4. Urteil des Kassationshofes vom 14. Februar 1958 i.S. Bächtiger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
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Regeste
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Art. 67 StGB.
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Sachverhalt
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A.- Am 18. Juni 1951 wurde Bächtiger vom Obergericht des Kantons Zürich wegen wiederholten und fortgesetzten Betruges zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Auf die Freiheitsstrafe wurden 379 Tage Sicherheitshaft angerechnet. Den Rest der Strafe verbüsste Bächtiger aus Gesundheitsgründen erst im Jahre 1956.
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B.- Von 1952 bis 1954 beging Bächtiger eine Reihe von Betrugshandlungen, Urkundenfälschungen und zahlreiche Sittlichkeitsdelikte. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte ihn deswegen am 16. Oktober 1957 zu zehn Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Dabei wendete es mit Rücksicht auf die Anrechnung der Untersuchungshaft im früheren Urteil die Rückfallsbestimmung des Art. 67 Ziff. 1 StGB an.
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C.- Bächtiger macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, das angefochtene Urteil verletze die Bestimmung über den Rückfall, welche eine Strafverbüssung voraussetze; dieser könne die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht gleichgestellt werden.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
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Nach Art. 67 StGB liegt Rückfall vor, wenn der Täter zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird und zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen sind, seit er eine Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe ganz oder teilweise verbüsst hat.
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Die Anrechnung der Untersuchungshaft gemäss Art. 69 StGB bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Strafe in dem Umfang, in dem die angerechnete Untersuchungshaft gedauert hat, als getilgt gilt und nur noch für den allenfalls nicht erstandenen Teil zu vollstrecken ist (BGE 68 IV 103; BGE 69 IV 52/53, 152; BGE 73 IV 10; BGE 81 IV 211). Der angerechneten Untersuchungshaft wird mit anderen Worten die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung beigelegt. Insoweit ist die Untersuchungshaft einer verbüssten Strafe rechtlich gleichgestellt. In der Tat wird niemand im Ernst behaupten, dass derjenige, dem die Untersuchungshaft so angerechnet worden ist, dass nichts mehr zu vollstrecken ist, die Strafe nicht verbüsst habe. Vernünftigerweise kann nicht das Gegenteil gelten, wenn nach Anrechnung der Untersuchungshaft ein Teil der Strafe noch zu verbüssen bleibt. Die gesetzliche Bedeutung der Anrechnung der Untersuchungshaft bleibt die gleiche, auch wenn sie sich zum Nachteil des Verurteilten auswirkt. Daher muss notwendig Rückfall angenommen werden, falls er vor der Vollstreckung des durch die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht getilgten Strafteils die Voraussetzungen des Art. 67 StGB erfüllt (HAFTER, Allg. Teil S. 370; LOGOZ N. 3 A lit. b zu Art. 67 StGB).
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Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass im Falle der Verurteilung mit bedingtem Strafvollzug die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht als Strafverbüssung gilt, auch nicht, wenn die Dauer der Untersuchungshaft der verhängten Strafe gleichkommt. Wird einem Verurteilten, dem die Untersuchungshaft angerechnet wird, der bedingte Strafaufschub zugebilligt, so bezieht sich die Massnahme auf die ganze ausgesprochene Strafe und nicht bloss auf den allenfalls noch zu verbüssenden Strafrest. Die Wirkung der Anrechnung tritt somit nicht schon mit der Rechtskraft des Urteils ein, sondern erst, wenn der bedingte Strafvollzug wegen Nichtbewährung widerrufen wird (BGE 81 IV 211).
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Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, wie es sich verhalte, wenn die Untersuchungshaft nicht angerechnet werde, stellt sich nur soweit, als sie für den vorliegenden Fall Bedeutung hat. Gewiss kann der Eindruck, den die Untersuchungshaft beim Verurteilten hinterlässt, der gleiche sein, ob sie angerechnet wird oder nicht, und es kann als störend empfunden werden, dass derjenige, der die Nichtanrechnung selber verschuldet, besser gestellt sein soll als der andere, dem die Untersuchungshaft als Strafverbüssung angerechnet wird. Diese Überlegung führt aber nicht zwingend dazu, die Fälle der Anrechnung und der Nichtanrechnung einander gleichzusetzen, und vor allem folgt daraus nichts Entscheidendes gegen den Grundsatz, dass die Strafe, soweit die Untersuchungshaft angerechnet wird, als verbüsst zu gelten hat. Es kann nicht übersehen werden, dass der Grund dieser Wirkung nicht in der Untersuchungshaft als solcher liegt, sondern im Urteil des Richters, der aus Billigkeitserwägungen die ausgefällte Strafe als durch die erlittene Untersuchungshaft getilgt erklärt. Insofern besteht zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung ein wesentlicher Unterschied, der sich auch beim Verurteilten dahin auswirkt, dass ihm im Falle der Anrechnung durch den Urteilsspruch eindrücklich zum Bewusstsein gebracht wird, dass die ausgestandene Untersuchungshaft Strafe war und dass er fortan als vorbestraft gilt, gleichgültig, wann der Rest der Strafe vollzogen wird. Begeht er trotz dieser Mahnung ein Verbrechen oder Vergehen, ehe der Strafrest verbüsst wird, so hat er die dann für ihn nachteilige Wirkung der Anrechnung sich selber zuzuschreiben. In gleicher Weise kann auch der Erlass durch Begnadigung, welcher der Verbüssung gleichgestellt ist (Art. 67 Ziff. 1 Abs. 2 StGB), dem Verurteilten nachträglich zum Nachteil werden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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