BGE 86 IV 10
 
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Februar 1960 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Zimmermann.
 
Regeste
Art. 148 Abs. 2 StGB; Begriff der Gewerbsmässigkeit.
 
Das Appellationsgericht geht davon aus, die Annahme gewerbsmässigen Handelns sei ausgeschlossen, wenn der Täter nicht mit direktem, sondern lediglich mit Eventualvorsatz gehandelt habe. Es begründet diese Einschränkung mit dem Merkmal der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, die einen festen Entschluss und Planmässigkeit voraussetze; der durch diesen Entschluss bekundete intensive deliktische Wille bilde den Grund dafür, dass auf gewerbsmässiger Begehung strengere Strafe angedroht sei.
a) Es ist jedoch nicht einzusehen, inwiefern die dem Gewerbebetrieb eigene Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, voraussetzen soll, dass der Täter sich mit direktem Vorsatz vergehe. Sie kennzeichnet die Einstellung des Täters, der seine Hemmungen ein für allemal überwunden hat und um des Verdienstes willen zur Tat bereit ist, wo immer sich passende Gelegenheit bietet (BGE 71 IV 115). Hiezu kann der Täter auch bereit sein, wenn er den Erfolg nicht als sicher, sondern nur als möglich voraussieht. Ihn zeichnet in diesem Falle nicht weniger als in jenem intensiver deliktischer Wille und damit besondere soziale Gefährlichkeit aus, deretwegen das gewerbsmässige Vergehen gegenüber dem nichtgewerbsmässigen mit schärferer Strafe bedroht ist (BGE 78 IV 154;BGE 79 IV 13). Die beiden Fälle unterscheiden sich nicht durch den Inhalt und die Intensität des Willens, sondern durch das Wissen, die Erkenntnis, die Vorstellung des Täters. Beim direkten Vorsatz stellt sich der Täter den gewollten Erfolg als sicheres Ereignis vor, beim eventuellen hält er ihn bloss für möglich, will ihn aber für den Fall seines Eintrittes ebenso (BGE 69 IV 80), mag er ihm erwünscht oder unerwünscht erscheinen. Es trifft demnach nicht zu, dass der mit blossem Eventualvorsatz Handelnde vorläufig noch nicht unbedingt will und daher von vorneherein auch nicht derart intensiv wollen kann, wie es der Begriff der Gewerbsmässigkeit voraussetzt. Wer mit Eventualvorsatz handelt, ist nicht nur mit bedingtem oder abgeschwächtem Handlungswillen tätig, sondern ist zur Tat - wie beim direkten Vorsatz - endgültig entschlossen (vgl. MEZGER, Leipziger Kommentar, 8. Auflage Band 1 S. 518, 520). Sein Wille kann denn auch derart intensiv und seine verbrecherische Rücksichtslosigkeit damit ebenso gross sein, wie der Wille und die Rücksichtslosigkeit des mit direktem Vorsatz Handelnden.
b) Ob, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint, planmässiges Vorgehen begrifflich ausgeschlossen ist bei einem Täter, der bloss mit Eventualvorsatz handelt, kann dahingestellt bleiben, da nach der Rechtsprechung die Annahme gewerbsmässigen Handelns nicht voraussetzt, dass der Täter planmässig auf die Herbeiführung des deliktischen Erfolges ausgeht. Der Begriff der gewerbsmässigen Begehung strafbarer Handlungen entnimmt seine Merkmale dem Begriff des erlaubten Gewerbes (BGE 79 IV 12). Wie ein erlaubtes Gewerbe nicht auf Organisation und Planung zu beruhen braucht, ist auch das strafbare Gewerbe nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Täter gleichsam nach kaufmännischen Grundsätzen rechnet, überlegt, plant und organisiert (BGE 71 IV 86;BGE 79 IV 13f.). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlass.
c) Schliesslich verlangt auch das weitere Merkmal der Gewerbsmässigkeit, die Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, nicht, dass der Täter die Tat in sicherer Voraussicht des Erfolges, den er erstrebt, also mit direktem Vorsatz begehe. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes steht die bloss eventuelle Absicht der direkten Absicht gleich (BGE 69 IV 80;BGE 72 IV 125;BGE 74 IV 45). Das gilt für die Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, so gut wie für die Absicht unrechtmässiger Bereicherung (BGE 69 IV 80;BGE 72 IV 125Erw. 3).