1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Februar 1961 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Schlumpf.
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Regeste
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Art. 42 StGB; Verwahrung, Anrechnung der verbüssten Strafe bzw. der Untersuchungshaft auf die Mindestdauer.
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2. Kann die verbüsste Strafzeit bzw. die Untersuchungshaft auf die dreijährige Mindestdauer gemäss Ziff. 5 Satz 1 angerechnet werden (Erw. 3)?
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Aus den Erwägungen:
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Diese Auffassung geht fehl. Nach dem Wortlaut des Gesetzes tritt die Verwahrung an die Stelle der ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Dass sie noch vollziehbar, d.h. weder verbüsst noch durch Untersuchungshaft getilgt sei, verlangt Art. 42 somit nicht. Die gegenteilige Annahme entspricht aber auch nicht dem Zweck der Massnahme. Die Verwahrung wird nicht angeordnet, um dem Verurteilten den Strafvollzug zu ersparen, sondern weil bei ihm, nachdem er trotz der Verbüssung zahlreicher Freiheitsstrafen erneut rückfällig geworden ist, offensichtlich die Strafe nichts nützt. Daher soll die Gesellschaft vor ihm geschützt werden, und zwar nicht bloss für wenige Tage, Wochen oder Monate, wie das bei Verbüssung einer Freiheitsstrafe von dieser Dauer der Fall wäre, sondern auf mindestens drei Jahre. Dieses Bedürfnis entfällt nicht dadurch, dass der Verurteilte, von dem nach seinem Vorleben angenommen werden muss, es sei gegen seine Neigung zu Verbrechen oder Vergehen nicht aufzukommen, eine Freiheitsstrafe von einigen Tagen, Wochen oder Monaten verbüsst hat oder solange in Untersuchungshaft war. Es fehlt daher ein sachlicher Grund, in einem solchen Falle bloss wegen der durch die Strafverbüssung oder durch die Untersuchungshaft geleisteten Sühne von der zum Schutze der Gesellschaft nach wie vor gebotenen Sicherungsmassnahme abzusehen. Weil die Verwahrung einem andern Zwecke dient als die Sühne, kann diese der Anordnung der Massnahme nicht im Wege stehen.
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Wie in BGE 69 IV 53 ausgeführt wurde, kann die Wendung, die Verwahrung trete an die Stelle der ausgesprochenen Strafe, daher nur bedeuten, dass im Falle der Anordnung der Verwahrung lediglich diese, nicht - wie andere Rechtsordnungen es vorgesehen haben - auch die Strafe vollzogen werde. In diesem Sinne ersetzt sie den Vollzug der Strafe. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Verwahrung unzulässig sei, wenn die Strafe bereits getilgt ist. Das hiesse, um der geleisteten Sühne willen auf die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherung verzichten. Das will das Gesetz, weil mit der Massnahme ein wesentlich anderer Zweck verfolgt wird als mit der Strafe, nicht (BGE 69 IV 52 f. und für den Fall der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt gemäss Art. 43 StGB:BGE 73 IV 10 f.). Es kann sich bei der Verwahrung nach Art. 42 StGB nicht anders verhalten als in Fällen der Verwahrung, Versorgung oder Behandlung gemäss Art. 14 und 15 StGB, wo auf der Hand liegt, dass die Tilgung der Strafe die Anordnung der Massnahme nicht ausschliesst, ist diese doch sogar zulässig, wenn der Täter wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen wird.
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3. a) Hingegen stellt sich die Frage, ob im Falle der Verwahrung nach Art. 42 StGB der Umstand, dass der Verurteilte die Freiheitsstrafe bereits ganz oder teilweise verbüsst hat, nicht insofern zu berücksichtigen sei, als die verbüsste Strafzeit von der dreijährigen Mindestdauer der Massnahme (Art. 42 Ziff. 5 Satz 1) in Abzug gebracht wird. Das Gesetz sagt hierüber nichts. Vor allem nimmt Art. 42 StGB im Zusammenhang mit der Festsetzung der Mindestdauer der Verwahrung in keiner Weise Bezug auf die Möglichkeit, dass die Strafe verbüsst wird, bevor der Vollzug der Massnahme einsetzt. Art. 69 StGB sodann regelt einen andern Sachverhalt, nämlich die Anrechnung von Untersuchungshaft. Das ergibt sich nicht bloss aus dem Randtitel und dem klaren Wortlaut der Bestimmung, sondern auch aus ihrem Inhalt, indem wohl die Untersuchungshaft, nicht aber die Strafverbüssung durch das Verhalten nach der Tat herbeigeführt werden kann. Dementsprechend wurde in der Beratung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 69 nur für die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe gelten solle (Sten. Bull. Sonderausgabe, NatR 212, 214), was übrigens auch die Einreihung der Vorschrift im Gesetz, im Abschnitt "Strafzumessung", zum Ausdruck gebracht hat.
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Angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers, der durch Art. 69 StGB lediglich die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe regeln wollte, ginge es auch über den Rahmen sinngemässer Auslegung des Gesetzes hinaus, wenn man anhand der in dieser Bestimmung aufgestellten Grundsätze auch die Frage der Anrechnung einer verbüssten Strafe auf die Massnahme des Art. 42 StGB entscheiden wollte. Kann aber dem Gesetz nach Wortlaut und Auslegung keine Vorschrift entnommen werden, die diesen Fall erfasst, so liegt eine Lücke vor, die vom Richter durch eigene Rechtsfindung zu überbrücken ist. Dieser stände Art. 1 StGB bloss dann im Wege, wenn sich ihr Ergebnis für den Verurteilten belastend auswirken würde (vgl. BGE 70 IV 26; ferner GERMANN, Kommentar zum StGB, N. 123 zu Art. 1 und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung), was jedoch nicht der Fall ist, wenn die aufzustellende Norm die Anrechnung der verbüssten Strafe auf die dreijährige Mindestdauer der Verwahrung erlaubt.
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Eine dahingehende Regel drängt sich in der Tat auf. Die Verwahrung bezweckt, wie bereits oben in Erw. 1 und 2 ausgeführt wurde, in erster Linie die Sicherung der Öffentlichkeit vor unverbesserlichen und sozial gefährlichen Rechtsbrechern. Darüber hinaus soll nebenbei mit der Massnahme auch eine erzieherische Beeinflussung des Verwahrten angestrebt werden (BGE 84 IV 148). Die Gesellschaft ist aber vor dem Verurteilten, während er eine Freiheitsstrafe verbüsst, nicht minder gesichert als wenn er im Sinne von Art. 42 StGB verwahrt ist. Ebenso ist die Möglichkeit der Besserungseinwirkung während der Strafverbüssung mindestens so gross wie während dem Vollzug der Massnahme. Werden demnach aber die mit der Verwahrung verfolgten Zwecke auch durch die Strafverbüssung gewährleistet, so wäre es unbillig, wenn die verbüsste Strafzeit von der dreijährigen Mindestdauer der Verwahrung nicht in Abzug gebracht werden könnte. Diese Anrechnung rechtfertigt sich umsomehr, als sich der Vollzug der Verwahrung in verschiedener Hinsicht nicht stark von demjenigen einer Gefängnis- oder Zuchthausstrafe unterscheidet (vgl. THORMANN/OVERBECK, N. 5 ff. zu Art. 42). Die Verwahrung kann in einer Abteilung eines Zuchthauses oder eines Gefängnisses vollzogen werden, der Verwahrte trägt - wie das auch für den Strafgefangenen gilt - besondere Anstaltskleidung, erhält Anstaltskost, wird zur Arbeit angehalten und bringt in der Regel die Nachtzeit in Einzelhaft zu. Auch sein Recht, Besuche zu empfangen, und der Briefverkehr sind in ähnlicher Weise eingeschränkt wie bei den Strafgefangenen. Bestehen aber im Vollzug nicht erhebliche Unterschiede und werden die mit der Verwahrung verfolgten Zwecke auch mit dem Vollzug einer Freiheitsstrafe erreicht, so liefe es auf eine durch keine sachlichen Gründe gerechtfertigte Härte hinaus, wenn der Verurteilte, der nach Art. 42 StGB verwahrt wird, auch dann mindestens drei Jahre in der Verwahrung bleiben müsste, wenn er vor dem Vollzug der Massnahme bereits die Freiheitsstrafe verbüsst hat, an deren Stelle die Massnahme tritt.
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b) Ist die verbüsste Strafe auf die Mindestdauer der Verwahrung anzurechnen, so kann auch die Anrechnung der Untersuchungshaft, soweit der Täter sie nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat, auf die dreijährige Frist des Art. 42 Ziff. 5 Satz 1 StGB nicht versagt werden. Der Hauptgrund für die Anrechnung der verbüssten Strafzeit auf die dreijährige Mindestdauer der Verwahrung, nämlich dass die bei der Massnahme im Vordergrund stehende Sicherung der Gesellschaft während der Strafverbüssung ebensogut gewährleistet ist wie während dem Vollzug der Massnahme, trifft sinngemäss auch bei der Untersuchungshaft zu; auch durch sie wird der Sicherungszweck erreicht. Anderseits bietet die Untersuchungshaft freilich nicht die gleiche Möglichkeit zur Besserungseinwirkung wie die Verwahrung und der Strafvollzug. Allein dieser Zweck ist bei der Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern, anders als bei den Massnahmen der Art. 43 ff. StGB (vgl. hinsichtlich der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt insbesondere BGE 73 IV 10 f.), von derart untergeordneter Bedeutung (BGE 84 IV 148), dass es unbillig wäre, bloss weil während der Untersuchungshaft die Möglichkeit der erzieherischen Beeinflussung geringer ist als während des Strafvollzuges, die Anrechnung auf die Mindestdauer der Verwahrung für die verbüsste Strafzeit zuzulassen, für die Untersuchungshaft dagegen auszuschliessen. Wäre sie für diese unzulässig, so würde das übrigens darauf hinauslaufen, jene Verwahrten, die nach dem Recht des sie verfolgenden Kantons die Strafe nicht vorzeitig antreten konnten und deshalb in Sicherheitshaft bleiben mussten, gegenüber den andern, denen diese Möglichkeit offenstand und die vom vorzeitigen Strafantritt Gebrauch machten, zu benachteiligen: sie hätten unbekümmert um die erlittene Untersuchungshaft und deren Dauer mindestens drei Jahre in der Verwahrung zu bleiben, während die letzteren durch den vorzeitigen Strafantritt eine Verkürzung der Mindestdauer des Art. 42 Ziff. 5 Satz 1 StGB um die verbüsste Strafzeit und damit unter Umständen eine ganz erhebliche Abkürzung der Freiheitsentziehung erwirken könnten.
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Gründe der Billigkeit, die übrigens auch der Regelung des Art. 69 StGB zugrunde liegen, gebieten daher, die Untersuchungshaft, soweit sie nach Art. 69 StGB auf die Strafe angerechnet werden kann, gleichfalls von der dreijährigen Mindestdauer der Verwahrung in Abzug zu bringen. Das entspricht nicht nur der Praxis des Bundesrates als oberster Aufsichtsbehörde und Beschwerdeinstanz in Sachen des Strafvollzuges (vgl. KURT, ZStR 1954, S. 80 ff.), der sich zahlreiche kantonale Strafvollzugsbehörden angeschlossen haben, sondern auch der Regelung, die Art. 42 Abs. 2 des Entwurfes zur Revision des StGB (in der Fassung der Expertenkommission) vorsieht.
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