BGE 80 IV 193
 
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. September 1954 i.S. Fetz gegen Bau- und Forstdepartement des Kantons Graubünden.
 
Regeste
Art. 46 Abs. 1 Ziff. 7 BG betr. die eidg. Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 ist auch auf Abholzungen anzuwenden, die das kantonale Recht in Ausführung der in Art. 29 dieses Gesetzes enthaltenen Weisungen verbietet.
 
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer hat die Tat in einem privaten Schutzwald begangen. Kahlschlag (Art. 27 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 5 FPolG) wird ihm nicht vorgeworfen. Wenn er sich nach eidgenössischem Recht strafbar gemacht hat, kann es daher nur nach Art. 29 FPolG (in Verbindung mit Art. 46 Ziff. 7) geschehen sein.
Die Auffassung des Kleinen Rates, auf Abholzungen gemäss Art. 29 könne Art. 46 Ziff. 7 FPolG überhaupt nicht angewendet werden, weil erstere Bestimmung nur eine Weisung an die Kantone enthalte, hält nicht stand. Gewiss ist Art. 29 in Form einer Weisung an die Kantone abgefasst, indem er sie "verpflichtet, zur Erhaltung der privaten Schutzwaldungen und zur Sicherung ihres Zweckes jeweilen das Nötige anzuordnen" (Satz 1), und indem er ihnen gebietet, "insbesondere darüber zu wachen, dass in Schutzwaldungen ohne Bewilligung seitens der zuständigen kantonalen Behörde keine Kahlschläge in Hochwaldungen und keine erheblichen Holznutzungen zum Verkaufe oder für ein eigenes industrielles Gewerbe, zu dessen Betrieb hauptsächlich Holz verwendet wird, vorgenommen werden" (Satz 2). Das schliesst aber nicht aus, dass die Übertretung eines zur Ausführung dieser Bestimmung erlassenen kantonalen Verbotes Strafe nach eidgenössischem Recht zur Folge habe, ähnlich wie die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz (JVG) anwendbar sind auf Handlungen, deren Widerrechtlichkeit von Normen abhängt, welche die Kantone entsprechend der ihnen in Art. 1 JVG erteilten Weisung erlassen, z.B. von kantonalen Normen über die Jagdberechtigung (Art. 1 Abs. 2), die Jagdzeit (Art. 7), das Jagdgebiet (Art. 7 letzter Abs.). Fragen könnte sich daher lediglich, ob Art. 46 Ziff. 7 FPolG Strafe auch auf jene Abholzungen androht, die das kantonale Recht in Ausführung des Art. 29 FPolG verbietet, oder bloss auf die durch Art. 18 Abs. 5, 27, 30 Abs. 2 FPolG unmittelbar verbotenen Kahlschläge und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Holznutzungen in öffentlichen und privaten Schutzwäldern und nichtgeschützten privaten Hochwäldern. Da Art. 46 Ziff. 7 ohne Einschränkung von "verbotenen Abholzungen" spricht, ist jedoch nicht zu bezweifeln, dass darunter auch alle Abholzungen fallen, die den kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 FPolG (unmittelbar oder kraft der Verweisung des Art. 49 Abs. 2) zuwiderlaufen. Wäre das nicht der Wille des Gesetzes, so hätte auf die Art. 18 Abs. 5, 27 und 30 Abs. 2 verwiesen oder statt von Abholzungen von Kahlschlägen und ihnen in der Wirkung gleichkommenden Nutzungen gesprochen werden müssen. Schon Art. 27 Ziff. 6 des BG vom 24. März 1876 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge drohte auf alle "gesetzwidrigen Abholzungen in sämtlichen der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Waldungen" Busse an, obschon Art. 18 gleichzeitig bestimmte, die Regelung der Holznutzungen in den Privatwäldern sei innerhalb der Schranken dieses Gesetzes Sache der Kantone. Daran wollte durch die Revision des Gesetzes im Jahre 1902 nichts geändert werden (BBl 1898 III 558). Dass die bundesrechtliche Strafnorm auch die durch kantonale Ausführungsvorschriften verbotenen Abholzungen erfassen wollte, erhellt deutlich daraus, dass sie im Entwurfe des Bundesrates zum neuen Gesetze in der gleichen Ziffer und im gleichen Satze enthalten war wie die Strafbestimmung gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen" (Art. 32 Ziff. 5 des Entwurfes; BBl 1898 III 569). Die Trennung wurde in der Bundesversammlung auf Antrag der Kommission des Ständerates beschlossen mit einer Begründung, aus der hervorgeht, dass am sachlichen Geltungsbereich der Bestimmung (damals Art. 44 Ziff. 6) nichts geändert werden wollte (StenBull 1901 578, 623). Es ist denn auch nicht zu ersehen, was den Bundesgesetzgeber hätte bewegen können, eine Strafbestimmung zwar gegen "Nichtbeachtung kantonaler Vorschriften mit Bezug auf private Schutzwaldungen (Art. 29)" (Art. 46 Ziff. 6 FPolG), aber nicht auch gegen die ebenfalls in kantonalen Ausführungsbestimmungen zu Art. 29 umschriebenen verbotenen Abholzungen zu erlassen. Auch im Vollmachtenbeschluss des Bundesrates vom 23. Februar 1917 (aufgehoben am 22. Januar 1924), der in Erweiterung des Art. 30 FPolG eine dem Art. 29 entsprechende Bestimmung für private Nichtschutzwaldungen erliess und die von den Kantonen in Ausführung des Art. 29 erlassenen Vorschriften auf diese Waldungen anwendbar erklärte, wurden die Übertretungen dieser Ausführungsvorschriften (und des Bundesratsbeschlusses) der Strafandrohung von Art. 46 Ziff. 7 FPolG unterstellt (AS 1917 87).