41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Juni 1972 i.S. Kathriner gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
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Regeste
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Art. 307, 24 StGB. Falsches Zeugnis; Anstiftung dazu.
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2. Anstiftung zu falscher Aussage als Zeuge oder als Angeschuldigter? (Erw. 2 c).
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Sachverhalt
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A.- Am 8. Juli 1970 nach Mitternacht bemerkten zwei Kantonspolizisten bei einem Kontrollgang auf dem Brünig, dass sich im Restaurant Alpina mehrere Personen hinter verhängten Fenstern angeregt unterhielten. Sie erkannten die Stimme des Josef Kathriner. Da die Polizeistunde längst überschritten war, verlangten sie Einlass, mussten aber, obwohl sie sich zu erkennen gaben, unverrichteter Dinge abziehen. Tür und Fenster blieben verschlossen, das Gespräch im Innern brach ab. Anhand der Kontrollnummern stellten die Polizisten fest, dass die beiden vor der Wirtschaft stehenden Autos Hans Wenger und Josef Kathriner gehörten.
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Kathriner war Pächter des Restaurants Alpina und führte es zusammen mit der Serviertochter Irma Enz. Als Wirt mit vorläufig provisorischem Patent figurierte Walter von Ah, der sich aber wenig um den Betrieb kümmerte.
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B.- Die Polizisten verzeigten den Patentinhaber von Ah wegen Überwirtens und Nichtöffnens der Gastwirtschaft zur Kontrolle.
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Kathriner wurde am 31. Juli 1970 vom Untersuchungsrichter als Zeuge einvernommen. Er bestritt, im fraglichen Zeitpunkt im Restaurant Alpina gewesen zu sein. Am Nachmittag desselben Tages telefonierte er dem Untersuchungsrichter und gab zu, am Morgen falsch ausgesagt zu haben. Er habe sich mit den Ehegatten Wenger nach der Polizeistunde noch im "Alpina" aufgehalten. Der Untersuchungsrichter liess ihn sofort polizeilich vorführen und eröffnete ein Strafverfahren wegen falschen Zeugnisses.
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Frau Enz war vor Kathriner am selben Tag als Zeugin vernommen worden. Sie behauptete, am 8. Juli 1970 nach Mitternacht allein im "Alpina" verblieben zu sein. Ohne diese Aussage unterzeichnen zu lassen, eröffnete ihr der Untersuchungsrichter mündlich, er leite gegen sie ein Strafverfahren wegen falschen Zeugnisses und Hinderung einer Amtshandlung ein. Frau Enz hielt an ihrer Darstellung fest und nahm von der Eröffnung des Untersuchungsrichters Kenntnis, dass sie in Untersuchungshaft gesetzt werde. Erst jetzt liess der Untersuchungsrichter Frau Enz das Protokoll unterzeichnen. Angesichts der gegenteiligen Aussagen der Ehegatten Wenger und der korrigierten Aussage Kathriners gab Frau Enz zu, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sie machte geltend, Kathriner habe ihr geklagt, er sei in der Klemme, wenn sie die Wahrheit sage; das "Alpina" würde geschlossen.
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C.- Das Amtsgericht von Oberhasli verurteilte Irma Enz wegen Hinderung einer Amtshandlung zu Fr. 100.-- Busse, Josef Kathriner wegen Hinderung einer Amtshandlung sowie Nichtabgabe des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder trotz Aufforderung zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von einem Monat. Beide Angeklagten wurden von der Anklage des falschen Zeugnisses freigesprochen, Kathriner auch von der Anklage der Anstiftung zu falschem Zeugnis.
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In Gutheissung der Berufung des Staatsanwalts verurteilte das Obergericht des Kantons Bern am 19. November 1971 Irma Enz wegen falschen Zeugnisses und Hinderung einer Amtshandlung zu Fr. 200.-- Busse, Kathriner wegen falschen Zeugnisses und Anstiftung dazu, Hinderung einer Amtshandlung sowie Nichtabgabe von Fahrzeugausweis und Kontrollschildern trotz amtlicher Aufforderung zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von einem Monat.
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D.- Kathriner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Freisprechung von der Anklage des falschen Zeugnisses und der Anstiftung dazu.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
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Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht zeugnisfähig gewesen. Da er von Anfang an dringend einer strafbaren Handlung verdächtig war, hätte er nur als Angeschuldigter und nicht als Zeuge einvernommen werden dürfen.
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Der Natur der Sache nach und gemäss allgemein anerkanntem Prozessgrundsatz kann nicht Zeuge sein, wer im Verfahren Partei, insbesondere Beschuldigter ist (BGE 92 IV 207). Allgemein anerkannt ist ferner, dass auch ein schwer Tatverdächtiger nicht als Zeuge einvernommen werden darf; dies gilt entgegen der Meinung der Vorinstanz selbst im Verfahren gegen Dritte, soweit der Verdächtige sich durch seine Antworten selber belasten würde.
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Das Obergericht erklärt, es sei "keine Frage", ob ein Schuldverdächtiger als Zeuge einvernommen werden dürfe: für die Vollendung des falschen Zeugnisses gemäss Art. 307 StGB sei vielmehr von Bedeutung, ob er als Zeuge einvernommen wurde oder nicht. Der Beschwerdeführer erblickt in dieser Auffassung eine Verletzung von Art. 307 StGB und rügt anderseits die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach das Kriterium, ob eine Zeugenaussage gültig sei, eine Frage des kantonalen Prozessrechtes ist, als zu absolut. Diesen formellen Erfordernissen stehe noch eine materielle Komponente gegenüber, die nicht im kantonalen Recht, sondern in einem allgemeinen Rechtsgrundsatz wurzle: Zeuge könne nur sein, wer an der Sache unbeteiligt sei; sobald die Einvernahme darauf abziele, ein Geständnis zu erwirken, werde der Zeuge zum Angeschuldigten und seine Aussage verliere den Zeugnischarakter.
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Der vom Obergericht vertretenen These ist entgegenzuhalten, dass die Frage der Zeugnisfähigkeit sich nicht aus Art. 306-308 StGB lösen lässt. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches bezwecken die Erzwingung der Wahrheitspflicht des Zeugen. Ob jemand Zeuge sein kann und unter welchen Voraussetzungen, ist dagegen eine Frage des Verfahrensrechts (BGE 92 IV 207). Was der Beschwerdeführer gegen diese bundesgerichtliche Rechtsprechung vorbringt, dringt nicht durch. Auch wenn man anerkennt, dass die "Zeugeneinvernahme" eines ernsthaft Tatverdächtigen grundsätzlich nicht falsches Zeugnis sein kann, so handelt es sich bei diesem Grundsatz eben trotzdem um prozessuales und nicht um materielles Recht. Verletzt ein kantonales Gericht diesen Grundsatz, so kann das Urteil nicht wegen Verletzung von Bundesrecht durch Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Vorinstanz hat zwar fälschlich Bundesstrafrecht angewendet; da sie dies aber lediglich tat, indem sie es als Auslegungsmittel in einer Frage heranzog, die in Wirklichkeit kantonales Prozessrecht betrifft, liegt ein Nichtigkeitsgrund nicht vor (vgl.BGE 73 IV 135; BGE 96 II 63, BGE 93 II 191 a, BGE 83 II 348 E 1). Dagegen wäre einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eher Erfolg beschieden gewesen, nachdem das bernische Prozessrecht keine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz enthält und die Vorinstanz ihr von der bisherigen Berner Praxis abweichendes Urteil gar nicht auf prozessuale Bestimmungen gestützt hat.
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a) Der Beschwerdeführer bestreitet auch die Zeugenqualität von Frau Enz. Da sie tatverdächtig war, hätte sie nicht als Zeugin befragt werden dürfen. Somit hätte er jedenfalls nicht wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis, sondern höchstens wegen Versuchs dazu bestraft werden können. Ferner kritisiert er den Umstand, dass der Untersuchungsrichter Frau Enz anfänglich als Zeugin befragte und ihre Aussage protokollierte, dann aber ohne Abschluss des Protokolls und Unterzeichnung durch Frau Enz als Zeugin diese des falschen Zeugnisses beschuldigte und weiter zu Protokoll einvernahm, das sie schliesslich als Angeschuldigte unterschrieb.
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Die Frage nach der Zeugnisfähigkeit ist indessen, wie in Erwägung 1 dargelegt, eine solche des kantonalen Prozessrechts. Da das Gleiche für die Frage gilt, wann eine Zeugeneinvernahme beendet ist und ob, wie die Vorinstanz meint, Formfehler so, wie es hier angeblich geschehen ist, geheilt werden können, sind dem Kassationshof im Nichtigkeitsverfahren die Hände gebunden. Der Mangel hätte durch Willkürbeschwerde geltend gemacht werden müssen. Nachdem schon aus diesem Grunde auf die Beschwerde in diesen Punkten nicht einzutreten ist, kann offen bleiben, ob die Rüge eines wegen Anstiftung verurteilten Täters, der Haupttäter sei zwar rechtskräftig aber zu Unrecht verurteilt worden, überhaupt zu hören ist.
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b) Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, das angefochtene Urteil widerspreche auch materiell den aus den Akten ersichtlichen Tatsachen. Er habe Frau Enz in Wirklichkeit nie aufgefordert, falsch auszusagen. Damit kritisiert der Beschwerdeführer den für den Kassationshof verbindlich festgestellten Sachverhalt (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Mit solchen Rügen, die sich gegen die Beweiswürdigung richten, ist der Beschwerdeführer ausgeschlossen (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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c) Zu dem weiteren Einwand des Beschwerdeführers, bei den Besprechungen unter den Beteiligten habe niemand an eine gerichtliche Zeugeneinvernahme gedacht und darum habe er Frau Enz auch nicht dazu angestiftet, als Zeuge falsch auszusagen, nimmt das Obergericht nicht Stellung. Es stellt tatbeständlich fest, Kathriner habe im "Alpina" zu Frau Enz gesagt, er werde jetzt mit den Eheleuten Wenger weggehen "und niemandem etwas sagen". Frau Enz ihrerseits habe deponiert, Kathriner habe sie dazu verhalten, die Wahrheit zu verschweigen. Die Vorinstanz folgert zusammenfassend, es sei "der Beweis dafür ... erbracht, dass Kathriner Frau Enz-Wigger angestiftet und ihr zugleich das Versprechen abgenommen hat, vor dem Richter die Wahrheit zu verschweigen". Daraus ergibt sich noch nicht, dass Kathriner Frau Enz anstiftete, als Zeugin falsch auszusagen. Selbst wenn von der Aussage vor dem Richter die Rede war, so konnte damit ebensogut die Aussage als Angeschuldigte gemeint sein. Die Umstände sprechen für diese Annahme. Kathriner, die Eheleute Wenger und Frau Enz hatten soeben gemeinsam der Polizei die Kontrolle verunmöglicht; keiner hatte die Türe geöffnet, keiner auf die Rufe der Polizei geantwortet. Alle vier hatten sich möglichst still verhalten, um vorzutäuschen, ausser Frau Enz sei niemand in der Wirtschaft. Die Gruppe war sich darüber klar, dass die Polizei der Sache nachgehen werde, weshalb für die ihnen drohende Untersuchung vereinbart wurde, nichts Belastendes zuzugeben. In dieser Lage sahen jedenfalls der Beschwerdeführer und Frau Enz ihre Einvernahme als Eventualangeschuldigte voraus, da sie sich gemeinsam vergangen und Strafe zu gewärtigen hatten. Dass Frau Enz als Zeugin befragt würde, erschien dagegen nach der Sachlage ganz unwahrscheinlich. Der Umstand, dass Kathriner Frau Enz aufforderte, vor dem Richter die Wahrheit zu verschweigen, genügt somit nicht zur Verurteilung wegen Anstiftung zu falschem Zeugnis. Der Vorsatz Kathriners muss auch das Tatbestandsmerkmal umfassen, dass Frau Enz nicht als Angeschuldigte, sondern als Zeugin befragt werde. Davon hat sich der Richter wie von jedem andern Element des gesetzlichen Tatbestands materiell zu überzeugen und darüber von Amtes wegen Beweis zu führen. Die Sache ist deshalb nach Art. 277 BStP an das Obergericht zurückzuweisen, damit es sich in der zu treffenden neuen Entscheidung darüber ausspreche, ob und aufgrund welcher Tatsachen es dem Beschwerdeführer den genannten Vorsatz zur Last legt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, teilweise gutgeheissen und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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