BGE 94 IV 34 |
9. Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1968 i.S. Firma A. gegen X. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. |
Regeste |
Art. 13 lit. b UWG. Unrichtige oder irreführende Angaben. |
2. Der Vorsatz der Irreführung ist gegeben, wenn der Täter die Inserate erscheinen lässt, obschon er weiss oder nach den Umständen annehmen muss, das Publikum dadurch zu täuschen (Erw. 2 a). |
3. Wer in Inseraten mutwillige Behauptungen aufstellt oder sich von unlauteren Werbemethoden anderer leiten lässt, kann sich nicht auf Rechtsirrtum berufen (Erw. 2 b). |
Sachverhalt |
A.- X. führt in Zürich ein Geschäftshaus, das vor allem Radio- und Fernsehapparate vertreibt. Im Sommer 1965 liess er in zwei Tageszeitungen der Stadt insgesamt fünf Inserate erscheinen, in denen er unter anderem Auto- und Kofferradios der Marken "Blaupunkt", "Grundig" und "Hitachi" zu Nettopreisen anbot. Die Apparate wurden näher bezeichnet, ihre Preise genau angegeben. Die Angebote trugen jeweils die durch Fettdruck besonders hervorgehobene Überschrift "Billigste Preise der Schweiz" und begannen mit dem etwas kleiner geschriebenen Satz "Seit 13 Jahren 20-40% Rabatt im ersten Discounthaus der Schweiz".
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Die Firma A. hielt die Inserate für unlauteren Wettbewerb und stellte am 15. September 1965 gegen X. Strafantrag. Sie wies darauf hin, dass sie sieben Radioapparate, die in den Inseraten aufgeführt würden, laut ihrem eigenen Angebot um Fr. 1.25 bis 9.- billiger verkaufe als X; dessen Behauptung, dass er die Apparate zu den billigsten Preisen der Schweiz anbiete, stelle daher eine unrichtige Angabe im Sinne von Art. 13 lit. b UWG dar. X. habe auch vorsätzlich gehandelt, da ihm die tieferen Preise der Firma A. bekannt gewesen seien.
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B.- Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin am 2. November 1967 auch das Obergericht des Kantons Zürich sprachen X. frei.
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Das Obergericht begründet den Freispruch insbesondere damit, dass die Anpreisungen von Radiogeschäften der Jahrmarktreklame nahekämen und daher rechtlich wie diese zu behandeln seien; der Durchschnittskäufer lasse sich durch solche Reklame nicht blenden, sondern mache von sich aus die nötigen Abstriche. Wenn sie von einem Discountgeschäft ausgehe, wie der Angeklagte eines betreibe, so knüpfe die Reklame freilich an die beim Publikum vorhandene Vorstellung an, Geschäfte dieser Art seien billiger; auch habe X. es nicht bei blossen Behauptungen bewenden lassen, sondern diese mit überprüfbaren Angaben zu belegen versucht. Seine Inserate wirkten jedoch wegen der Überschrift und weiterer Übertreibungen derart marktschreierisch, dass sie nur von einem kleinen Teil der Leser ernst genommen würden.
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Inhaltlich unrichtig und irreführend wären die Inserate zudem nur, wenn sie den Eindruck erweckten, man erhalte bei X. jeden Artikel billiger als anderswo. Das treffe nicht zu und werde auch von der Anzeigerin nicht behauptet. Die Firma A. habe aus den 48 angepriesenen Radio-, Tonband- und Fernsehgeräten lediglich sieben Autoradios herausgegriffen; die andern Artikel der Inserate übergehe sie mit Stillschweigen. Nach allgemeiner Anschauung verkaufe indes nicht derjenige Kaufmann am billigsten, der bloss einzelne Artikel billiger absetze als seine Konkurrenten, sondern derjenige, der im Durchschnitt am billigsten liefere. Das hange vom gesamten Angebot und Preisgefüge eines Geschäftes ab. Dass der Angeklagte aber bei dieser Betrachtungsweise nicht am billigsten verkaufe, habe die Anzeigerin weder behauptet noch dargetan.
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C.- Die Firma A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeschuldigten an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- X. hält die Beschwerde für unbegründet.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
Ob die eingeklagten Inserate unrichtige oder irreführende Angaben im Sinne dieser Bestimmung enthalten, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüfen kann. Sie beurteilt sich weder nach der Art, wie andere Radiogeschäfte die Ware anzupreisen pflegen, noch danach, wie X. die Preise festsetzt und was er selber davon hält. Massgebend ist vielmehr, welchen Sinn der unbefangene Leser den Inseraten in guten Treuen beilegen darf. Dieser Sinn ist auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGE 90 IV 45). Dabei sind an die Würdigung von Einzelheiten vor allem dann keine strengen Anforderungen zu stellen, wenn es um Inserate geht, die sich wie die vorliegenden an breite Schichten der Bevölkerung richten. Solche Angebote werden namentlich von einfachen Leuten erfahrungsgemäss schnell gelesen und nicht kritisch geprüft. Auch braucht nicht untersucht zu werden, ob Käufer sich von falschen Angaben leiten lassen oder ob sie die Ware auch bei wahrheitsgemässer Anpreisung erstehen würden. Angaben im Sinne von Art. 13 lit. b UWG sind an sich unerlaubt, gleichviel, ob jemand tatsächlich getäuscht oder irregeführt werde; erforderlich ist bloss, dass sie dazu geeignet sowie darauf angelegt sind, das eigene Angebot zu begünstigen. Darüber aber, dass diese Erfordernisse hier erfüllt sind, können keine Zweifel bestehen.
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a) Auf dem Radiomarkt besteht heute wegen des grossen und vielfältigen Angebotes von Apparaten ein harter Preiskampf. Die Mitbewerber suchen einander zuvorzukommen, indem sie die Ware unter den Katalogpreisen anbieten und sich mit einer kleinern Handelsmarge begnügen. Die Inhaber von Discountgeschäften haben dabei den Vorteil für sich, dass sie mit weniger Dienstleistungen auskommen und die Ware schon deshalb billiger verkaufen können als herkömmliche Fachgeschäfte. Sie machen damit denn auch in der Erwartung Reklame, dass Interessenten, die besonders günstig einkaufen wollen, die Angebote der Discountgeschäfte gerade deswegen für die billigsten halten und andern vorziehen. Auch X. weist in seinen Inseraten darauf hin, dass er ein Discountgeschäft führe und deshalb in der Lage sei, aussergewöhnliche Rabatte von 20-40% zu gewähren, die Katalogpreise also um so viele Prozente zu unterbieten. Schon aus diesen Gründen lässt sich die gross und fettgedruckte Behauptung des Angeklagten, dass er zu den billigsten Preisen der Schweiz verkaufe, nicht als offensichtliche Übertreibung oder blosse Jahrmarktreklame abtun.
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Dazu kommt, dass X. es nicht bei Behauptungen bewenden liess, sondern diesen Auszüge aus Preislisten über Radio-, Tonband- und Fernsehgeräte beifügte. Er zählte jeweils drei Reihen solcher Artikel auf, die er näher bezeichnete und zu den ebenfalls angegebenen Nettopreisen zu verkaufen versprach. Damit machte er die Leser aber glauben, er biete alle aufgeführten Apparate zu den billigsten Preisen der Schweiz an, jeder andere Konkurrent im Lande verkaufe sie also teurer als er; jedenfalls waren seine Behauptungen im dargelegten Zusammenhang geeignet, bei einem Grossteil der Leser diesen Glauben zu erwecken. Seine Behauptungen trafen jedoch, wie die Firma A. im Verfahren nachgewiesen hat, schon im Verhältnis zu dieser Firma nicht zu, waren folglich irreführend. Die Anzeigerin wirft ihm daher mit Recht vor, dass seine Inserate gegen Art. 13 lit. b UWG verstossen.
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b) Das Obergericht meint freilich, die Frage, ob die Inserate des Angeklagten inhaltlich unrichtig oder irreführend seien, hange nicht von den darin angeführten Preisen, sondern vom gesamten Angebot und Preisgefüge seines Geschäftes ab. Für eine solche Auffassung lässt sich den Inseraten des X. indes nichts entnehmen. Das Obergericht übersieht selber nicht, dass X. nicht bloss rundheraus behauptete, er verkaufe zu den billigsten Preisen der Schweiz, sondern dafür jeweilen "einige Beispiele" anführte. Unter diesen Umständen hatte er aber für die Wahrheit der angegebenen Preise einzustehen, da die vergleichende Werbung nur zulässig ist, wenn die Vergleichung objektiv wahr und nicht irreführend ist (BGE 87 II 116 und dort angeführte Urteile). X. hat die als Beispiele aufgeführten Waren zu bestimmten Preisen, die angeblich die günstigsten im Lande waren, angeboten; er muss sich folglich dabei behaften lassen, gleichviel, wie sich seine Durchschnittspreise zu denjenigen anderer Geschäfte verhalten.
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Dass er die Behauptung "Billigste Preise der Schweiz" in Fettdruck, die Beispiele dagegen in gewöhnlicher Schrift wiedergeben liess, ändert daran nichts; der Sinn der Inserate war deswegen kein anderer. Die Irreführung lässt sich auch nicht damit verneinen, dass die billigeren Preise, welche die Firma A. nachweisen konnte, bloss sieben Artikel betrafen und nur um einige Franken tiefer lagen. Es genügt, dass die Angaben des X. insoweit falsch waren; um wieviel sie von der Wahrheit abwichen, kann höchstens bei der Strafzumessung von Belang sein. Schliesslich kann für die Beurteilung des objektiven Tatbestandes auch nichts darauf ankommen, dass die Reklame auf dem Radiomarkt zu überborden droht. Selbst wenn mangels Strafantrages gegen unzulässige Reklame oft nicht eingeschritten wird, so heisst das nicht, dass der Richter einen klaren Verstoss gegen die geltende gesetzliche Ordnung mit der gegenseitigen Toleranz der Mitbewerber verharmlosen dürfe, ist doch das Bedürfnis, bei der steigenden Flut trügerischer Werbung dagegen streng vorzugehen, umso grösser. Missbräuchen wäre der Weg erst recht geebnet, wenn anders entschieden würde.
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c) Nach ihrem Text und ihrer Aufmachung kann sodann nicht zweifelhaft sein, dass die Inserate des X. den Zweck verfolgten, das eigene Angebot im Wettbewerb zu begünstigen. Der objektive Tatbestand des Art. 13 lit. b UWG ist somit auch in dieser Beziehung erfüllt.
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2. Das Obergericht bezweifelt, ob X. vorsätzlich gehandelt habe, da er mit Rücksicht auf seine geringeren Nebenkosten, die Rabatte und die längere Garantiezeit habe annehmen dürfen, er sei der billigste. Ein Autoradio könne nämlich, wie der Angeklagte mit Recht einwende, nicht für sich allein benützt werden, sondern sei zum Einbau in ein Fahrzeug bestimmt, weshalb es schliesslich darauf ankomme, wie teuer der eingebaute Apparat sei.
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a) Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Einwand des Angeklagten der Bejahung des objektiven Tatbestandes nicht im Wege steht, folglich auch subjektiv nicht von Bedeutung sein kann. Mehr als dass der Täter die objektiven Merkmale der Tat kennt und will, erfordert der Vorsatz nicht (Art. 18 Abs. 2 StGB). Der Vorsatz der Irreführung ist daher gegeben, wenn X. die Tat gewollt beging, obschon er wusste oder nach den Umständen annehmen musste, dass seine Angaben geeignet waren, Kaufsinteressenten zu täuschen. Das hängt von der Aufmachung und dem Inhalt seiner Inserate, nicht davon ab, was er von seinen Kosten für Zubehör und Einbau hält und welche Rabatte er auf die Katalogpreise gewährt. Der Angeklagte brachte in seinen Inseraten jeweils klar zum Ausdruck, dass die darin aufgeführten Preise "netto" zu verstehen seien; über allfällige Nebenkosten für Einbau und Inbetriebsetzung schwieg er sich nicht nur bei den Autoradios, sondern auch bei den übrigen Apparaten aus.
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Die Sache ist daher zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht hat festzustellen, ob X. sich bewusst gewesen sei, das Publikum durch die Inserate irrezuführen, und ob er mit diesen auch die Absicht verfolgt habe, das eigene Angebot im wirtschaftlichen Wettbewerb zu begünstigen. Als Vorsatz im Sinne von Art. 18 StGB hat dabei auch der Eventualvorsatz zu gelten (BGE 92 IV 67).
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b) Eine andere Frage ist, ob der Angeklagte aus zureichenden Gründen habe annehmen dürfen, er sei zur Tat berechtigt (Art. 20 StGB). Falls das Obergericht mit seinen Ausführungen zum Vorsatz die Frage bejahen wollte, so wäre diese Auffassung ebenfalls irrig. X. hat ohne Rücksicht auf die Mitbewerber behauptet, dass er zu den billigsten Preisen der Schweiz verkaufe, und die Behauptung mit genauen Preisangaben glaubhaft zu machen versucht. Ob die aufgeführten Preise wirklich die billigsten im Lande waren, konnte er jedoch nicht überprüfen. Seine Behauptung war daher mutwillig. Rechtsirrtum kommt ihm auch nicht schon deswegen zugute, weil andere Radiohändler sich angeblich gleich verhalten. Als Kaufmann muss der Angeklagte wissen, dass ihm dies kein Recht gibt, seinerseits mit unlauteren Mitteln zu werben.
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