BGE 86 IV 190 |
48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. November 1960 i.S. Bridel gegen Bezirksamt Frauenfeld. |
Regeste |
Art. 8 HRG, Art. 16 VHRG. |
Sachverhalt |
A.- Bridel, Vertreter einer Firma in Fribourg, die chemische und technische Neuheiten fabriziert und vertreibt, nahm am frühen Nachmittag des 16. Dezember 1959 beim Inhaber des Restaurants Post in Frauenfeld die Bestellung auf ein Metallauffrischungsmittel zum Preis von Fr. 16.- auf. Er bezog im Verlaufe des Nachmittages die bestellte Ware im Bahnhof Wil (St. Gallen), wohin er sich am Vorabend von Fribourg ein kleines Lager hatte schicken lassen, und lieferte sie noch am Abend des gleichen Tages dem Besteller ab.
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B.- Das Bezirksamt Frauenfeld verurteilte Bridel wegen dieser Tätigkeit in Anwendung der §§ 6, 7 und 10 des thurgauischen Gesetzes betreffend das Markt- und Hausierwesen vom 3. Oktober 1898 zu einer Busse von Fr. 20.-, weil er die vorgeschriebene kantonale Bewilligung zum Hausieren nicht eingeholt hatte.
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Die Bezirksgerichtskommission Frauenfeld wies die gegen die Bussenverfügung erhobene Einsprache Bridels ab, und die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau bestätigte am 20. Juni 1960 diesen Entscheid.
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C.- Bridel führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen. Er macht geltend, als Inhaber der grünen Ausweiskarte für Grosshandelsreisende sei er der kantonalen Gesetzgebung über das Hausierwesen nicht unterstellt; das Bundesgesetz über die Handelsreisenden aber, das allein anwendbar sei, habe er durch seine Tätigkeit nicht verletzt.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
1. Das Bundesgesetz über die Handelsreisenden ist nur auf das Aufsuchen oder Entgegennehmen von Warenbestellungen anwendbar. Das ergibt sich aus der gesetzlichen Umschreibung des Begriffes Handelsreisender (Art. 1 HRG), aus den Bestimmungen über den Anwendungsbereich des HRG (Art. 2) und insbesondere aus Art. 8 Abs. 1 HRG, der ausdrücklich bestimmt, dass der Handelsreisende nur Muster, nicht aber Waren mit sich führen darf. Wer Waren mit sich führt, die zur direkten Abgabe an den Käufer bestimmt sind, oder wer unmittelbar auf die Bestellungsaufnahme die Ware von einem nichtständigen Lager aus liefert (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 HRG), untersteht für diese Tätigkeit nicht dem Bundesgesetz über die Handelsreisenden, sondern der kantonalen Gesetzgebung über den Hausierhandel (Art. 16 der Vollziehungsverordnung zum HRG).
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Von dieser Ordnung gibt es eine einzige Ausnahme. Das Mitführen von Waren fällt nur dann unter das HRG und nicht unter die kantonale Gesetzgebung, wenn es sich um einen Grossreisenden und um Waren handelt, deren sofortige Übergabe an den Käufer für den Geschäftsbetrieb des Verkäufers notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 HRG). Für diese Verkaufstätigkeit bedarf es einer besonderen Bewilligung des Bundesrates, die nur für bestimmte Waren von besonderem Wert erteilt wird, und zwar laut Schreiben des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes vom 2. November 1960 für Edelmetallwaren, Edelsteine und Perlen, Uhren aus Edelmetall, Pelze und Felle, Orientteppiche, Kunstgegenstände, Originalgemälde und Handzeichnungen. Der Grossreisende, der solche Waren ohne die erforderliche Ermächtigung mit sich führt, unterliegt den Strafbestimmungen des HRG (Art. 14 Abs. 1 lit. b). Führt er dagegen Waren mit sich, für die die Ausnahmebewilligung zur sofortigen Abgabe an den Käufer im Sinne des Art. 8 Abs. 2 überhaupt nicht erteilt werden kann, so gilt auch er nach Art. 16 der Verordnung als Hausierer, auf den ausschliesslich die kantonale Gesetzgebung Anwendung findet.
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2. Der Beschwerdeführer hat im Sinne von Art. 8 Abs. 1 HRG Waren mit sich geführt, indem er unmittelbar nach der Bestellungsaufnahme, nämlich fünf Stunden nachher, das Metallauffrischungsmittel von einem nichtständigen Lager aus dem Besteller abgeliefert hat. Das in Form einer Paste verkaufte Metallauffrischmittel fällt nach seiner Art und Gattung nicht unter die Waren, deren sofortige Übergabe an den Käufer gemäss Art. 8 Abs. 2 gestattet werden kann. Der Beschwerdeführer war daher nicht Handelsreisender, sondern Hausierer und unterstand als solcher der kantonalen Gesetzgebung, ohne Rücksicht darauf, ob bei ihm die in Art. 3 Abs. 1 genannten Merkmale des Grossreisenden zutrafen oder nicht. Diese Frage wäre nur von Bedeutung, wenn der Beschwerdeführer Waren der in Art. 8 Abs. 2 vorausgesetzten Art verkauft hätte; dabei hätte allerdings die Eigenschaft eines Grossreisenden nicht mit der von der Vorinstanz gegebenen Begründung verneint werden können, dass der Verkaufspreis der angebotenen Ware ein niedriger gewesen sei, da es nach Art. 3 nicht darauf, sondern allein auf den Charakter der besuchten Kundschaft ankommt.
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Das Obergericht hat zu Recht kantonales Recht angewendet und infolgedessen durch die Nichtanwendung des HRG Bundesrecht nicht verletzt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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