BGE 145 III 109
 
16. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
5A_841/2017 vom 18. Dezember 2018
 
Regeste
Art. 64 Abs. 1bis IPRG; internationale Zuständigkeit für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge; zeitlicher Anwendungsbereich des neuen Rechts.
 
Sachverhalt
A. Mit Urteil vom 19. Januar 2015 schied das Tribunal de Grande Instance de Mulhouse die Ehe von A.A. und B.A., beide französische Staatsangehörige und in Frankreich wohnhaft. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.
B. Mit Eingabe vom 2. Juni 2015 gelangte A.A. an das Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost. Sie beantragte eine Ergänzung des französischen Scheidungsurteils dahingehend, dass unter Anerkennung des Urteils vom 19. Januar 2015 die von B.A. während der Ehe bei seiner Pensionskasse in der Schweiz geäuffneten Austrittsleistungen aus dessen Arbeitstätigkeit in der Schweiz zu teilen seien. Das Zivilkreisgericht wies die Klage mit Urteil vom 10. Januar 2017 ab. Die von A.A. dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Urteil vom 5. September 2017 ebenfalls ab.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 23. Oktober 2017 gelangt A.A. (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie beantragt wie schon vor den Vorinstanzen, die von B.A. (Beschwerdegegner) während der Ehe bei seiner Pensionskasse geäuffneten Austrittsleistungen gemäss Art. 122 ZGB seien - unter Anerkennung des Scheidungsurteils des Tribunal de Grande Instance de Mulhouse vom 19. Januar 2015 - zu teilen und die Pensionskasse des Beschwerdegegners sei anzuweisen, den nach Art. 22 Abs. 2 FZG errechneten Differenzbetrag an die von der Beschwerdeführerin bezeichnete Freizügigkeitseinrichtung zu überweisen.
Das Bundesgericht weist die Klage in der Sache ab.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
 
4.
4.1 Die Beschwerdeführerin verlangte, es seien unter Anerkennung des Scheidungsurteils des Tribunal de Grande Instance de Mulhouse vom 19. Januar 2015 (vgl. Sachverhalt) die Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge des Beschwerdegegners zu teilen und dessen Pensionskasse anzuweisen, ihr den Differenzbetrag nach Art. 22 Abs. 2 FZG (SR 831.42) an eine noch zu bezeichnende Freizügigkeitseinrichtung zu überweisen. Die Vorinstanz handelte dies einzig unter dem Titel ab, ob das französische Urteil lückenhaft sei. Sie kam zum Schluss, dass eine Ergänzung nicht gerechtfertigt ist (zur Begründung siehe die nicht publ. E. 6.1).
Am 1. Januar 2017 sind die vom Parlament am 19. Juni 2015 verabschiedeten neuen Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs über den Vorsorgeausgleich bei Scheidung in Kraft getreten (AS 2016 2313; vgl. auch Botschaft vom 29. Mai 2013 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Vorsorgeausgleich bei Scheidung], BBl 2013 4887 [nachfolgend: Botschaft Vorsorgeausgleich]). Zusammen mit dem Zivilgesetzbuch hat der Gesetzgeber die für den Vorsorgeausgleich einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das internationale Privatrecht (IPRG; SR 291) revidiert.
Für Klagen oder Begehren, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in erster Instanz hängig sind, bestimmt sich das anwendbare Recht nach diesem Gesetz (Art. 198 IPRG). Für Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheide, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, richten sich die Voraussetzungen der Anerkennung oder Vollstreckung nach diesem Gesetz (Art. 199 IPRG).
Aufgrund der ausschliesslichen und zwingenden Zuständigkeit schweizerischer Gerichte gemäss Art. 64 Abs. 1bis IPRG können im Ausland ergangene Urteile über den Ausgleich schweizerischer Vorsorgeansprüche nicht mehr anerkannt werden (indirekte Zuständigkeit; vgl. Botschaft Vorsorgeausgleich, BBl 2013 4887, 4927 zu Art. 63 Abs. 1bis und 4930 zu Art. 64 Abs. 1bis ; vgl. auch CORINNE WIDMER LÜCHINGER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. Aufl. 2018, N. 4 zu Art. 64 IPRG; GIAN PAOLO ROMANO, Aspects de droit international privé de la réforme de la prévoyance professionelle, FamPra.ch 2017 S. 57 ff., 67 und 74 f.; JUNGO/GRÜTTER, in: Scheidung, Bd. I: ZGB, 3. Aufl. 2017, N. 47 f. zu Vorbemerkungen zu Art. 122-124e ZGB; THOMAS GEISER, Scheidung und das Recht der beruflichen Vorsorge, AJP 2015 S. 1371, 1385). Das ausländische Scheidungsurteil ist in Bezug auf den Vorsorgeausgleich immer lückenhaft, unabhängig davon, ob die schweizerischen Vorsorgeguthaben vom Scheidungsgericht berücksichtigt wurden oder nicht (WIDMER LÜCHINGER, a.a.O., N. 12 f. zu Art. 64 IPRG; JAMETTI/WEBER, in: Scheidung, Bd. II: Anhänge, 3. Aufl. 2017, N. 87 zu Anhang IPR).
4.4 Dem IPRG lässt sich im Zusammenhang mit den neuen Zuständigkeitsvorschriften weder eine Übergangsfrist noch eine Ausnahme zugunsten bereits vor Inkrafttreten der Revision ergangener und rechtskräftiger Entscheide entnehmen. Die Anwendung von Art. 64 Abs. 1bis IPRG ohne entsprechende Übergangslösung würde bedeuten, dass eine Anerkennung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die ausländische Entscheidung im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1. Januar 2017 bereits rechtskräftig war (WIDMER LÜCHINGER, a.a.O., N. 4 zu Art. 64 IPRG; in diesem Sinne wohl auch JAMETTI/WEBER, a.a.O., N. 89 zu Anhang IPR; a.A. BASILE CARDINAUX, Le partage des prétentions de prévoyance en cas de "divorce international", in: Symposium en droit de la famille, Patrimoine de la famille, 2017, S. 107, der unter Hinweis auf Art. 1 SchlT ZGB vorschlägt, ein Urteil, welches sich über die berufliche Vorsorge ausspricht, könne nur dann nicht mehr anerkannt werden, wenn es bei Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei). Die meisten Autoren äussern sich, soweit ersichtlich, nicht explizit zur hier diskutierten Frage.
4.5.1 Im Zeitpunkt der Urteilsfällung war im zu beurteilenden Fall der französische Scheidungsrichter zuständig, im Rahmen der Scheidung auch über den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen der Ehegatten bei schweizerischen Einrichtungen zu befinden, zumal keine der Parteien in der Schweiz Wohnsitz hatte und auch keine über die schweizerische Staatsbürgerschaft verfügt (Art. 59 und Art. 60 IPRG in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; siehe einen Anwendungsfall in Urteil 5A_874/2012 vom 19. März 2013 E. 2 und 4, in: FamPra.ch 2013 S. 752). Die Teilung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge unterstand dabei grundsätzlich dem Scheidungsstatut, d.h. dem auf die Scheidung anwendbaren Recht (vorliegend französisches Recht; vgl. aArt. 63 IPRG; BGE 134 III 661 E. 3.1 S. 663). Vorbehalten blieben Ausnahmefälle nach Art. 15 IPRG, in denen das Vorsorgestatut, d.h. schweizerisches Recht zur Anwendung kam (BGE 131 III 289 E. 2.7 S. 293), was vorliegend indes gerade nicht gegeben ist, worauf später zurückgekommen wird. Wurde die nach ausländischem Recht an die Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemanns gemäss schweizerischem Recht festgesetzt, war das Scheidungsurteil diesbezüglich nicht unvollständig und bedurfte keiner Ergänzung (BGE 134 III 661 E. 3.3 S. 664). Auch die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils, das der Ehefrau weniger als die Hälfte der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemanns zusprach, war möglich (da dies mit dem schweizerischen materiellen Ordre public nicht offensichtlich unvereinbar ist; vgl. BGE 134 III 661 E. 4.2 S. 666 und E. 5.5 hinten).
 
Erwägung 5
5.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen (BGE 144 III 29 E. 4.4.1 S. 34 f.; BGE 140 I 305 E. 6.1 S. 310 f.; BGE 121 III 219 E. 1 d/aa; je mit weiteren Hinweisen). Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen (BGE 144 III 29 E. 4.4.1 S. 34 f.; BGE 143 I 109 E. 6 S. 118; BGE 140 V 8 E. 2.2.1 S. 11 mit Hinweisen).
Eine Gesetzesinterpretation lege artis kann ergeben, dass ein (scheinbar) klarer Wortlaut zu weit gefasst und auf einen an sich davon erfassten Sachverhalt nicht anzuwenden ist (teleologische Reduktion, vgl. BGE 143 II 268 E. 4.3.1 S. 273 f.; BGE 141 V 191 E. 3 S. 194 f.; BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311; BGE 131 V 242 E. 5.2 S. 247). Dabei handelt es sich nach zeitgemässem Methodenverständnis um einen zulässigen Akt richterlicher Rechtsschöpfung und nicht um einen unzulässigen Eingriff in die rechtspolitische Kompetenz des Gesetzgebers (EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, Berner Kommentar, 2012, N. 378 zu Art. 1 ZGB; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/JUNGO, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl. 2015, § 5 N. 35; BGE 131 III 61 E. 2.2 S. 65; BGE 128 I 34 E. 3b S. 41; BGE 121 III 219 E. 1d S. 224 ff.; je mit weiteren Hinweisen).
5.2 Die Materialien geben darüber Aufschluss, dass der Vorentwurf vom Dezember 2009 noch keine ausschliessliche Zuständigkeit vorsah. Damals wurde vorgeschlagen, lediglich Art. 61 IPRG zu ändern (vorgeschlagener Wortlaut: "Scheidung und Trennung unterstehen schweizerischem Recht.") und einen neuen Art. 64 Abs. 1bis einzufügen (vorgeschlagener Wortlaut: "Ist kein Gericht nach Absatz 1 zuständig, so sind für Klagen auf Ergänzung oder Abänderung von Entscheidungen über die Teilung der Ansprüche gegenüber einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge die schweizerischen Gerichte am Sitz dieser Einrichtung zuständig. Eine Ergänzung ist zulässig,soweit die ausländische Entscheidung ein Vorsorgeguthaben nicht berücksichtigt hat."). In der Botschaft wird nicht begründet, weshalb der Botschaftsentwurf vom Vorentwurf abweicht.
Zur Zielsetzung der schliesslich eingeführten Neuerungen hält die Botschaft fest, dass der Vorsorgeausgleich und die Scheidung selbst "künftig" ausschliesslich dem schweizerischen Recht unterstehen sollen (Botschaft Vorsorgeausgleich, BBl 2013 4887, 4902 Ziff. 1.5.4). Weiter lässt sich der Botschaft entnehmen, dass der Gesetzgeber einen Schlussstrich ziehen wollte unter die Debatte, unter welchen Voraussetzungen ausländische Urteile betreffend Ansprüche gegen eine schweizerische Vorsorgeeinrichtung zu ergänzen sind (vgl. Botschaft Vorsorgeausgleich, BBl 2013 4887, 4930 zu Art. 64 Abs. 1bis : "Dadurch, dass neu ausländische Entscheidungen über den Ausgleich schweizerischer Vorsorgeguthaben nicht mehr anerkannt werden, erübrigt sich die in der Praxis häufige Frage, ob eine ausländische Entscheidung in Bezug auf solche Guthaben unvollständig und deshalb ergänzungsbedürftig sei.").
Zu einer allfälligen Rückwirkung auf bereits vor Inkrafttreten der Revision gefällte Urteile äussert sich die Botschaft nicht. Das Wort "künftig" (siehe vorstehend zur Botschaft Vorsorgeausgleich, BBl 2013 4887, 4902 Ziff. 1.5.4) kann immerhin als Indiz gelten, welches für eine in die Zukunft gerichtete, nicht aber rückwirkende Anwendung spricht.
5.3 In den parlamentarischen Beratungen im Ständerat als Erstrat wurde der bundesrätliche Vorschlag zu den Art. 61-64 IPRG nur knapp angenommen (22:21), wobei die vorberatende Kommission diesbezüglich die Ablehnung beantragt und einen Gegenvorschlag unterbreitet hatte. Dieser sah in einem neu vorgeschlagenen Art. 65 Abs. 3 und 4 IPRG die Anerkennbarkeit ausländischer Entscheidungen über den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge unter gewissen Voraussetzungen vor. Für den Fall, dass eine anerkennbare Entscheidung den Grundsätzen des schweizerischen Rechts über den Vorsorgeausgleich nicht entsprochen hätte, sah der Gegenvorschlag die Möglichkeit einer Abänderungsklage innert eines Jahres nach Rechtskraft dieser Entscheidung vor (vgl. Amtliches Bulletin, Sitzung des Ständerats vom 12. Juni 2014 [13.049], AB 2014 S 527 ff.). Eine Debatte über die Frage der Rückwirkung des schliesslich angenommenen bundesrätlichen Vorschlags fand nicht statt.
Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang immerhin die Stellungnahme von Bundesrätin Sommaruga in der Sitzung des Ständerats vom 12. Juni 2014 (AB 2014 S 528). Die Vorlage, welche diskutiert werde, biete eine differenzierte und faire Lösung für den Vorsorgeausgleich. Der Bundesrat sei "der Meinung, dass wir jetzt verhindern müssen, dass diese Lösung durch ein Verfahren im Ausland ausgehebelt werden kann." Von einem Aushebeln von Vorschriften kann nur die Rede sein, wenn geltendes Recht umgangen werden soll, hingegen nicht in einem Fall wie dem vorliegenden, wo der französische Richter das neue Recht, dessen Umgehung verhindert werden soll, noch gar nicht anwenden konnte. Weiter wies Bundesrätin Sommaruga, ohne auf übergangsrechtliche Fragen einzugehen, auf die Problematik rund um Auslegung und Exequatur ausländischer Urteile unter dem alten Recht sowie die Notwendigkeit von Zweitverfahren in der Schweiz nach dem bundesrätlichen Vorschlag hin, erklärte schliesslich aber beide Vorschläge (jenen des Bundesrats und jenen der Kommission) für vertretbar (AB 2014 S 528).
In der Debatte des Nationalrats als Zweitrat vom 1. Juni 2015 regte Nationalrätin Feri in Form eines Einzelantrags an, es sei im Sinne des vormaligen Vorschlags der Kommission des Ständerats zu entscheiden. Bundesrätin Sommaruga argumentierte auch hier vorab damit, dass verhindert werden solle, dass die schweizerische Vorsorgelösung durch ein Verfahren im Ausland ausgehebelt werden könne (AB 2015 N 771). Nationalrat Fischer, Kommissionssprecher, teilte mit, dass die Frage der internationalen Zuständigkeit in der Kommission nicht diskutiert worden sei, weshalb er hierzu keine Stellung beziehen könne. Der Nationalrat folgte schliesslich dem bundesrätlichen Vorschlag und der Mehrheit des Ständerats. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem einer allfälligen Rückwirkung der IPR-Regeln fand auch hier nicht statt. Folglich kann nicht gesagt werden, Nationalrat oder Ständerat hätten bewusst eine rückwirkende Anwendung angestrebt.
5.4 Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1-4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt (BGE 141 III 1 E. 4 S. 4; vgl. auch MARKUS VISCHER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 1 SchlT ZGB; BGE 133 III 105 E. 2.1 S. 108; BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 622). Eine Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB, welcher eine echte Rückwirkung vorsieht, ist nur unter restriktiven Voraussetzungen zu bejahen. Es reicht nicht, dass die neue Norm imperativer Natur ist; der Ordre public und die Sittlichkeit erlauben eine rückwirkende Anwendung einzig dann, wenn die Norm zu den fundamentalen Prinzipien der aktuellen Rechtsordnung gehört, d.h. wenn sie grundlegende sozialpolitische und ethische Anschauungen verkörpert (BGE 141 III 1 E. 4 S. 4; BGE 133 III 105 E. 2.1.3 S. 109; VISCHER, a.a.O., N. 4 zu Art. 2 SchlT ZGB; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 3. Aufl. 2016, N. 525).
Da sich vorliegend vorab das Problem der nachträglich weggefallenen Anerkennbarkeit stellt, ist die Tragweite von Art. 199 IPRG entscheidend. Gemäss Art. 199 IPRG richten sich die Voraussetzungen für Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheide, die beim Inkrafttreten des IPRG hängig sind, nach diesem Gesetz. Die Bestimmung lässt offen, wie zu entscheiden ist, wenn die Anerkennung nach früherem Recht möglich war, nach neuem aber nicht (DIRK TRÜTEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. Aufl. 2018, N. 5 zu Art. 199 IPRG; GEISER/JAMETTI, a.a.O., N. 7 zu Art. 199 IPRG). In der Lehre wird vorgeschlagen diese Lücke im Sinne von Art. 197 IPRG zu füllen (GEISER/JAMETTI, a.a.O., N. 7 zu Art. 199 IPRG). War beim Rechtswechsel ein Begehren um Anerkennung hängig und müsste dieses nach dem neuen Recht abgewiesen werden, so ist das ausländische Urteil dennoch anzuerkennen, wenn dies nach dem altem Recht möglich gewesen wäre (GEISER/JAMETTI, a.a.O., N. 7 zu Art. 199 IPRG; TRÜTEN, a.a.O., N. 5 zu Art. 199 IPRG). TRÜTEN (a.a.O., N. 1 zu Art. 199 IPRG) hält dabei explizit fest, dass Art. 199 IPRG auch im Hinblick auf spätere Revisionen gelten müsse.
KNOEPFLER/SCHWEIZER/OTHENIN-GIRARD (Droit international privé suisse, 3. Aufl. 2004, S. 113 Rz. 207) kommen zum selben Resultat. Sie nehmen auf das Prinzip "favor recognitionis" Bezug, welches Art. 199 IPRG zu Grunde liege. Nach diesem Prinzip sei dasjenige der streitigen Rechte anzuwenden, welches die Anerkennung oder Vollstreckung der ausländischen Entscheidung ermögliche. In den seltenen Fällen, in denen das neue Recht strenger sei (Anerkennung möglich nach altem Recht, nicht aber nach neuem), sei von Art. 199 IPRG Abstand zu nehmen und zur allgemeinen Regel von Art. 196 IPRG zurückzukehren, die es erlaube, die Anerkennung oder Vollstreckung der betreffenden Entscheidung sicherzustellen.
Die Auslegung der allgemeinen Übergangsbestimmungen des IPRG führt somit im zu beurteilenden Kontext zur selben Erkenntnis wie die vorgehenden Erwägungen, dass nämlich eine Rückwirkung auf vor Inkrafttreten der Revision rechtskräftig gewordene Urteile nicht angezeigt ist.
5.8 Zusammengefasst kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber vom Grundsatz der Nichtrückwirkung abweichen wollte. Damit ist insofern ein Vertrauensschutz zu gewähren, als die Zuständigkeitsregeln, welche vor der Revision Geltung hatten, nicht dadurch rückwirkend aufgehoben werden, dass das rechtmässig und zuständigkeitshalber gefällte Urteil nicht mehr anerkannt wird, weil der betreffende ausländische Richter nach neuem Recht nicht mehr über die Vorsorgeregelung befinden kann.