BGE 86 IV 81
 
22. Urteil des Kassationshofes vom 8. April 1960 i.S. B. gegen X.
 
Regeste
Art. 28 Abs. 1 StGB.
Dazu ermächtigt ist er nicht schon dann, wenn er nach kantonalem Recht befugt ist, die Ehefrau im Prozess zu vertreten.
 
Sachverhalt
A.- A. hatte vernommen, dass sein Kind von Frau B. unsanft behandelt worden sei. Am 9. Mai 1959 stellte er deshalb deren Ehemann zur Rede. Als A. den Namen der Person nicht nennen wollte, die ihm vom Vorfall Kenntnis gegeben hatte, erklärte B., er wisse es schon, das sei Frau X., das Luder, gewesen.
Am 10. Juni 1959 reichte X., der Ehemann der Verletzten, gegen B. Strafklage wegen Ehrverletzung ein.
B.- Das Bezirksgericht Baden, das den Kläger neben seiner Ehefrau als Verletzten und daher als selbständig antragsberechtigt betrachtete, verurteilte am 24. September 1959 B. wegen Beschimpfung zu einer Busse von Fr. 10.-.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 29. Januar 1960 die Beschwerde des Verurteilten ab. Zur Begründung führte es aus: Der Ehemann sei gemäss § 46 der aargauischen ZPO berechtigt, ohne Vorlage einer Vollmacht seine Ehefrau im Prozesse zu vertreten. Ein Verzicht der Verletzten auf das Antragsrecht sei nicht ausdrücklich erfolgt. An der Legitimation des Klägers, in Vertretung seiner Frau klagend aufzutreten, könne somit nicht gezweifelt werden. Hievon abgesehen müsse dem Kläger auch ein eigenes selbständiges Klagerecht zuerkannt werden, da der Ausdruck Luder auch den Ehemann in Mitleidenschaft ziehe und dessen persönliche Achtung bei den Mitmenschen zu schmälern geeignet sei.
C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei mangels Aktivlegitimation des Klägers freizusprechen.
D.- Der Kläger schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
 
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Es ist unbestritten, dass das Wort Luder einen Angriff auf die Ehre darstellt und dass der Beschwerdeführer ausdrücklich einzig Frau X. damit bezeichnet hat. Direkt betroffen wurde somit nur die Ehefrau des Klägers, nicht dieser selber. Der Vorwurf, Frau X. sei ein Luder, kann deren Ehemann in seinem Selbstbewusstsein verletzen, berührt aber nicht seinen persönlichen Ruf und sein Gefühl, ein charakterlich anständiger Mann zu sein. Es kann jemand eine Frau, die von anderen als Luder hingestellt wird, aus achtenswerten Beweggründen heiraten, und derjenige, der mit einer solchen Frau die eheliche Gemeinschaft fortsetzt, handelt deswegen nicht notwendig unehrenhaft. Ist der Beschwerdegegner durch den Angriff gegen seine Ehefrau in seiner persönlichen Ehre nicht herabgesetzt worden, so ist er nicht Verletzter im Sinne von Art. 28 Abs. 1 StGB und daher nicht selbständig zum Strafantrag berechtigt.
2. Legitimiert zum Strafantrag war demnach einzig Frau X. Sie war nicht verpflichtet, den Antrag persönlich zu stellen, sondern konnte ihren Ehemann ermächtigen, dass er an ihrer Stelle die Bestrafung des Beschwerdeführers verlange. Die Vorinstanz stellt jedoch nirgends fest, dass eine solche Ermächtigung stattgefunden und der Beschwerdegegner tatsächlich in Vertretung seiner Ehefrau Strafantrag gestellt habe. Dass dies der Fall gewesen sei, ergibt sich nicht daraus, dass der Ehemann nach kantonalem Prozessrecht berechtigt ist, ohne Ausweis einer Vollmacht für seine Ehefrau im Prozess aufzutreten. Dieses Prozessführungsrecht schliesst keineswegs aus, dass X. ohne Ermächtigung seiner Ehefrau Strafantrag gestellt hat, wie anderseits aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Verzichtes der Verletzten auf das Antragsrecht auch nicht geschlossen werden kann, sie habe von ihrem Antragsrecht Gebrauch machen wollen. Für einen solchen Willen bieten denn auch die Akten keinerlei Anhaltspunkte. Der Beschwerdegegner hat vor Friedensrichter und Bezirksgericht ausschliesslich im eigenen Namen geklagt und zudem in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung erklärt, seine Frau habe nicht geklagt, weil sie nervös sei und den Frieden wolle. Ebensowenig enthalten der Weisungsschein und das erstinstanzliche Verhandlungsprotokoll und Urteil einen Hinweis, dass X. in Vertretung seiner Frau gehandelt habe. Das Bezirksgericht stellt in seinem Urteil vom 24. September 1959 im Gegenteil ausdrücklich fest, dass nicht Frau X., sondern deren Ehemann als Klagepartei aufgetreten sei, und es prüfte bloss, ob dieser in seiner Ehre verletzt worden sei, offenbar davon ausgehend, dass er den Strafantrag im eigenen Namen und nicht als Vertreter seiner Ehefrau gestellt habe.
Bei dieser Sachlage muss angenommen werden, Frau X. habe ihr Antragsrecht innert der Frist des Art. 29 StGB nicht ausgeübt, auch nicht durch ihren Ehemann. Der Beschwerdeführer ist daher nicht strafbar und muss freigesprochen werden.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 29. Januar 1960 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.