BGE 82 IV 112
 
24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juli 1956 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen Gamper.
 
Regeste
Art. 1, 2 Abs. 1 lit. c und 20 Abs. 1 lit. a AO.
 
Sachverhalt
A.- Am 25. Juni 1955 liess Hermann Gamper als verantwortlicher Leiter der Allgemeinen Konsumgenossenschaft Schaffhausen (AKS) in den "Schaffhauser Nachrichten" und in der "Arbeiterzeitung", sowie am 28. Juni 1955 in der "Schaffhauser Zeitung" für die Textilabteilung des Ladengeschäftes "Krone" ein Inserat erscheinen mit der im Text hervorgehobenen Überschrift: "Doppelte Rückvergütung auf sämtlichen Badekleidern, Blusen, Jupes und Damenkleidern". Anschliessend wurde eine Anzahl Damen- und Mädchenbadekleider, Herren- und Knabenbadehosen, Damenkleider, Jupes und Blusen mit kurzer Beschreibung und unter Angabe des Preises besonders aufgeführt.
Ein weiteres am 27. Juni 1955 in den "Schaffhauser Nachrichten", der "Arbeiterzeitung" und im "Schaffhauser Bauer" erschienenes Inserat der AKS wurde mit dem Hinweis eingeleitet: "Schuhhaus Peyerhof. Alle hier aufgefuhrten Schuhe kaufen Sie in Selbstbedienung mit doppelter Rückvergütung". Es folgte einc Liste von neun Posten Schuhen in bestimmten Preislagen. Das Inserat schloss mit dem Vermerk: "Alle obigen Artikel mit doppelter Rückvergütung". Der Hinweis auf diese Vergünstigung war in beiden Fällen durch Fettdruck besonders hervorgehoben.
B.- Die Polizeidirektion des Kantons Schaffhausen beanstandete die beiden Inserate als Verstoss gegen die Art. 1, 2 Abs. 2 und 9 der eidg. Ausverkaufsordnung (AO) und büsste Hermann Gamper am 18. August 1955 in Anwendung von Art. 20 Abs. 1 lit. a und 23 AO mit Fr. 50.-.
Der Bezirksrichter Schaffhausen, an den Gamper rekurriert hatte, hob am 19. Dezember 1955 die Strafverfugung der Polizeidirektion auf und sprach den Rekurrenten von Schuld und Strafe frei. Zur Begründung ging er davon aus, dass die beiden Inserate keinen Hinweis auf eine zeitliche Beschränkung der angekündigten Vergünstigung enthielten. Deswegen könne von der Ankündigung einer bewilligungspflichtigen Verkaufsveranstaltung nicht die Rede sem.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Bezirksrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen Widerhandlung gegen die AO zurückzuweisen. Sie macht geltend, der Vorderrichter habe Bundesrecht verletzt, indem er die zeitliche Begrenzung der angekündigten Vergünstigung verneinte. Ein unmittelbar vor dem offiziellen Ausverkauf angekündigter Sonderrabatt auf "aktuellen Artikeln" wirke auf das Publikum wie die Ankündigung einer ordentlichen Ausverkaufsveranstaltung. Es sei denn auch der Plan der AKS gewesen, auf diese Weise die saisonbedingten Artikel abzustossen.
D.- Gamper beantragt Abweisung der Beschwerde.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Unter Verkaufsveranstaltungen versteht diese Bestimmung die in Art. 1 Abs. 1 AO "als Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen" bezeichneten. Sie sind daselbst umschrieben als "Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden". Art. 2 Abs. 1 zählt abschliessend bestimmte Kategorien von Verkaufsveranstaltungen auf, die als Ausverkäufe im Sinne von Art. 1 gelten.
2. Nach dem Eindruck, den die am 25., 27. und 28. Juni 1955 in verschiedenen Schaffhauser Zeitungen erschienenen Inserate der AKS beim Publikum erwecken mussten - und das allein ist von Bedeutung -, konnte es sich nur um die Ankündigung eines Saisonausverkaufes im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. c AO handeln. So wurden vorwiegend saisonbedingte Artikel angepriesen. Das ergab sich für den Leser aus der Zweckbestimmung der angebotenen Waren (Badekleider, Badehosen, Sandalen) und teilweise aus ihrer auf die Saison hinweisenden Benennung und Beschreibung (Herrensommerschuhe, Kindersommersandalettli). Dass unter anderem auch Warenkategorien aufgeführt wurden, die nicht notwendigerweise nur Sommerartikel umfassen (Damenkleider, Blusen, Jupes), ist belanglos, weil dadurch der allein massgebende Gesamteindruck der Anzeigen nicht verändert wird.
Waren der genannten Art gelangen erfahrungsgemäss bereits Ende April/anfangs Mai zum Verkauf. Zu dieser Zeit gewährte die AKS unbestrittenermassen keine doppelte Rückvergütung. Eine solche kündigte sie erst Ende Juni, also bereits in fortgeschrittener Saison an, um die stark der Mode unterworfenen Artikel abzustossen und Platz für neue, der Mode entsprechende Waren zu schaffen. Das wurde auch von der Käuferschaft nicht anders verstanden; dies umso mehr, als die öffentlichen Anzeigen unmittelbar vor der Zeit der ordentlichen Saisonausverkäufe erfolgten, in der das Publikum ohnehin mit solchen Veranstaltungen rechnet. Auf eine Sonderveranstaltung wies zudem die auffällige Aufmachung der Reklame hin (längsseitige Inserate mit zum Teil in übergrosser Druckschrift enthaltenem Hinweis auf die doppelte Rückvergütung), die einen sofortigen Einkauf in den betreffenden Ladengeschäften der AKS als besonders vorteilhaft erscheinen liess. Demgegenüber wäre der Einwand des Beschwerdegegners, die doppelte Rückvergütung sei nicht bloss für eine beschränkte Zeit angekündigt worden, nur zu hören, wenn die zu beurteilenden Anzeigen nach Text und Aufmachung dem Leser diesen Sinn hätten bewusst machen können. Das trifft nach dem Gesagten keineswegs zu; vielmehr ist auch der Käuferschaft bekannt, dass der Bedarf an Artikeln, wie sie in den Inseraten angeboten wurden, saisonbedingt und damit zeitlich beschränkt ist, was den Eindruck einer "einmaligen" Kaufgelegenheit noch verstärkte.
Betrafen somit die Anzeigen vom 25., 27. und 28. Juni 1955 Verkaufsveranstaltungen mit allen Merkmalen eines Saisonausverkaufes, so fielen sie gemäss Art. 2 Abs. 1 AO unter diese Verordnung und waren bewilligungspflichtig. Ob die angekündigte Vergünstigung (doppelte Rückvergütung) ausschliesslich für Mitglieder der AKS bestimmt war, wie der Beschwerdegegner behauptet, geht aus den Inseraten nicht hervor und wäre auch nur von Bedeutung, wenn die Anzeigen während der ordentlichen Ausverkaufszeit (1. Juli bis 31. August; Art. 3 Abs. 1 lit. b und Art. 9 Abs. 2 AO) erfolgt wären. Das war indessen nicht der Fall. Der Übertretungstatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist objektiv erfüllt.