5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Februar 1977 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
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Regeste
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Art. 140 Ziff. 2 StGB.
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Sachverhalt
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Die A. AG gründete zusammen mit einer andern juristischen Person in den Jahren 1959 bis 1961 sieben sog. A.-Anlagefonds. Die A. AG war als "Treuhänderin" (Depotbank im Sinne des späteren BG über Anlagefonds) tätig. Zur sog. A.-Gruppe gehörten u.a. die im Oktober 1957 gegründete I. AG, sowie die im Mai 1961 gegründete Bank A. AG. Die 7 A.-Anlagefonds hatten ihre flüssigen finanziellen Mittel in der A.-Gruppe stehen lassen. Dadurch wurde es dieser ermöglicht, mit dem Fremdgeld zu günstigen Bedingungen arbeiten zu können. Ihre Liquiditätsklemme, verursacht durch eine schlechte Entwicklung der Börsenlage, führte dazu, dass diese "flüssigen Mittel" der 7 A.-Fonds im Interesse der A.-Gruppe zweckwidrig verwendet wurden.
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X. trat 1955 als Buchhalter in die A. AG ein und erhielt im Januar 1956 die Prokura. Im Oktober 1961 wurde er zum Vizedirektor und im September 1964 zum Direktor ernannt. Ausser diesen Funktionen übte X. ab September 1961 in der Bank A. AG die Tätigkeit eines Sekretärs des Verwaltungsrates aus.
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Das Strafgericht Basel-Stadt sprach X. am 7. März 1975 u.a. der qualifizierten Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten zehnmonatigen Gefängnisstrafe. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt setzte die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herab.
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X. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe.
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Aus den Erwägungen:
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X. wurde wegen qualifizierter Veruntreuung verurteilt mit der Begründung, er habe die Tat bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes begangen, zu der er durch eine Behörde ermächtigt worden sei. X. bestreitet diese Subsumption im wesentlichen mit der Begründung, das zur Zeit der Tat (1966) geltende Bankengesetz von 1934 habe noch keinerlei Bewilligung oder Ermächtigung für die Ausübung des Bankgewerbes vorgesehen und das baselstädtische Börsengesetz in § 1 Abs. 2 den Wechsel nicht als Wertpapier gelten lassen. Unbestritten ist, dass die A. AG zur Zeit der Tat dem Bankengesetz unterstellt war.
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In der Fassung vom 8. November 1934 (BS 10 S. 337 ff.) sah das Bankengesetz - im Gegensatz zum revidierten Gesetz vom 11. März 1971 (AS 1971 S. 808, SR 932.0) - nicht ausdrücklich eine Bewilligungspflicht für Banken vor. Doch lautete Art. 3 Abs. 3 jenes Gesetzes in der ursprünglichen Fassung wie folgt:
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"Bei der Gründung einer Bank oder der nachträglichen Umwandlung eines Unternehmens in eine Bank sind die Gesellschaftsverträge, Statuten und Reglemente der Bankenkommission einzureichen. Bevor die Bankenkommission festgestellt hat, dass die Bedingungen von Abs. 1 und 2 erfüllt sind, darf die Bank weder ihre Tätigkeit aufnehmen noch ins Handelsregister eingetragen werden."
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Entsprechend hatte die Bankenkommission, wenn sie feststellte, dass diese Bedingungen über die Organisation erfüllt waren, "darüber eine Bescheinigung auszustellen, damit die Firma ihre Tätigkeit als Bank aufnehmen und der Eintrag ins Handelsregister vorgenommen werden kann..." (damalige Vollziehungsverordnung vom 26. Februar 1935, BS 10 S. 359). Erst mit dieser Bescheinigung hatte also die A. AG die amtliche Erlaubnis, das Bankgewerbe zu betreiben, und war sie damit zu dessen Ausübung im Sinne des Art. 140 Ziff. 2 StGB "durch eine Behörde ermächtigt".
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Die Regelungen über die staatlichen Berufsbewilligungen sind in zahlreichen Erlassen des Bundes und der Kantone zerstreut. Die Methoden und Formen, mit welchen die Berufsbewilligungen erteilt werden, sind ebenso vielfältig wie die Instanzen, welche sie zu erteilen haben. Daraus folgt, dass der Begriff der behördlichen Ermächtigung nicht eng und in einem bestimmten juristisch-technischen Sinne verstanden werden soll. Entscheidend ist, ob die Erlaubnis, einen Beruf, ein Gewerbe usw. auszuüben, der amtlichen oder staatlichen Bewilligung bedarf. Art. 54 StGB, welcher das Berufsverbot umschreibt, spricht denn auch von einer "behördlichen Bewilligung". Der Grund des höhern Strafschutzes liegt darin, dass der Staat mit der Erteilung einer solchen Bewilligung das Zutrauen der Öffentlichkeit in Personen, die einen solchen Beruf oder ein derartiges Gewerbe oder Handelsgeschäft betreiben, erhöht (Sten.Bull., NR 11.12.1928, Bundesrat HÄBERLIN, Sep. Ausg. S. 199; StR 16.6.1931, Berichterstatter BAUMANN, Sep. Ausg. S. 113). Das trifft auch für die genannte Feststellung und Bescheinigung der Eidg. Bankenkommission zu. Denn erst mit dieser erhält die Bank die amtliche Erlaubnis und Bewilligung, die Geschäftstätigkeit aufzunehmen. Durch die Bewilligung sind die Banken auch der besondern Bankengesetzgebung, einer besondern Bankenrevision und der Aufsicht der Eidg. Bankenkommission unterstellt, was ihnen in der Öffentlichkeit besonderes Vertrauen verschafft.
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Der blosse Umstand, dass das Gesetz von 1934 das Wort "Ermächtigung" oder "Bewilligung" nicht verwendet, kann nicht dazu führen, die unter der Herrschaft der ursprünglichen Gesetzgebung entstandenen Banken anders zu behandeln als jene, die nach Inkrafttreten des revidierten Gesetzes vom 11. März 1971 eine "Bewilligung zum Geschäftsbetrieb" (zweiter Abschnitt, Art. 3-3ter) erhalten haben. Ob die Bankenkommission feststellt, dass ein Finanzbetrieb die gewerbepolizeilichen Bedingungen erfüllt und er damit von Gesetzes wegen die Bewilligung oder Ermächtigung erhält, den Betrieb aufzunehmen, oder ob die Bankenkommission, wenn sie festgestellt hat, dass die Bank die Bedingungen erfüllt, dies im Entscheid festhält und gleichzeitig die Bewilligung pflichtgemäss erteilen muss und erteilt, macht keinen Unterschied, der für die Anwendung von Art. 140 Ziff. 2 StGB (und des Art. 54 StGB) ins Gewicht fallen kann. Dies umso weniger, als die Schlussbestimmung II Abs. 1 der Änderung des Bankengesetzes vom 11. März 1971 (SR 952.0) bestimmt, dass Banken und Finanzgesellschaften, die vor Inkrafttreten des revidierten Gesetzes begründet worden sind, "keine neue Bewilligung" zum Geschäftsbetrieb einzuholen brauchen, die unter der Herrschaft des alten Gesetzes ergangene "Feststellung" und "Bescheinigung" somit ebenfalls als "Bewilligung" angesehen wird. Diese war seinerzeit auch von der Eidg. Bankenkommission zu erteilen. Es wäre auch nicht zu rechtfertigen, Bankorgane Art. 140 Ziff. 2 (und Art. 54) StGB zu unterwerfen oder nicht, je nachdem, ob die betreffende Bank vor oder nach Inkrafttreten des revidierten Bankengesetzes gegründet wurde. Der blosse Umstand, dass formal die Bewilligung zunächst an die Feststellung der Bewilligungsvoraussetzungen, dann an die Bewilligungsverfügung selber geknüpft wurde, rechtfertigt keinen solchen Unterschied. Auch der weitere Umstand, dass nach dem revidierten Gesetz (Art. 3 Abs. 2 lit. c) die mit der Verwaltung und der Geschäftsführung der Bank betrauten Personen gewisse Voraussetzungen erfüllen müssen, rechtfertigt keine andere strafrechtliche Behandlung. Denn bereits ohne diese weiteren Voraussetzungen verlieh die staatliche Bewilligung der Bank erhöhtes Vertrauen, dem der höhere Strafschutz entspricht.
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X. hat die Veruntreuung Ende 1966 als Direktor der A. AG begangen; er war somit strafrechtlich verantwortliches Organ dieser Gesellschaft. Als solches untersteht er der strengeren Strafdrohung der Ziff. 2 des Art. 140 StGB. Auch sind Wechselgeschäfte mit Einschluss der Wechseldiskontierung typische Bankgeschäfte, wie sich schon aus der Verordnung zum Bankengesetz (SR 952.02, Art. 16 Abs. 1 lit. Ia, b, 23 Ziff. 1.4 und Ziff. 2.10, 24, Ziff. 1.1, 1.2, Art. 25 Ziff. 1.2 und dem Anhang II zu dieser Verordnung) ergibt. X. ist demzufolge mit Recht der qualifizierten Veruntreuung schuldig befunden worden.
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