BGE 80 IV 218 |
46. Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1954 i. S. Billeter gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. |
Sachverhalt |
Im Jahre 1947 leistete Billeter Gehilfenschaft zu Abtreibungen.
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B.- Unter Hinweis auf diese während der Probezeit begangenen vorsätzlichen Verbrechen erklärte das Bezirksgericht Zürich am 7. April 1954 die am 4. September 1946 ausgefällte Gefängnisstrafe als vollziehbar.
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Billeter beschwerte sich beim Obergericht des Kantons Zürich, indem er entgegen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 die Auffassung vertrat, die Anordnung des Vollzugs einer bedingt aufgeschobenen Strafe sei zeitlich nicht unbeschränkt zulässig; als Mindestschranke habe die Probezeit zuzüglich der absoluten Verfolgungsverjährung für die in der Probezeit begangene neue Tat zu gelten.
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Die Staatsanwaltschaft stellte sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass die Vollstreckungsverjährung in den Fällen, in denen die bedingt aufgeschobene Strafe vollstreckt werden solle, nach richtiger Auslegung des Art. 74 StGB mit dem Tage zu laufen beginne, an dem die Vollstreckung angeordnet werde oder hätte angeordnet werden können und sollen.
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Das Obergericht, mit Entscheid vom 14. Juni 1954, schloss sich der Auffassung an, dass die Anordnung des Vollzuges der bedingt aufgeschobenen Strafe zeitlich nicht unbegrenzt möglich sei, lehnte jedoch sowohl die von Billeter als auch die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Befristung ab und entschied sich für eine dritte Lösung, nämlich die, dass mangels eines andern Stichtages die Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit zu laufen beginne. Es führte weiter aus, im vorliegenden Falle habe die ordentliche Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren (Art. 73 Ziff. 1 StGB) spätestens am 4. September 1949 zu laufen begonnen und endige erst am 4. September 1954. Da die Verjährung zudem durch den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 7. April 1954 unterbrochen worden sei (Art. 75 StGB), trete sie erst am 4. März 1957 ein. Daher wies es den Rekurs ab.
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Er hält an der vor Obergericht vertretenen Auffassung fest und schlägt subsidiär vor, dem Gedanken des Obergerichtes in der Weise Rechnung zu tragen, dass vom Strafvollzug abgesehen werde, wenn seit Ablauf der Probezeit entweder die absolute Verfolgungsverjährung für die neue Straftat oder die Vollstreckungsverjährung für die bedingt aufgeschobene Strafe eingetreten sei.
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D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
Demgegenüber verweist das Obergericht darauf, dass in der nationalrätlichen Kommission Huber beantragt hatte, für die Fälle, in denen der Vollstreckungsbeschluss nicht während der Probezeit ergehe, ihn einer Verjährungsfrist auszusetzen, worauf die Bestimmung an die Subkommission gewiesen worden sei und Logoz dann als Ergebnis ihrer Beratung die heutige Fassung des Art. 74 vorgeschlagen habe. Angesichts dieses Beratungsverlaufes hält das Obergericht nicht für ausgeschlossen, dass man im Bestreben, den Beginn der Vollstreckungsverjährung bei bedingter Verurteilung genau festzulegen, übersehen habe, dass mit der Anknüpfung der Vollstreckungsverjährung an den veränderlichen Zeitpunkt der Vollzugsanordnung diese unbegrenzt möglich wäre.
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Dieser Schluss ist erstaunlich. Die Kommissionsmitglieder und die Bundesversammlung können die erwähnte Folge unmöglich übersehen haben. Wenn eine Befristung des Vollstreckungsbeschlusses nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, obwohl in der Kommission des Nationalrates ausdrücklich eine solche vorgeschlagen wurde, ist das eine weitere klare Bestätigung dafür, dass man sie nicht wollte. Insbesondere muss der Antragsteller wahrgenommen haben, dass sein Vorschlag in der Fassung, wie sie von Logoz als Ergebnis der Beratung der Subkommission beantragt wurde, nicht berücksichtigt war. Umso berechtigter ist daher die Annahme des Kassationshofes in BGE 78 IV 9, es könne der Bundesversammlung nicht entgangen sein, dass durch die am Entwurf des Bundesrates vorgenommene Änderung die zeitliche Grenze aufgehoben worden sei, die der Entwurf dem richterlichen Entscheid auf Anordnung des Strafvollzuges gesetzt habe.
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2. Bei dieser Rechtslage kann von einer Gesetzeslücke, die, wie das Obergericht es tut, unter Berufung auf die ratio legis auszufüllen wäre, nicht die Rede sein. Obwohl der Verjährung der Gedanke zu Grunde liegt, dass der sogenannte Strafanspruch des Staates nach einer gewissen Zeit untergehen soll, so heisst das doch nicht notwendig, dass auch der Schwebezustand, der zwischen der Verurteilung zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe und der Anordnung ihres Vollzuges besteht, zeitlich begrenzt sein müsse. Unbestreitbar hätte es nahe gelegen, im Gesetz eine solche Befristung einzuführen oder sonstwie dafür zu sorgen, dass die Anordnung des Vollzuges nicht allzulange auf sich warten lasse. Allein eine Lücke ist dadurch, dass eine solche Vorschrift nicht aufgestellt wurde, im System des Gesetzes nicht entstanden. Normalerweise verstreicht nicht "ungebührlich lange Zeit", bis der Strafvollzug angeordnet wird. Wegen blosser allfälliger Ausnahmen aber konnte eine Befristung als entbehrlich erachtet werden, ohne dass das Gesetz damit sich selber widerspräche.
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Wie wenig eine Gesetzeslücke vorliegt, zeigt auch der Umstand, dass keineswegs klar zutage liegt, wie sie auszufüllen wäre, sind doch dem Kassationshof bis heute fünf verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden: je eine in den Fällen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 und nunmehr drei weitere im vorliegenden Verfahren. Wenn schon eine Auswahl aus solcher Vielfalt möglicher Regelungen getroffen werden müsste, so deutet das eher auf eine gesetzgeberische als auf eine richterliche Entscheidung hin.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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