BGE 90 IV 94 - Vereitelung der Blutprobe
 
20. Urteil des Kassationshofes
vom 1. Mai 1964
i.S. Oes gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
 
Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG; Anordnung der Blutprobe.
1.  Diese Bestimmung setzt für den Fall, dass der Täter die Feststellung seiner Angetrunkenheit vereitelt, nicht voraus, dass die Blutprobe oder die zusätzliche ärztliche Untersuchung bereits amtlich angeordnet worden sei.
2.  Der angetrunkene Fahrer, der nach einem Unfall die Flucht ergreift, weil er eine Blutprobe befürchtet, macht sich nicht nur nach Art. 92, sondern auch nach Art. 91 Abs. 3 SVG strafbar.
 
Sachverhalt
A.
Oes fuhr am 17. Februar 1963 gegen Mitternacht am Steuer eines Volkswagens auf der Werdstrasse in Zürich stadtauswärts. Auf der Kreuzung mit der Stauffacherstrasse stiess er mit einem von links kommenden Personenwagen zusammen, der abgedreht wurde und gegen einen Baum prallte. Oes, der angetrunken war, hielt nicht an. Er befürchtete, sich einer Blutprobe unterziehen zu müssen, und ergriff deshalb die Flucht. Die Nacht verbrachte er auswärts.
B.
Das Bezirksgericht Zürich fand Oes des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall (Art. 92 Abs. 1 SVG) schuldig und bestrafte ihn mit zwanzig Tagen Haft. Von der Anklage, den Zweck einer Blutprobe vereitelt zu haben (Art. 91 Abs. 3 SVG), sprach es ihn frei.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Oes am 25. November 1963 dieses Vergehens ebenfalls schuldig und verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis und Fr. 100.-- Busse.
C.
Oes führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von der Anschuldigung, sich gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG strafbar gemacht zu haben, freizusprechen. Er macht geltend, diese Bestimmung setze in jedem Falle eine amtlich angeordnete Massnahme voraus; an einer solchen fehle es hier. Wer fliehe, mache sich zudem nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimme. Dies treffe nach Art. 92, nicht aber nach Art. 91 Abs. 3 SVG zu.
Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Oes gegen das gleiche Urteil eingereicht hat, ist vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 20. März 1964 abgewiesen worden.
 
Auszug aus den Erwägungen:
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach Art. 91 Abs. 3 SVG wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt.
 
Erwägung 1
1.- Nach ihrem Wortlaut scheint sich die Bestimmung nur auf Blutproben und zusätzliche ärztliche Untersuchungen zu beziehen, die bereits amtlich angeordnet worden sind ("ordonnés par l'autorité", "ordinati dall'autorità"). Eine solche Auslegung würde dem wahren Sinn der Norm jedoch nicht gerecht und kann deshalb nicht massgebend sein (vgl. BGE 87 IV 118 Erw. b und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). Art. 91 Abs. 3 SVG beruht auf der Überlegung, dass namentlich Fahrzeugführer, bei denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, geeigneten Untersuchungen zu unterziehen sind (Art. 55 Abs. 1 SVG) und dass sie bestraft werden sollen, wenn sie sich solchen Untersuchungen widersetzen oder entziehen oder deren Zweck, d.h. die Feststellung, ob und allenfalls in welchem Grade sie angetrunken seien, vereiteln. Diese Feststellung kann ein Fahrer unter Umständen schon verunmöglichen, bevor die Polizei sich überhaupt darüber Rechenschaft geben kann, ob eine Blutprobe anzuordnen sei. Das trifft z.B. zu, wenn er noch vor Eintreffen der Polizei weitern Alkohol zu sich nimmt oder wenn er, wie der Beschwerdeführer, nach dem Unfall flüchtet und erst am folgenden Tag aufgegriffen werden kann. Dass sich in solchen Fällen eine nachträgliche Anordnung der Blutprobe oft als zwecklos erweisen muss, ist dem Gesetzgeber nicht entgangen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II S. 39 und 63). Die Zulässigkeit der Strafe kann folglich im Falle der Vereitelung nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Massnahme bereits amtlich angeordnet worden sei. Die gegenteilige Auffassung wäre mit dem Bestreben des Gesetzes, den Führer, der die Feststellung der Angetrunkenheit verunmöglicht, gleich zu bestrafen wie denjenigen, der des Fahrens in angetrunkenem Zustande überführt ist, nicht vereinbar.
Dass blosse Flucht nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen bestraft werden darf, hilft dem Beschwerdeführer nicht. Art. 91 Abs. 3 SVG frägt nicht danach, mit welchen Mitteln der Täter den Zweck der Massnahmen vereitelt. Die Bestimmung verlangt auch nicht, dass er besondere Vorkehren treffen müsse, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint. Es genügt, dass dem Täter ein Verhalten zur Last gelegt werden muss, das auf Vereitelung des Nachweises angelegt ist, in angetrunkenem Zustande ein Fahrzeug geführt zu haben. Der angetrunkene Fahrer, der nach einem Unfall die Flucht ergreift und sich, wie der Beschwerdeführer, dem Zugriff der Polizei solange entzieht, bis die Angetrunkenheit abgeklungen und damit nicht mehr feststellbar ist, macht sich deshalb nicht nur nach Art. 92, sondern auch nach Art. 91 Abs. 3 SVG strafbar.
 
Erwägung 2
 
Entscheid:
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.