Voraussetzung der Strafbefreiung ist, dass die Beschimpfung durch ein verwerfliches Verhalten des Beschimpften hervorgerufen wurde und dass sie unmittelbar auf die Provokation erfolgt ist. Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist zeitlich zu verstehen, und zwar in dem Sinne, dass der Täter in der durch das ungebührliche Verhalten erregten Gemütsbewegung handelt, ohne dass er Zeit zu ruhiger Überlegung hat. Der französische und italienische
Text, der im Gegensatz zum deutschen das Wort unmittelbar ("immédiatement", "immediatamente") nur in Abs. 3 verwendet, in Abs. 2 hingegen den Ausdruck "directement" bzw. "direttamente" gebraucht, führt zu keiner andern Auslegung. Hätte sich der Gesetzgeber auf das Erfordernis des Kausalzusammenhangs zwischen Provokation und Beschimpfung beschränken wollen, wie der Beschwerdeführer annimmt, so hätten im deutschen Text schon die Worte "Anlass gegeben" genügt. Aus dem Wort "unmittelbar" muss geschlossen werden, dass mehr als das verlangt werden wollte. Darauf weist vor allem auch die Überlegung, dass die Ermächtigung des Richters, den Täter von Strafe zu befreien, kaum anders gerechtfertigt werden kann, als insbesondere dadurch, dass der Provozierte in einem Erregungszustand gehandelt hat und deshalb für seine Tat nicht voll verantwortlich erscheint. Wird die Tat überlegt begangen, so bieten Art. 63 und 64 StGB genügend Raum, der Provokation bei der Strafzumessung angemessen Rechnung zu tragen. Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb in Abs. 2 die Unmittelbarkeit nicht gefordert sein sollte, während im Fall der Retorsion (Abs. 3), welche ebenfalls eine Provokation - in Form einer Beschimpfung - voraussetzt, die Reaktion eine unmittelbare sein muss, damit Straflosigkeit eintreten kann.