereich der ergänzenden Schutzzertifikate zu gewährleisten.
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2.2.5 Die Auslegung der Schutzvoraussetzung des Art. 140b Abs. 1 lit. a PatG "durch ein Patent geschützt" in BGE 124 III 375 weicht konzeptionell ab von der Auslegung des Art. 3 der massgebenden EU-Verordnung "durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt" durch den EuGH. Auf der Grundlage der sog. Verletzungstheorie im Unterschied zur sog. Offenbarungstheorie werden nicht nur einzelne Streitfälle unterschiedlich beurteilt. Dies wäre die unabdingbare Folge davon, dass die schweizerischen Gerichte zur Vorlage von Rechtsfragen und zur Befolgung der Rechtsprechung des EuGH nicht verpflichtet sind. Es handelt sich vielmehr um ein grundsätzlich unterschiedliches Verständnis der Erteilungs-Voraussetzung "durch ein - in Kraft befindliches - (Grund-)Patent geschützt", weshalb eine parallele Weiterentwicklung der Rechtspraxis zu den ergänzenden Schutzzertifikaten grundsätzlich als nicht mehr möglich erscheint. Das vom schweizerischen Gesetzgeber angestrebte Ziel, das Schutzniveau für das Institut der ergänzenden Schutzzertifikate mit demjenigen im benachbarten Ausland in Einklang zu bringen, wird damit verfehlt. Da die EuGH-Praxis nun im Grundsatz gefestigt erscheint, bestehen daher ernsthafte Gründe für die Änderung der schweizerischen Rechtsprechung im Sinne einer Anpassung an die Konzeption des EuGH. Die von der bisherigen schweizerischen Praxis verschiedene Beurteilung des Schutzes namentlich in Bezug auf Kombinationspräparate ist von den interessierten Kreisen zutreffend als rechtssicher und kohärent umsetzbar erachtet worden. Dass die Rechtsprechung des EuGH nicht in allen Details klar ist, wie die Vorinstanz darlegt, ändert nichts daran, dass eine Änderung der Praxis im Sinne einer Anpassung an die europäische Konzeption der sog. Offenbarungstheorie geboten erscheint.
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Beide Fragen werden von den Parteien im vorliegenden Verfahren kontrovers behandelt. Während die erste Frage spezifisch patentrechtliche Probleme aufwirft, handelt es sich bei der zweiten Frage um ein allgemeines rechtliches Problem. Da sich beide Parteien dazu ausführlich geäussert haben, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen zu beurteilen, wie sich die erfolgte Änderung der Rechtsprechung auf bereits rechtskräftig erteilte Schutzzertifikate auswirkt, mithin ob das ergänzende Schutzzertifikat y ("Tenofovir Disoproxilfumarat + Emtricitabin") gültig bleibt auch für den - nicht abschliessend beurteilten - Fall, dass die Erteilungsvoraussetzungen nach der Offenbarungstheorie nicht erfüllt wären. Das ESZ Nr. y wurde der Beschwerdegegnerin auf deren Gesuch vom 13. September 2006 gestützt auf EP x sowie gestützt auf die Swissmedic-Genehmigung (vom 21. März 2006) am 29. August 2008 mit Schutzdauerbeginn ab 25. Juli 2017 erteilt.
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Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, das ESZ sei nichtig, weil die Voraussetzungen zur Erteilung nie erfüllt gewesen seien (Art. 140k Abs. 1 lit. a PatG). Sie vertritt namentlich die Ansicht, es habe stets die Voraussetzung von Art. 140b Abs. 1 lit. a PatG gefehlt, wonach ein Zertifikat erteilt wird, "wenn im Zeitpunkt des Gesuchs (a) das Erzeugnis als solches, ein Verfahren zu seiner Herstellung oder eine Verwendung durch ein Patent geschützt ist".
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3.2 Der Ansicht kann nicht gefolgt werden, wonach die Voraussetzungen zur Erteilung des Schutzzertifikats nie erfüllt waren, wenn diese nach geänderter Rechtsprechung zur Interpretation von Art. 140b PatG nicht mehr gegeben sein sollten. Denn die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht, dass die umstrittene Voraussetzung, wonach das Erzeugnis "durch ein Patent geschützt" sein muss, im Sinne der Rechtspraxis im Zeitpunkt der Erteilung gegeben war. Das ergänzende Schutzzertifikat ist nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung nicht im Sinne von Art. 140k entgegen Art. 140b PatG erteilt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Erteilung nach der damals massgebenden Auslegung von Art. 140b Abs. 1 lit. a PatG und der entsprechenden Erteilungspraxis für ergänzende Schutzzertifikate erfüllt waren. Der Beschwerdegegnerin ist das ergänzende Schutzzertifikat für das umstrittene Erzeugnis mit formell rechtskräftiger Verfügung erteilt worden. Es ist ihr nicht entgegen Art. 140b PatG erteilt worden und der Nichtigkeitsgrund nach Art. 140k PatG liegt insofern nicht vor. Es ist vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob die Änderung der Rechtsprechung den Widerruf der die Beschwerdegegnerin begünstigenden Verfügung rechtfertigt, mit der ihr das umstrittene Zertifikat erteilt wurde.
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Wäre nach Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats eine Gesetzesänderung eingetreten, so könnte das Zertifikat dem Berechtigten grundsätzlich (unter Vorbehalt von Art. 2 SchlT ZGB) auch dann nicht entzogen werden, wenn eine Erteilung nach neuem Recht nicht mehr möglich wäre. Denn mit der Erteilung des Zertifkats wird dem Patentinhaber im Wesentlichen das Recht verliehen, anderen die gewerbsmässige Nutzung des Erzeugnisses für alle Verwendungen als Arzneimittel zu verbieten, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt werden (Art. 140d i.V.m. Art. 8 PatG). Dieser rechtlich geschützte Anspruch kann grundsätzlich wegen einer Gesetzesänderung über die Erteilungsvoraussetzungen nicht entzogen werden (vgl. für das verfassungsrechtliche Verbot der Rückwirkung auch BGE 138 I 189 E. 3.4 S. 193 f. mit Verweisen; BGE 144 I 81 E. 4.1 S. 86).
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3.4 Aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung können formell rechtskräftige Verwaltungsentscheide grundsätzlich nicht in Wiederwägung gezogen oder revidiert werden. Dies hat das Bundesgericht namentlich für Verfügungen über Renten- bzw. Dauerleistungen der Sozialversicherung entschieden (BGE 141 V 585 E. 5.2; BGE 135 V 201 E. 6.1.1 S. 205, BGE 135 V 215 E. 5.1.1; BGE 129 V 200 E. 1.2 S. 202; BGE 121 V 157 E. 4a S. 162; BGE 120 V 128 E. 3c S. 132; BGE 119 V 410 E. 3b S. 413; BGE 115 V 308 E. 4a/dd S. 314). Danach kann eine Praxisänderung ausnahmsweise nur dann zur Abänderung einer rechtskräftigen Verfügung (mit Wirkung für die Zukunft) führen, wenn die neue Praxis in einem solchen Masse allgemeine Verbreitung erfährt, dass ihre Nichtbefolgung als Verstoss gegen das Gleichheitsgebot erschiene, insbesondere wenn die alte Praxis nur in Bezug auf eine einzige versicherte Person oder eine geringe Zahl von Versicherten beibehalten würde, so dass ihre Nichtbeachtung in einem einzelnen Fall als stossende Privilegierung und Verletzung des Gleichbehandlungsgebots erschiene (BGE 135 V 201 E. 6.1.1 S. 205 f., BGE 135 V 215 E. 5.1.1 S. 219 f.; je mit Verweisen).
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3.6 Mit dem ergänzenden Schutzzertifikat wurde der Beschwerdegegnerin ein subjektives Recht verliehen, das ihr erlaubt, anderen die gewerbsmässige Nutzung des Erzeugnisses für alle Verwendungen als Arzneimittel zu verbieten, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt werden (Art. 140d i.V.m. Art. 8 PatG). Dieses Recht wurde ihr in einem Verfahren verliehen, in dessen Rahmen die Voraussetzungen der Erteilung umfassend geprüft wurden. Auch wenn die Rechtswirkungen des mit der Verfügung vom 29. August 2008 verliehenen Schutzzertifikats erst mit Ablauf des Patentschutzes des Grundpatents am 25. Juli 2017 beginnen, ist damit das Interesse der Beschwerdegegnerin am Schutz ihrer erworbenen Vertrauensposition sehr gewichtig. Demgegenüber ist ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse an der rückwirkenden Anwendung der Rechtsprechungsänderung auf bereits erteilte ESZ nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an einer Gleichbehandlung aller Rechtsunterworfenen, das im Bereich der Sozialversicherung erheblich erscheint, besteht hier kaum. Denn abgesehen davon, dass die Anzahl angemeldeter und erteilter Zertifikate - trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung - eher gering ist (vgl. SCHÄRLI, a.a.O., Rz. 18 f. S. 7 für die Jahre 1995 bis 2011), bezweckt die Erteilung eines ESZ gerade die Privilegierung des Inhabers, indem es ihm ein Ausschliesslichkeitsrecht für die Vermarktung des Erzeugnisses verleiht. Wenn mit einer Rechtsprechungsänderung wie hier die Voraussetzungen für die Erteilung in gewissen Fällen eingeschränkt werden, so werden damit zwar die Interessen der anderen Marktteilnehmer höher gewichtet und wird die Abwägung der Interessen - auch öffentlicher Interessen an der Gesundheitsversorgung - abweichend vorgenommen. Diese geänderte Bewertung und Abwägung der beteiligten Interessen rechtfertigt indes den Entzug erworbener Rechtspositionen nicht.
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3.7 Der Beschwerdegegnerin wurde das ergänzende Schutzzertifikat am 29. August 2008 formell rechtskräftig erteilt. Es könnte ihr auch dann nicht entzogen werden, wenn die Voraussetzung der Erteilung "durch ein Patent geschützt" im Sinne von Art. 140b PatG nach nunmehr geänderter Praxis nicht mehr gegeben sein sollte. Dies führt im Ergebnis zur Abweisung der Beschwerde.
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