3. Urteil des Kassationshofes vom 18. März 1977 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
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Regeste
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Art. 69 StGB; Anrechnung der Untersuchungshaft.
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2. Nicht anzurechnen ist die Haftzeit, soweit der Beschuldigte durch falsche Angaben unnötige Erhebungen veranlasst und dadurch das Verfahren über die ordentliche Dauer hinaus verlängert (E. 3c).
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Sachverhalt
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Der türkische Staatsangehörige K. ist am 1. Oktober 1970 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Diebstahls usw. zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und für die Dauer von 15 Jahren des Landes verwiesen worden. In der Nacht vom 4./5. Oktober 1970 floh er aus der Strafanstalt Regensdorf.
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Im Oktober 1970 verübte er u.a. durch Einbrüche eine erste Reihe strafbarer Handlungen, die vor allem seinem Fortkommen nach der Flucht dienten und eher geringfügig waren. Wegen verschiedener Einbruchdiebstähle im Ausland war er sodann in der Zeit vom März 1971 bis Juni 1975 immer wieder in Gefängnissen in Italien, Österreich und Deutschland inhaftiert. Ab 1. September 1975 reiste er trotz der Landesverweisung wiederholt in die Schweiz ein und beging hier schwere Einbruchdiebstähle, bis er am 21. Oktober 1975 in Lausanne verhaftet wurde. Von da an bis und mit dem 10. Mai 1976 war er in Untersuchungshaft. Seither befindet er sich im Strafvollzug, um die frühere, durch Urteil vom 1. Oktober 1970 ausgefällte Strafe zu verbüssen.
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Am 27. September 1976 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich K. des gewerbsmässigen und des fortgesetzten Diebstahls, der fortgesetzten Sachbeschädigung und des fortgesetzten Hausfriedensbruchs, des wiederholten und des fortgesetzten Verweisungsbruchs usw. schuldig. Es verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und verwies ihn auf Lebenszeit des Landes. Von der erstandenen Untersuchungshaft rechnete es ihm 100 Tage an.
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Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt K. die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, soweit ihm nur 100 statt 202 Tage Untersuchungshaft angerechnet wurden.
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Die Staatsanwaltschaft, die vor Obergericht die Anrechnung der vollen Untersuchungshaft beantragt hatte, verzichtet auf Gegenbemerkungen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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a) Nach verfahrensrechtlich anerkannten Grundsätzen ist ein Beschuldigter nicht gehalten, Straftaten zu offenbaren, zu denen er nicht befragt wird; er darf sie deshalb verschweigen. Ebenso ist er nicht verpflichtet, die Untersuchung zu seinem Nachteil zu fördern oder zu erleichtern. Den Nachweis der Schuld zu erbringen, liegt von Gesetzes wegen bei den Behörden, die den Beschuldigten in keiner Weise zu einem Geständnis zwingen dürfen (vgl. Art. 41 Abs. 1 BStP, Art. 39 Abs. 5 VStrR). Er ist daher berechtigt, die Aussagen zu einer ihm vorgeworfenen Tat zu verweigern, um sich nicht selbst belasten zu müssen. Durch Ausübung des Schweigerechts wird die Untersuchung zwar nicht erleichtert, aber auch nicht erschwert. Das Verfahren hat in einem solchen Fall vielmehr seinen ordentlichen Gang zu nehmen wie dann, wenn der Beschuldigte unverschuldet abwesend wäre.
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b) Der Beschwerdeführer hat nicht nur die Aussage verweigert, sondern die Straftaten, solange sie ihm nicht nachgewiesen werden konnten, bestritten, sie also wider besseres Wissen geleugnet. Damit ist er zwar über die Verweigerung von Auskünften hinausgegangen. Einfache Bestreitungen haben jedoch auf den Gang und die Dauer des Verfahrens keine weitergehenden Auswirkungen als die Aussageverweigerung. Beschränkt sich der Beschuldigte darauf, die ihm vorgeworfenen Straftaten, die ihn belastenden Indizien oder die Glaubwürdigkeit der gesammelten Beweise zu bestreiten, um einer Verurteilung zu entgehen, so unterlässt er es, die gegen ihn vorhandenen belastenden Beweise zu bestärken, und versagt damit die Mitwirkung an seiner Überführung, zu der er nicht verpflichtet ist. Das Verfahren wird dadurch noch nicht erschwert oder verlängert, denn die Lügen des Beschuldigten schmälern nicht die Beweiskraft der gesammelten Beweise und haben nur zur Folge, dass das Verfahren ohne Geständnis des Beschuldigten abgeschlossen werden muss oder in Fällen, in denen der Schuldbeweis noch nicht vollständig erbracht ist, nicht verkürzt werden kann. Es ist infolgedessen gerechtfertigt, blosses Leugnen der erlaubten Aussageverweigerung gleichzustellen; es schliesst daher die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht aus.
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c) Anders verhält es sich, wenn die lügenhaften Bestreitungen nicht bloss Anlass geben, einen ohnehin ungenügenden Beweis zu ergänzen, sondern der Beschuldigte durch unwahre Behauptungen und Einwendungen die Behörden zu weiteren Untersuchungshandlungen nötigt, durch die das Verfahren über die Dauer hinaus verlängert wird, die nötig gewesen wäre, um den Beschuldigten ohne seine geständige Mithilfe der Schuld zu überführen. In diesem Falle verursacht er schuldhaft eine Verlängerung des Verfahrens im Sinne des Art. 69 StGB, so dass ihm diese Haftzeit nicht anzurechnen ist.
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Gleiches gilt auch, wenn ein Beschuldigter sein Verteidigungsrecht offensichtlich dazu missbraucht, einen sachfremden Zweck zu erreichen. Das trifft beispielsweise zu, wenn er bewusst darauf ausgeht, die Untersuchungshaft zu verlängern, um dadurch den Strafvollzug entsprechend zu verkürzen (DUBS, ZStR 76 S. 193 f.).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. September 1976 hinsichtlich der Anrechnung der Untersuchungshaft aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen mit der Weisung, dem Beschwerdeführer 202 Tage Untersuchungshaft auf die Strafe anzurechnen.
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