BGE 81 IV 256 |
55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Dezember 1955 i.S. Bundesanwaltschaft gegen Welti. |
Regeste |
Art. 4, 42 Vo. vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. |
Sachverhalt |
A.- Auf 1. Januar 1952 erhöhte die Gemeinde Horgen den Wasserzins von 25 auf 38 Rappen je m3. Fanny Welti, Eigentümerin zweier Miethäuser, stellte daher ihren Mietern am 15. März 1954 nicht nur Rechnung für 502 m3 Wasser zu 38 Rappen, das sie im Jahre 1953 über die normale, zulasten der Vermieterin fallende Menge von 816 m3 hinaus verbraucht hatten, sondern verlangte auch Ersatz des Unterschiedes zwischen altem und neuem Wasserzins für diese 816 m3. Ein Mieter, Tranquillo Fedon, wandte sich an die Mietpreiskontrollstelle der Gemeinde, und diese belehrte die Vermieterin dahin, dass sie für den normalen Wasserverbrauch trotz des höheren Wasserzinses von den Mietern nicht Ersatz verlangen dürfe, sich ihre Forderung daher von Fr. 316.84 auf Fr. 190.76 ermässige. Da Fanny Welti eine andere Auffassung vertrat, meldete die Gemeinde Horgen den Fall der Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese schrieb der Vermieterin am 23. August 1954, Hauseigentümer, welche die durch Verfügung der eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 30. August 1950 zugelassene Mietzinserhöhung von 10% vorgenommen hätten, könnten die Verteuerung des Wasserzinses nicht auf die Mieter überwälzen. Die Justizdirektion forderte Fanny Welti auf, die Abrechnung bis zum 3. September 1954 zu berichtigen, ansonst sie wegen unzulässiger indirekter Mietzinserhöhung verzeigt werde. Fanny Welti vertrat der Justizdirektion gegenüber in einem eingehend begründeten Schreiben vom 30. August 1954 die Auffassung, die Wasserzinsrechnung, die von den Mietern noch nicht bezahlt sei, lasse sich nicht beanstanden. Die Justizdirektion antwortete nicht, sondern verzeigte die Vermieterin am 21. Oktober 1954 beim Statthalteramt Horgen wegen Übertretung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts. In der Folge beschwerte sich Fanny Welti bei der eidgenössischen Preiskontrollstelle gegen die Verfügung der Justizdirektion vom 23. August 1954. Mit Entscheid vom 19. April 1955 trat die eidgenössische Preiskontrollstelle auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein.
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B.- Am 1. Juni 1955 büsste das Statthalteramt Horgen Fanny Welti in Anwendung der Art. 4 Abs. 1 und 2, 42 und 48 der Verordnung über die Mietzinskontrolle mit Fr. 40.-. Es warf ihr vor, sie habe ihren Mietern "das Normalquantum verbrauchten Wassers pro Jahr, d.h. 816 m3 zu dem inzwischen durch die Gemeinde Horgen von 25 auf 38 Rappen pro m3 erhöhten Preis verrechnet, wiewohl für dieses Wasserquantum der Teurungszuschlag von der Vermieterin zu tragen ist, es sei denn die Erhöhung wäre von der zuständigen Behörde ausdrücklich bewilligt worden, was jedoch im vorwürfigen Falle nicht zutrifft". Fanny Welti verlangte gerichtliche Beurteilung.
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Am 23. Juni 1955 sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Horgen sie frei. Er führte aus, ob die Erhöhung des Wasserzinses durch die Gemeinde zu einer Erhöhung des Mietzinses berechtige, habe die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Auf alle Fälle habe die Verzeigte den Mietzins nicht ohne Bewilligung erhöhen dürfen. Der Einwand, nach dem Vertrag dürfe sie den Wasserzinsaufschlag auf die Mieter abwälzen, helfe nicht. Hätte sie tatsächlich den Wasserzinsaufschlag von ihren Mietern bezogen, wäre sie der eingeklagten Übertretung schuldig. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass sie den Mietzins ohne Bewilligung erhöht habe. Fedon habe nur den geschuldeten Betrag für den Wassermehrverbrauch, nicht auch den Aufschlag des Wasserzinses auf der normalen Wassermenge bezahlt, und dass andere Mieter das letztere getan hätten, habe die Untersuchung nicht erstellt. Von einer Erhöhung des Mietzinses könne erst gesprochen werden, wenn Mieter und Vermieter mit der Erhöhung einverstanden seien, denn der Mietvertrag sei ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Das einseitige Begehren des Vermieters, der Mieter möge mehr bezahlen, bewirke keine Erhöhung des Mietzinses. Da im vorliegenden Falle nichts dafür spreche, dass die Mieter den mehrbelasteten Wasserzins anerkannten oder bezahlten, und für den Fall Fedon sogar eindeutig das Gegenteil erwiesen sei, habe die Verzeigte lediglich versucht, den Mietzins ohne Bewilligung zu erhöhen. Der Versuch einer Übertretung sei jedoch nach Art. 104 StGB nicht strafbar.
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C.- Der Bundesanwalt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
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Er macht geltend, unter den Begriff des Preises, der nicht ohne Bewilligung erhöht werden dürfe, falle selbstverständlich nicht nur der Mietzins, hinsichtlich dessen ein Konsens zustandegekommen sei, sondern auch der bloss geforderte Preis. Die Mietzinskontrolle wolle die Mieter bereits vor unangemessenen Mietzinszumutungen schützen. Massgebend sei dabei die Überlegung, dass Mieter und Mietinteressenten in Zeiten der Wohnungsnot die wirtschaftlich schwächere Partei bildeten und man von ihnen nicht verlangen könne, sich der Verabredung unerlaubter Ansätze zu widersetzen. Die Mietzinskontrolle müsse deshalb, wenn sie etwelche Aussicht auf Erfolg haben wolle, schon das Fordern nicht erlaubter Mietzinse untersagen. Dieser Sinn der Bestimmungen ergebe sich im übrigen aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle. Aus ihr gehe hervor, dass als Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgend einer Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses angesehen werden müsse. Die nämliche Auffassung sei schon von den strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten vertreten worden. Fanny Welti habe somit die Übertretung nicht nur versucht, sondern vollendet.
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D.- Fanny Welti beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie macht im wesentlichen geltend, in Zürich und Umgebung sei es seit langem Brauch, dass für den Mehrwasserzins der Mieter anteilsmässig aufzukommen habe. Auf Grund der entsprechenden Bestimmung der Mietvertragsformulare habe sie sich ohne grosse Überlegungen preiskontrollrechtlicher Natur für berechtigt gehalten, auf die Mieter abzuwälzen, was die Gemeinde von ihr als Wasserzins verlange. Die Stellungnahme des Bundesanwalts sei berechtigt, wenn ein Vermieter sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil verschaffen wolle, führe aber hier zu einem unbilligen Ergebnis.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
1. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle erklärt in Art. 2 "Erhöhungen der am 31. Dezember 1953 geltenden Mietzinse bewilligungspflichtig", setzt in Art. 15 auf die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung des Beschlusses oder der Ausführungsbestimmungen Busse und weist in Art. 14 Abs. 1 den Bundesrat an, die erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen.
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Diesen Bestimmungen nachkommend, hat der Bundesrat in der Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts untersagt, "die Mietzinse ohne Bewilligung der von den Kantonsregierungen bezeichneten Amtsstellen oder der Rekursinstanz über den am 31. Dezember 1953 höchstzulässigen Stand zu erhöhen" (Art. 4 Abs. 1). Anschliessend daran untersagt die Verordnung "auch alle indirekten Mietzinserhöhungen, die sich wirtschaftlich gegenüber dem Mieter als Erhöhung auswirken; also z.B.: Erhöhung des Entgeltes für Nebenleistungen, wie Wasserzins, allgemeine Beleuchtung usw.; besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren; Wegnahme eines Zimmers oder einer Mansarde usw." (Art. 4 Abs. 2). Für die vorsätzliche oder fahrlässige Übertretung dieser Bestimmungen droht die Verordnung Busse bis zu zweitausend Franken an (Art. 42 Abs. 1). Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist der Richter an diesen Höchstbetrag nicht gebunden (Art. 42 Abs. 2).
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2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass sie sich zur Lieferung der normalerweise verbrauchten 816 m3 Wasser verpflichtet hatte und die Vergütung dafür im Mietzins inbegriffen war. Unbestritten ist auch, dass dieser am 31. Dezember 1953 und schon vorher den höchstzulässigen Stand erreichte. Wenn die Mieter die durch die Wasserzinserhöhung der Gemeinde Horgen verursachten Mehrkosten der erwähnten 816 m3 Wasser durch eine besondere Vergütung übernommen hätten, hätte daher im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 30. Dezember 1953 der Mietzins "indirekt" den zulässigen Stand überschritten. Ob die Mieter sich das vertraglich hätten gefallen lassen müssen, wie die Beschwerdegegnerin gegenüber der Justizdirektion geltend gemacht hat, aber heute nicht mehr einwendet, kann dahingestellt bleiben; denn die Verordnung verbietet Mietzinserhöhungen über den vom öffentlichen Recht vorgesehenen Stand auch dann, wenn sie dem Vertrage nicht widersprechen.
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3. Schon die gestützt auf Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 erlassene Verfügung Nr. 1 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 2. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung untersagte unter anderem, die Mietzinse (über den Stand vom 31. August 1939) ohne Genehmigung zu "erhöhen". Die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte haben diese Bestimmung stets dahin ausgelegt, dass eine Erhöhung schon dann vorliege, wenn der Vermieter einen höheren Mietzins fordert, es also nicht des tatsächlichen Bezuges oder auch nur der Einwilligung des Mieters bedürfe, den geforderten Betrag zu bezahlen (EKSt 3 24; vgl. auch 2 7, 95, 125, 154). An dieser Rechtslage haben der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 und die Verordnung vom 30. Dezember 1953 nichts geändert. Das ergibt sich insbesondere aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. Februar 1953 an die Bundesversammlung über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle, wo ausgeführt wird, eine Mietzinserhöhung im preiskontrollrechtlichen Sinne (Art. 1 Abs. 2) sei jede gegenüber einem Mieter oder Mietreflektanten in irgendeiner Form zum Ausdruck gebrachte Aufforderung zur Vereinbarung oder Bezahlung eines höheren Mietzinses (BBl 1953 I 295). Mit dieser Auslegung, die von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandet wird, stimmt überein, dass Art. 4 Abs. 2 der Verordnung unter anderem auch die "besondere Verrechnung von Nebenleistungen, die bisher im Mietzins inbegriffen waren", untersagt. "Verrechnung" bedeutet hier Rechnungstellung (mise en compte). Dass der Mieter sich ihr unterziehe, wird nicht vorausgesetzt. Vom gleichen Geist beseelt ist Art. 14 der Verordnung, der bestimmt, für Objekte, die am 31. August 1939 nicht oder in anderer Zusammensetzung vermietet waren und für welche die behördliche Festsetzung eines höchstzulässigen Mietzinses noch nicht erfolgte, dürfe "ein Mietzins nur mit Bewilligung der zuständigen Amtsstelle gefordert oder angenommen werden". Es ist nicht zu ersehen, was den Bundesrat hätte bewegen können, dem Vermieter Strafe schon für das blosse Fordern eines nicht bewilligten Mietzinses anzudrohen, wenn die Mietsache dem Art. 14 untersteht, dagegen nur für das Vereinbaren der Erhöhung in den anderen Fällen. Die Mieter haben es denn auch nötig, sich schon gegen das blosse Verlangen höheren Mietzinses mit den Mitteln einer Stafanzeige wehren zu können; denn wenn sie, dem Begehren nachgebend, in die Erhöhung eingewilligt haben, werden sie es nicht mehr zu tun wagen, weil sie damit auch ihre eigene Strafbarkeit eingestehen müssten.
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...
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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