22. Urteil des Kassationshofes vom 1. Juni 1972 i.S. Büchi gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
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Regeste
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Art. 76 Abs. 2, 2. Satz SSV.
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Sachverhalt
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A.- Büchi fuhr am 21. Oktober 1970 in Bern mit seinem Personenwagen vom Inselplatz durch den mit dem Signal "Allgemeines Fahrverbot" und der Zusatztafel "Nur Zubringerdienst gestattet" gekennzeichneten Verbindungsweg in die Effingerstrasse. Da Büchi keinen Zubringerdienst ausführte, wurde er von der Polizei verzeigt.
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B.- Am 24. September 1971 verfällte der Gerichtspräsident VI von Bern Büchi wegen Nichtbeachtung des Fahrverbots in Anwendung der Art. 27 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 1 SVG in eine Busse von Fr. 20.-.
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Auf Appellation des Gebüssten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 18. Februar 1972 das erstinstanzliche Urteil.
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C.- Büchi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
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Von dieser Möglichkeit hat der Kanton Bern Gebrauch gemacht, indem er in Art. 4 des bernischen Gesetzes über die Strassenpolizei und die Besteuerung der Motorfahrzeuge vom 6. Oktober 1940 bestimmt, dass die Gemeinden die Strassensignalisation auf Gemeindestrassen durchführen; sie sind befugt, örtliche Verkehrsvorschriften aufzustellen. Nach § 47 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und die Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940 ist die Anbringung von Signalen auf Staatsstrassen Sache des kantonalen Strassenverkehrsamtes, auf Gemeindestrassen jene der Gemeinden.
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Die §§ 4 und 5 der genannten Verordnung bestimmen in Ausführung von Art. 3 Abs. 6 SVG, dass für gewisse kurzfristige Verkehrsbeschränkungen, Strassensperren und für Parkierungsverbote die Ortspolizeibehörden in eigener Befugnis handeln.
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In Auslegung dieser verschiedenen kantonalen Erlasse führt das Obergericht im angefochtenen Urteil aus, dass das bernische Recht die Signalisation auf einer Staatsstrasse dem Kanton und diejenige auf einer Gemeindestrasse den Gemeinden übertrage. An dieser Regelung würden auch die §§ 4 und 5 der zitierten Verordnung, insoweit darin der Ortspolizei für die erwähnten Fälle gewisse Befugnisse zugestanden werden, nichts ändern. Namentlich werde durch diese Vorschriften nicht etwa die Kompetenz der Gemeinden zur Anbringung von Signalen auf die in den §§ 4 und 5 umschriebenen Fälle beschränkt. Vielmehr sei für die Aufstellung von Signalen aller Art - auch von solchen zur Beschränkung des Fahrverkehrs - auf Gemeindestrassen die Gemeinde zuständig.
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Diese Ausführungen betreffen die Auslegung kantonalen Rechts, das im Verfahren auf Nichtigkeitsbeschwerde vor Bundesgericht nicht überprüft werden kann (Art. 268 Ziff. 1, 269 Abs. 1 BStP). Demnach steht verbindlich fest, dass die Gemeinde Bern am 3. Juni 1970 befugt war, den eine Gemeindestrasse darstellenden Verbindungsweg zwischen Inselplatz und Effingerstrasse mit einem Fahrverbot für Motorfahrzeuge zu belegen.
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Da die Verkehrsbeschränkung von der Gemeinde Bern am 3. Juni 1970 zudem im amtlichen Publikationsorgan veröffentlicht und am fraglichen Ort entsprechend signalisiert wurde, sind auch die Gültigkeitsvoraussetzungen für das Fahrverbot im Sinne von Art. 5 Abs. 1 SVG und Art. 82 Abs. 4 SSV erfüllt.
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Art. 27 Abs. 1 SVG schreibt dem Strassenbenützer jedoch allgemein die Beachtung der vorschriftsgemäss beschlossenen und angebrachten Signale und Markierungen vor, gleichgültig, ob diese von der zuständigen Behörde genehmigt worden sind oder nicht. Und Art. 76 Abs. 2 SSV verpflichtet die Kantone, die Aufsicht über die an die Gemeinden übertragenen Signalisationen auszuüben. Dass diese Aufsicht in einer der Bekanntmachung und dem Aufstellen eines Signals vorausgehenden Genehmigung durch die kantonale Behörde bestehen müsse, ist der genannten Bestimmung nicht zu entnehmen. Das Bundesrecht stellt vielmehr den Kantonen die Form der Beaufsichtigung frei.
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Art. 4 des bernischen Strassenpolizeigesetzes vom 6. Oktober 1940 spricht bloss von der "Genehmigung", die der Regierungsrat den von den Gemeinden angebrachten Signalen und Markierungen zu erteilen hat. Mit keinem Wort ist davon die Rede, dass die Zustimmung oder Ablehnung des Regierungsrates dem Anbringen oder der Bekanntmachung des Signals vorausgehen oder unmittelbar folgen müsse, damit die Verkehrsbeschränkung rechtsgültig und verbindlich sei. Vielmehr kann die erwähnte "Genehmigung" auch einfach bedeuten, dass der Kanton sich in Art. 4 des Strassenpolizeigesetzes das Recht vorbehält, nachträglich gesamthaft mehrere von einer Gemeinde erlassene Signalisierungen zu überprüfen und dabei gutzuheissen oder abzulehnen. Diese Frage betrifft indes die Auslegung kantonalen Rechts und kann deshalb vom Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nicht erörtert werden (Art. 269 Abs. 1 BStP). Es ist daher von der verbindlichen Feststellung des Obergerichts auszugehen, dass nach bernischer Regelung der regierungsrätlichen Genehmigung von kommunalen Signalisierungen bloss eine "deklarative Wirkung" zukommt. Die von einer Gemeinde verfügte Verkehrsbeschränkung werde also mit der Bekanntmachung und entsprechenden Signalisierung an Ort und Stelle verbindlich. Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Art. 4 des bernischen Strassenpolizeigesetzes seit jeher in der Weise gehandhabt, dass der Regierungsrat die von den Gemeinden verfügten Signalisierungen nicht einzeln im Zeitpunkt ihres Erlasses, sondern erst später und gesamthaft genehmigt. So ist auch im vorliegenden Fall die regierungsrätliche Genehmigung für das am 3. Juni 1970 formgültig erlassene und vorschriftsmässig signalisierte Fahrverbot zwischen Inselplatz und Effingerstrasse erst neun Monate danach, nämlich am 5. März 1971 erteilt worden. Die betreffende Verkehrsbeschränkung war somit am 21. Oktober 1970 verbindlich und musste von den Fahrzeugführern beachtet werden. Der Beschwerdeführer, der in der fraglichen Zeit das Verbindungssträsschen zwischen Inselplatz und Effingerstrasse befuhr, ohne Zubringerdienst auszuführen, hat daher dem Fahrverbot zuwidergehandelt und ist dafür zu Recht bestraft worden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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