BGE 99 IV 180 |
39. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 13. September 1973 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen Generalprokurator des Kantons Bern. |
Regeste |
Art. 346 StGB. |
Sachverhalt |
A.- Das Kantonsgericht Schaffhausen verpflichtete am 11. Februar 1969 den italienischen Staatsangehörigen Armando Trapletti, seinem ausserehelichen Kinde Michaela Maria Lässer von dessen am 17. November 1967 erfolgten Geburt an bis zur Vollendung des achtzehnten Altersjahres monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 120.-- zuzüglich allfällige gesetzliche oder vertragliche Kinderzulagen zu zahlen.
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Am 16./20. Mai 1973 erstattete die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, welche die Vormundschaft über Michaela Maria Lässer führt, beim Polizeikommando des Kantons Schaffhausen gegen Trapletti Strafanzeige wegen Vernachlässigung dieser Unterhaltspflicht. Sie machte geltend, Ende Mai 1973 erreichten die rückständigen Beiträge Fr. 7136.--. Der Beschuldigte habe in Schaffhausen zivilrechtlichen Wohnsitz, halte sich dort hin und wieder besuchsweise bei seinen Angehörigen auf, sei aber im übrigen an anderen Orten als Musiker tätig.
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Polizeiliche Erhebungen in den Kantonen Schaffhausen, Bern und Graubünden ergaben, dass der Beschuldigte vom 4. Dezember 1971 bis Ende Januar 1972 in Valbella (GR) gewesen war, sich im Juni 1973 in Biel aufhielt, den Monat Juli 1973 in Interlaken verbrachte und anschliessend je einen halben Monat in Basel und Luzern, nachher vierzehn Tage in Deutschland und schliesslich vom 15. September 1973 an in Feldrein am Wörtersee zu arbeiten beabsichtigte. Vom 6. Juni 1972 bis am 6. Juni 1973 soll er dem von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit dem Inkasso der Unterhaltsbeiträge beauftragten Amtsvormund von Tiefencastel insgesamt Fr. 600.-- geleistet haben.
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B.- Am 24. Juli 1973 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen den Generalprokurator des Kantons Bern, die Verfolgung des Beschuldigten im Kanton Bern einzuleiten. Der Generalprokurator antwortete am 26. Juli 1973, die Behörden des Kantons Schaffhausen seien zuständig.
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Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft stellte hierauf das Polizeikommando des Kantons Schaffhausen am 10. August 1973 durch Befragung des Vaters des Beschuldigten fest, dass dieser im Laufe eines Jahres zwei Wochen in Schaffhausen in den Ferien war und sich auch an zwei freien Sonntagen dort aufhielt.
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C.- Mit Gesuch vom 28. August/7. September 1973 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen der Anklagekammer des Bundesgerichtes, die Behörden des Kantons Bern zur Verfolgung und Beurteilung des Beschuldigten zuständig zu erklären.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: |
1. Wer in der Zeit, da er sich in der Schweiz befindet, im Sinne des Art. 217 StGB Unterhaltspflichten vernachlässigt, hat sich selbst dann hier zu verantworten, wenn der Unterhaltsberechtigte den Wohnsitz im Auslande hat. Der Unterhaltspflichtige kann diesfalls überall dort verfolgt werden, wo er zur Zeit, da er hätte erfüllen sollen, sich aufhielt. An diesen Orten fasste er den massgebenden Entschluss und dauerte sein böser Wille, seine Arbeitsscheu oder seine Liederlichkeit an, und hier unterliess er die Vorkehren, die er hätte treffen müssen, um dem Berechtigten die geschuldeten Leistungen zukommen zu lassen. Das sind im Sinne des Art. 346 StGB die Ausführungsorte seines Unterlassungsdeliktes (BGE 82 IV 68 f.).
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Bestehen mehrere Ausführungsorte im Sinne dieser Rechtsprechung, so befindet sich der Gerichtsstand an jenem, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde (Art. 346 Abs. 2 StGB). Es kommt nicht darauf an, an welchem der mehreren Orte der Beschuldigte sich länger aufgehalten hat oder im Zeitpunkt der Anhebung der Untersuchung sich befindet. Unerheblich ist auch, an welchem Orte er arbeitete und Verdienst hatte; denn die Erfüllungshandlungen sind nicht nur an diesem Orte, sondern überall dort vorzunehmen, wo der Unterhaltspflichtige weilt und dazu in der Lage ist, z.B. auch an seinen Ferienorten. Das ergibt sich schon daraus, dass auch der Müssige einen Gerichtsstand haben muss.
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3. Es besteht kein Grund, in sinngemässer Anwendung des Art. 263 BStP hievon abzuweichen. Die Einkommens- und Verdienstverhältnisse des Beschuldigten können von Schaffhausen aus nicht weniger gut festgestellt werden als von einem seiner stets wechselnden Arbeitsorte aus. Es ist namentlich nicht zu ersehen, inwiefern das vom Kanton Bern aus, den Trapletti schon wieder verlassen hat, besser geschehen könnte. Dazu kommt, dass der Beschuldigte in Schaffhausen seine Schriften hinterlegt hat, diesen Ort also als Mittelpunkt seines Lebens betrachtet, soweit ein herumreisender Musiker ein solches Zentrum überhaupt haben kann. Mit Schaffhausen bleibt er durch seine Angehörigen, die er von Zeit zu Zeit besucht, auch am engsten in Verbindung. Hier kann über ihn und seinen jeweiligen Aufenthaltsort Auskunft erhalten werden, und hier behalten ihn wegen seines polizeilichen Wohnsitzes vermutlich auch die Steuerbehörden im Auge. In Schaffhausen wurde auch der Prozess durchgeführt, in dem der Beschuldigte zur Leistung der Unterhaltsbeiträge verpflichtet wurde.
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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