BGE 84 IV 15
 
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Februar 1958 i.S. Bamert gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz.
 
Regeste
Art. 164 StGB setzt voraus, dass der ausgestellte Verlustschein rechtskräftig geworden ist.
 
Der Schuldner, der sein Vermögen im Sinne des Art. 164 Ziff. 1 StGB zum Nachteil eines Gläubigers vermindert, wird wegen Pfändungsbetruges nur bestraft, wenn gegen ihn em Verlustschein ausgestellt worden ist. Die Ausstellung eines Verlustscheins ist nicht Tatbestandsmerkmal, sondern objektive Bedingung der Strafbarkeit (BGE 72 IV 19, BGE 81 IV 30). Sie braucht nicht vom Vorsatz des Täters erfasst zu werden, und folglich ist die Frage, ob sie erfüllt sei, unabhängig vom Verschulden, allein nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden.
Es versteht sich von selbst, dass die Strafbestimmung des Art. 164 StGB (und entsprechend Art. 165 ff.) nicht schon anwendbar ist, wenn aus irgendeinem Grund ein Verlustschein ausgestellt wird, sondern nur dann, wenn der ausgestellte Verlustschein nach den Vorschriften des Schuldbetreibungsrechts gültig, d.h. weder nichtig noch anfechtbar ist. Daher muss ein Verlustschein, der wegen Nichtigkeit überhaupt nicht rechtskräftig werden kann, strafrechtlich auch dann unbeachtet bleiben, wenn er vom zuständigen Betreibungsamt oder von der ihm übergeordneten Aufsichtsbehörde nicht oder noch nicht aufgehoben wurde (vgl. BGE 78 III 51, BGE 70 IV 76). Nicht anders verhält es sich mit der Ausstellung eines Verlustscheins, der innert der Frist des Art. 17 SchKG angefochten und von der Aufsichtsbehörde aufgehoben wird; auch ein solcher Verlustschein ist nie rechtskräftig geworden und deshalb als nicht ausgestellt zu behandeln. Daran ändert nichts, dass betreibungsamtliche Verfügungen schon vor Ablauf der Beschwerdefrist und trotz Anrufung der Aufsichtsbehörde, falls sie der Beschwerde nicht aufschiebende Wirkung erteilt, vollstreckbar sind (Art. 36 SchKG). Denn die Vollstreckbarkeit beeinflusst den Eintritt der Rechtskraft der betreibungsamtlichen Verfügung nicht, so wenig ein erstinstanzliches Konkurserkenntnis in Rechtskraft erwächst, wenn die obere Instanz, die es aufhebt, der Berufung keine aufschiebende Wirkung gemäss Art. 174 Abs. 2 SchKG zuerkannt hat. Übrigens ist die Vollstreckbarkeit nur eine vorläufige, die mit dem aufhebenden Sachentscheid rückwirkend dahinfällt (BGE 56 III 111).
Mit dem Hinweis, dass auch im Falle des Art. 163 StGB die Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung durch den nachträglichen Widerruf des Konkurses nicht entfalle, können Vorinstanz und Staatsanwaltschaft ihre Auffassung nicht stützen. Der Konkurswiderruf ist überhaupt erst nach Erlass eines rechtskräftigen Konkurserkenntnisses möglich, und er stellt die Gültigkeit der Konkurseröffnung keineswegs nachträglich in Frage; er gründet sich vielmehr auf neue, erst im Verlauf des Konkursverfahrens eingetretene Vorkommnisse (BGE 75 III 68). Mit dem Konkurswiderruf kann die Aufhebung eines Verlustscheines im Beschwerdeverfahren demnach nicht verglichen werden, wohl aber z.B. die nachträgliche Bezahlung einer Forderung, für die in einer Betreibung auf Pfändung ein rechtskräftiger Verlustschein ausgestellt worden ist. Hier wie dort sind die neuen Vorkehren ohne Bedeutung, weil die Bedingung der Strafbarkeit schon vorher erfüllt war (vgl. BGE 74 IV 97).