44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1969 i.S. Hänsli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Regeste
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Art. 32 SVG bietet keine Rechtsgrundlage für polizeiliche Eingriffe in verfassungsmässige Rechte.
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Sachverhalt
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A.- Robert Hänsli ist Teilhaber und Geschäftsführer der Baugesellschaft Moosacker mbH in Zürich, Eigentümerin der Liegenschaft Zürichstrasse 233-237 in Affoltern a.A. Zu dieser Liegenschaft gehört ein Mehrfamilienhaus mit einem Abstellplatz, der bis an die Strasse reicht und das Trottoir mitumfasst.
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Am 28. Juli 1968 führten zwei Funktionäre der kantonalen Verkehrspolizei von 17 Uhr an mittels eines Radargerätes auf dem Grundstück der Gesellschaft Geschwindigkeitsmessungen durch. Sie hatten zu diesem Zwecke den VW-Bus, in dem das Radargerät untergebracht war, auf dem Abstellplatz am Rand der Strasse aufgestellt. Um 19 Uhr erschien Hänsli mit seinem Personenwagen Oldsmobile auf dem Platze, um Farbkannen ins Haus zu bringen, und stellte seinen Wagen einige Meter vom Polizeifahrzeug entfernt auf. Das hatte zur Folge, dass das Messgerät nicht mehr funktionierte. Einer der Polizisten forderte deshalb Hänsli auf, seinen Wagen wegzustellen. Hänsli leistete der Aufforderung keine Folge, sondern brachte die Kannen ins Haus und entfernte sich mit seinem Wagen erst, als er dieses Geschäft beendigt hatte.
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B.- Das Bezirksgericht Affoltern verurteilte Hänsli am 26. März 1969 wegen Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) zu einer Busse von Fr. 500.--.
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Das Obergericht des Kantons Zürich, an welches der Angeklagte Berufung einlegte mit dem Antrag auf Freisprechung, eventuell Herabsetzung der Busse, bestätigte am 17. Juni 1969 das erstinstanzliche Urteil.
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C.- Gegen das Urteil des Obergerichtes erhob der Angeklagte Nichtigkeits- und staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht.
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Mit der Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er Aufhebung des Urteils und Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Freisprechung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts mit Urteil vom 26. November 1969 nicht eingetreten.
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Gegen das Urteil des Obergerichts hatte der Angeklagte auch die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich angemeldet, ohne dann innert der Frist eine Begründung einzureichen.
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Aus den Erwägungen:
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a) Art. 32 Abs. 2-5 SVG schreibt Höchstgeschwindigkeiten vor und ermöglicht weitere Geschwindigkeitsbeschränkungen. Den Kantonen ist es anheimgestellt, ob und mit welchen Mitteln sie die Einhaltung dieser Geschwindigkeiten kontrollieren. Hingegen enthält Art. 32 weder nach dem Wortlaut noch nach Entstehungsgeschichte, angestrebtem Zweck oder seinem wirklichen Sinn auch die Ermächtigung an kantonale Subalternbeamte, ohne weitere gesetzliche Erlasse direkt in geschützte Persönlichkeitsrechte einzugreifen. Das SVG gibt keine Rechtsgrundlage für eine solche Polizeiherrschaft. Bei dessen Schaffung ist denn auch für einen allgemein als nötig erachteten Eingriff in die persönliche Integrität, für die Blutprobe beim Verdacht der Angetrunkenheit eines Motorfahrzeugführers, bewusst eine besondere Bestimmung aufgestellt worden. Nach der Argumentation der Vorinstanz wäre dies völlig überflüssig, denn wenn die Polizei darüber zu wachen hat, dass keine Betrunkenen ihren Wagen herumführen, so wäre sie implicite auch berechtigt,die hiefür erforderlichen Kontrollmassnahmen ohne Respektierung der verfassungsmässigen Rechte zu treffen.
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b) Die Frage der polizeilichen Generalklausel ist hier nicht eine bundesrechtliche im Sinne von Art. 269 Abs. 1 BStP. Die mit der Radarkontrolle beauftragten Kantonspolizisten handelten nicht als Hilfsorgane der Bundespolizei oder einer anderen Bundesbehörde, sondern im Rahmen der gemäss Art. 106 Abs. 2 SVG (unter dem hier nicht zutreffenden Vorbehalt von Abs. 1) kantonalrechtlichen Durchführung des Strassenverkehrsgesetzes. Insoweit wäre also gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG nicht der Kassationshof, sondern die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts (nach Ausschöpfung der kantonalen Rechtsmittel) zuständig.
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3. Die Frage der materiellen Rechtmässigkeit der Amtshandlung stellt sich aber nach der Rechtsprechung des Kassationshofes bei der Anwendung von Art. 286 StGB überhaupt nicht. Nach Art. 286 wird bestraft, wer eine Behörde oder einen Beamten an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt. Innerhalb der Amtsbefugnisse liegt die Handlung nach dieser wie nach der insoweit gleichlautenden Bestimmung des Art. 285 dann, wenn die Behörde oder der Beamte zu ihrer Vornahme zuständig ist (BGE 74 IV 61Erw. 3,BGE 78 IV 118und seitherige Rechtsprechung). Ist das der Fall, hat sich der Betroffene ihr zu unterziehen, jedenfalls dann, wenn ihre Rechtswidrigkeit nicht ganz offensichtlich ist, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Vorbehalten bleiben ihm die gesetzlichen Rechtsmittel, insbesondere die Beschwerde, zur Anfechtung ihrer Rechtmässigkeit, ferner allenfalls die Verantwortlichkeitsklage gegen den Beamten und den Staat. Dagegen steht es ihm nach der angeführten Rechtsprechung nicht zu, sich der von einer zuständigen Amtsstelle vorgenommenen Handlung durch Gewalt oder durch Drohung zu widersetzen oder sie sonstwie zu hindern.
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Im vorliegenden Fall waren die beiden Polizeibeamten zur durchgeführten Geschwindigkeitskontrolle zuständig und sie haben unbestrittenermassen auch im Rahmen der Verfahrensvorschriften gehandelt, waren sie doch vom Polizeikommando mit der Massnahme beauftragt. Auf die Frage, ob die Polizisten berechtigt waren, für die Geschwindigkeitsmessungen den Boden der Baugesellschaft Moosacker in Anspruch zu nehmen, ist deshalb nicht einzutreten.
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