BGE 144 III 404 |
48. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_593/2017 vom 20. August 2018 |
Regeste |
Frist zur Ablehnung des Urteilsvorschlags der Schlichtungsbehörde (Art. 211 Abs. 1 ZPO); Stillstand der Fristen (Art. 145 ZPO). |
Sachverhalt |
Die Friedensrichterin des Friedensrichteramts Kreis I des Kantons Aargau bescheinigte mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung vom 23. Juli 2017, dass im Verfahren zwischen B. (Klägerin, Beschwerdegegnerin) und A. (Beklagte, Beschwerdeführerin) betreffend eine Forderung über Fr. 3'837.50 nebst Zins gegen den Urteilsvorschlag vom 23. Juni 2017 (im Wesentlichen: Gutheissung der Klage im Umfang von Fr. 3'475.- nebst Zins sowie Beseitigung des Rechtsvorschlages in diesem Umfang) innert Frist keine Ablehnung eingereicht worden sei. Der Urteilsvorschlag gelte als angenommen und habe die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (Art. 211 Abs. 1 ZPO). Im Urteilsvorschlag vom 23. Juni 2017 war darauf hingewiesen worden, dieser gelte als angenommen, wenn ihn keine Partei innert 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung ablehne. Diese Frist eidgenössischen Rechts stehe während der Gerichtsferien nicht still. Gegen diese Vollstreckbarkeitsbescheinigung erhob die Beklagte am 22. August 2017 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Dieses trat auf die Beschwerde nicht ein. In einer Eventualbegründung behandelte es die Beschwerde materiell. Es erkannte, das Schlichtungsverfahren ende erst nach unbenutztem Ablauf der Ablehnungsfrist, weshalb nach Art. 145 Abs. 2 lit. a ZPO für die Ablehnung kein Fristenstillstand gelte. Da keine fristgerechte Ablehnung erfolgt sei, erachtete das Obergericht die Beschwerde für unbegründet.
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Das Bundesgericht heisst die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde gut, stellt fest, dass der Urteilsvorschlag vom 23. Juni 2017 fristgerecht abgelehnt wurde und daher weder in Rechtskraft erwachsen noch vollstreckbar ist, und weist das Friedensrichteramt an, der Beschwerdegegnerin die Klagebewilligung auszustellen.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: |
4.1 In BGE 138 III 615 hat sich das Bundesgericht bezüglich Art. 209 Abs. 3 und 4 ZPO zur Tragweite des Ausschlusses des Fristenstillstandes für das Schlichtungsverfahren geäussert, und die Tragweite von Art. 145 Abs. 2 lit. a ZPO gestützt auf den Wortlaut grundsätzlich auf die Art. 202-207 ZPO des 2. Kapitels beschränkt, das diesen Titel trägt (BGE 138 III 615 E. 2.3 S. 618 und 620). Zwar weist das Bundesgericht darauf hin, die Fristen nach Art. 209 ZPO begännen in einem Moment zu laufen, in dem das Schlichtungsverfahren nicht mehr im Gang sei (BGE 138 III 615 E. 2.3 S. 618), was für die Ablehnungsfrist so nicht zutrifft. Die Regelung betreffend den Fristenstillstand muss aber für den Rechtssuchenden einfach und klar nachvollziehbar sein. Es ist daher angebracht, an dieser klaren Abgrenzung festzuhalten (FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario pratico al Codice di diritto processuale civile svizzero, Francesco Trezzini und andere [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2017, N. 2 zu Art. 211 ZPO), auch wenn das Schlichtungsverfahren während der Ablehnungsfrist noch andauert.
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4.2 Zu bedenken ist, dass die andere Lösung kaum einen wesentlichen Zeitgewinn bringen würde. Mit der Verkürzung der Ablehnungsfrist, wenn kein Stillstand angenommen würde, könnte zwar die Klagebewilligung früher ausgestellt werden, aber die dadurch früher ausgelösten Fristen würden dafür in der Regel selbst stillstehen (BGE 138 III 615), so dass im Wesentlichen nur die Bedenkzeit für die ablehnende Partei verkürzt würde. Daran besteht kein überwiegendes Interesse, da sich die Partei in Ruhe überlegen können soll, ob sie den Urteilsvorschlag ablehnen oder annehmen will. Zudem handelt es sich bei der Ablehnungsfrist nicht um eine von der Schlichtungsbehörde angesetzte. Die Verfahrensleitung der Behörde ist mit dem Urteilsvorschlag im Wesentlichen beendet. Sie hat, wenn fristgerecht eine Ablehnung erfolgt, ohne Weiteres die Klagebewilligung auszustellen. Erfolgt unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes keine fristgerechte Ablehnung, findet das Verfahren im Urteilsvorschlag seinen Abschluss. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint ein Ausschluss des Fristenstillstandes (Art. 145 Abs. 2 lit. a ZPO) nicht als geboten.
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