21. Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1969 i.S. Nardo gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Baselland.
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Regeste
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Art. 34 Abs. 1 und 3 SVG, Art. 13 Abs. 1 VRV.
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2. Frage offen gelassen, ob vorzeitiges Einspuren bei Längsverkehr in beiden Richtungen nicht nur gegen Art. 34 Abs. 1 und 3, sondern auch gegen Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG verstosse (Erw. 3).
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Sachverhalt
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A.- Armin Nardo führte am 16. Dezember 1966 kurz vor 8 Uhr seinen Personenwagen "Plymouth" auf der Rheinstrasse von Westen her durch Schweizerhalle. Vor ihm fuhr ein Lieferwagen, der, von Max Plüss geführt, einem von Ernst Ischi gesteuerten Lastenzug folgte. Am Ostausgang von Schweizerhalle, wo die 11 m breite Strasse gerade verläuft, hielt Plüss nach links und setzte zum Überholen des Lastenzuges an. Nardo folgte ihm in einem Abstand von 10-20 m. Gleichzeitig nahte aus der Gegenrichtung ein von Edwin Messmer geführter Lastenzug, der bereits im Begriffe war, ein anderes Fahrzeug zu überholen. Plüss konnte das Überholmanöver noch vor dem Kreuzen der beiden Lastenzüge beenden. Der Personenwagen Nardos dagegen wurde trotz dem Versuch der Fahrer, zu bremsen und einander auszuweichen, vom entgegenkommenden Lastenzug erfasst und gegen den Anhänger Ischis geworfen.
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B.- Das Obergericht des Kantons Baselland verurteilte Nardo am 26. November 1968 wegen Übertretung von Art. 34 Abs. 3 und 4 sowie Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 150.--.
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C.- Der Verurteilte führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
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Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er beabsichtigt habe, die Fahrt auf der Rheinstrasse Richtung Zürich fortzusetzen und dass er zu diesem Zwecke vor der Verzweigung links am Lastenzug Ischis vorbei gegen die Strassenmitte eingespurt habe. Die Vorinstanz lässt das gelten. Wenn sie erklärt, der Angeklagte habe den Lastenzug Ischis noch vor der markierten Vorsortierung überholen wollen, so bedeutet das ihrem Urteil nach nicht, er habe nachher wieder einbiegen wollen; die Vorinstanz nimmt gegenteils an, dass angesichts der Strassenführung ein eigentliches Wiedereinbiegen überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Sie verneint also an sich nicht, dass der Beschwerdeführer eingespurt habe, nur sieht sie in dem bereits ausgangs von Schweizerhalle eingeleiteten Einspurmanöver einen Verstoss gegen Art. 34 Abs. 3 SVG und bezeichnet es gleichzeitig als nach Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG unzulässiges Überholen. 2. - Bei der Prüfung der Frage, ob Nardo sich pflichtwidrig verhalten habe, ist demnach mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer gemäss seiner Behauptung eingespurt hat.
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a) Nach Art. 13 Abs. 1 VRV ist frühzeitig einzuspuren. Das heisst, dass der Fahrer rechtzeitig gegen die Strassenmitte zu halten hat, nicht aber, dass er beliebig früh nach links einspuren dürfe. Wer vorzeitig nach links einspurt, verstösst vielmehr gegen das Gebot des Rechtsfahrens (Art. 34 Abs. 1 SVG) und macht sich strafbar. Zu bedenken ist auch, dass das Einspuren nach links stets eine erhöhte Gefahr für den Längsverkehr darstellt und schon deshalb auf eine angemessene Strecke zu beschränken ist. Welche Strecke angemessen ist, lässt sich, wie der Kassationshof in BGE 94 IV 123 Erw. 2 ausgeführt hat, nicht ein für allemal in Metern festlegen. Für Innerortsverhältnisse wurde dort angenommen, dass die angemessene Strecke in der Regel zwischen 40 und 100 m liege.
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Der Beschwerdeführer näherte sich einer Verzweigung ausserorts, vor der die rechte Fahrbahn auf einer Länge von 108 m mit zwei Fahrspuren versehen, die Einspurstrecke also angegeben war. Er hatte sich folglich an die markierte Vorsortierung zu halten und hätte vorher nur einspuren dürfen, wenn besondere Verhältnisse das erfordert hätten. Dies traf aber offensichtlich nicht zu. Indem er bereits 500 bis 600 m vor dem Beginn der Einspurstrecke den rechten Strassenrand verliess und gegen die Leitlinie hielt, hat er daher selbst dann, wenn ihm ein äusserstes Ermessen zugestanden wird, viel zu früh nach links eingespurt.
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b) Der Beschwerdeführer hat zudem eingespurt, obwohl ihm nach dem eigenen Zugeständnis wegen des kleinen Abstandes auf den vor ihm fahrenden Lieferwagen des Plüss jede Sicht nach vorne verwehrt war; er konnte deswegen den entgegenkommenden Lastenzug Messmers denn auch erst im letzten Augenblick, als Plüss wieder nach rechts einbog, wahrnehmen. Damit hat der Beschwerdeführer aber die ihm nach Art. 34 Abs. 3 SVG obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Gegenverkehr in grober Weise verletzt. Dass Messmer überholte und dabei die Leitlinie überfuhr, befreit ihn nicht; denn nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hatte Messmer auf der Gegenseite mit dem Überholmanöver begonnen, bevor der Beschwerdeführer einspurte. Abgesehen hievon erklärt die Vorinstanz die Tatsache, dass er dem Lieferwagen blindlings folgte, mit Recht als äusserst verkehrsgefährdend und unerlaubt. Da die Strasse vor der Einspurmarkierung in der Mitte nur eine Leitlinie aufwies, konnte sich der Beschwerdeführer keineswegs darauf verlassen, dass diese Linie beim Überholen aus der Gegenrichtung nicht überfahren werde.
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Ob Ischi beabsichtigte, Richtung Zürich oder Pratteln zu fahren, ist unerheblich. Der Beschwerdeführer gefährdete den Gegenverkehr auch dann, wenn Ischi nach Pratteln abzubiegen gedachte. Der schriftlichen Erklärung, mit der Ischi diese Absicht bestätigte, käme deshalb auch dann keine Bedeutung zu, wenn sie nicht erst mit der Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht worden wäre und infolgedessen nicht als neues Beweismittel zurückgewiesen werden müsste (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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3. Ist der Beschwerdeführer somit zu Recht wegen vorzeitigen Einspurens verurteilt worden, so kann dahingestellt bleiben, ob er sich mit seinem Manöver auch des unzulässigen Überholens nach Art. 35 SVG schuldig gemacht habe. Die Vorinstanz hält die Busse von Fr. 150.-- selbst dann für gerechtfertigt, wenn Nardo nur ein unzulässiges Einspurmanöver durchgeführt hätte, da er dabei dem Gegenverkehr gegenüber zur gleichen Vorsicht verpflichtet gewesen sei. Angesichts der groben Verletzung von Art. 34 Abs. 3 SVG, die leicht zu einem schweren Unglück hätte führen können, kommt der Beschwerdeführer mit der Busse von Fr. 150.-- in der Tat glimpflich weg. Gegen die Urteilsgründe allein aber ist die Nichtigkeitsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung nicht gegeben, wenn die ausgefällte Strafe nicht zu beanstanden ist (BGE 91 IV 172). Bei dieser darf es hier umsoeher sein Bewenden haben, als der Beschwerdeführer mit seinem Manöver nicht, wie die Vorinstanz angenommen hat, nur Art. 34 Abs. 3 SVG, sondern mit dem viel zu frühen Einspuren auch Art. 34 Abs. 1 SVG verletzt hat.
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Aus den gleichen Gründen braucht nicht geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer gegenüber dem ihm vorausfahrenden Lieferwagen einen ungenügenden Abstand gewahrt und damit Art. 34 Abs. 4 SVG verletzt habe. Entgegen der Vorschrift des Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP versucht er übrigens gar nicht darzutun, inwiefern das Urteil der Vorinstanz in diesem Punkte gegen Bundesrecht verstosse.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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