BGE 104 IV 3 |
2. Urteil des Kassationshofes vom 20. Januar 1978 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau |
Regeste |
Art. 59 Abs. 1, Satz 2, StGB. |
Sachverhalt |
A.- B. war Zustellbeamter beim Postbüro Sch. In der Zeit vom 24. Mai bis 3. September 1975 nahm er 18 bis 30 an den Kontoinhaber A. gerichtete Briefpostsendungen des Postcheckamtes A. an sich und übergab sie mit den darin enthaltenen Lastschriftzetteln, Standmeldungen und möglicherweise auch den Girozetteln dem nichtberechtigten Sohn des Kontoinhabers. B. wusste, dass der Sohn zum Zweck rechtswidriger Barbezüge die Unterschrift seines Vaters auf dem Postcheck zu fälschen pflegte. Die Sendungen enthielten in 18 Fällen Lastschriftzettel für rechtswidrige Barbezüge im Gesamtbetrag von Fr. 65 700.-. B. erhielt vom Sohn eine Belohnung von mindestens Fr. 2000.-.
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B.- Das Bezirksgericht Brugg verurteilte B. am 19. April 1977 wegen fortgesetzter Unterdrückung von Urkunden, fortgesetzter passiver Bestechung und fortgesetzter Verletzung des Postgeheimnisses und der Beförderungspflicht zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von sechs Monaten und "gestützt auf Art. 59 StGB" zur Bezahlung von Fr. 2000.- an die Gerichtskasse zu Handen des Staates.
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Das Obergericht des Kantons Aargau wies eine einzig gegen den letzten Punkt des erstinstanzlichen Urteils eingereichte Berufung des B. am 8. September 1977 ab.
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C.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Aufhebung des Verfalls der Zuwendung von Fr. 2000.- an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
Die im zweiten Satz dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung des Empfängers zum Wertersatz hat der Kassationshof in BGE 79 IV 114 davon abhängig gemacht, dass zur Zeit des Urteils der Verpflichtete noch Vermögen besitze. Art. 59 Abs. 1, Satz 2, StGB wolle lediglich um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen verhindern, dass der Täter im Besitz von Vorteilen bleibe, die er durch seine strafbare Handlung erlangt habe. Habe er kein Vermögen mehr, um den Ausgleich zu schaffen, so bleibe für die Anwendung dieses ethischen Grundsatzes kein Raum.
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Die vom Schrifttum dieser Auffassung gegenüber geäusserte Kritik (SCHULTZ, ZBJV 102 (1966), S. 388 oben, 108 (1972), S. 343; derselbe, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechtes, 2. Aufl. II, S. 168) rechtfertigt eine eingehende Überprüfung der angeführten Rechtsprechung.
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2. Nach dem Wortlaut des Gesetzes "schuldet" der Empfänger dem Staat den "Wert" der Zuwendungen oder Geschenke, wenn diese selber nicht mehr vorhanden sind. Das heisst mit anderen Worten, dass der Staat diesfalls gegenüber dem Empfänger eine Ersatzforderung in Höhe des Wertes der ursprünglichen Zuwendung hat. Dass diese Forderung indessen nur solange Bestand habe, als der Schuldner noch Vermögen besitzt, sagt das Gesetz mit keinem Wort, noch ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung oder ihrem Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften des StGB zwingend etwas anderes. Der Umstand, dass anlässlich der letzten Revision des StGB die Verweisung in Absatz 2 des Art. 59 StGB auf den Art. 58bis beschränkt und Art. 58 Abs. 4 StGB nicht einbezogen wurde, führt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Fehlen einer entsprechenden Verweisung erklärt sich ohne weiteres daraus, dass zur Zeit, als Art. 58 Abs. 4 ins StGB aufgenommen wurde, die Frage des Ersatzanspruchs des Staates bezüglich Geschenke und Zuwendungen in Art. 59 Abs. 1, Satz 2, StGB bereits geregelt war und deswegen kein Anlass bestand, in Absatz 2 auch auf Art. 58 Abs. 4 StGB zu verweisen. Dieser Umstand erweist aber auch die Annahme als unwahrscheinlich, der Gesetzgeber habe im Anschluss an einen damals ungefähr 20 Jahre zurückliegenden Entscheid (BGE 79 IV 114) zu Art. 59 Abs. 1 StGB die Frage nach der Ersatzforderung des Staates bei fehlendem Vermögen des Pflichtigen mit Art. 58 Abs. 4 StGB bewusst abweichend regeln wollen. Tatsächlich enthalten die Materialien keinen in diese Richtung weisenden Anhalt. Selbst wenn dem übrigens anders wäre, so verböte das nicht, jene Praxis zu Art. 59 Abs. 1 StGB einer neuen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls abzuändern, sofern eine andere als die bisherige Lösung Sinn und Zweck der Vorschrift besser entsprechen sollte.
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Diesbezüglich ist festzustellen, dass die ratio legis den in BGE 79 IV 114 gezogenen Schluss keineswegs aufdrängt. Wohl gilt weiterhin, dass Art. 59 verhindern will, dass der Empfänger der Zuwendung im Genuss des dank seiner strafbaren Handlung erlangten Vorteils bleibe, denn es wäre unvernünftig, ihn zwar für sein Verhalten zu bestrafen, die Folgen desselben jedoch zu seinem Vorteil fortbestehen zu lassen (BGE 71 IV 148). Wie durch Art. 58 StGB, so soll auch durch die Vorschrift des Art. 59 Abs. 1 StGB vermieden werden, dass sich strafbares Verhalten lohnt (s. BGE 100 IV 104). Um dieses Ziel zu erreichen, muss jedoch die Ersatzforderung des Staates selbst dann Bestand haben, wenn der Empfänger der Zuwendung kein Vermögen mehr besitzt. Das erscheint auch deswegen folgerichtig, weil sich die Zuwendung nicht nur in einer Vermehrung von Aktiven, sondern auch in einer Verringerung von Passiven auswirken kann. Sodann ist nicht zu übersehen, dass der Tatbestand des Verfalls von Zuwendungen und Geschenken gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB von demjenigen der ungerechtfertigten Bereicherung nach Art. 62 OR grundsätzlich verschieden ist. Es geht hier nicht um die Rückerstattung einer ohne Rechtsgrund aus dem Vermögen eines andern erlangten Berreicherung, sondern um den aus Gründen der öffentlichen Ordnung angeordneten Verfall von Vorteilen an den Staat, die der Empfänger im Hinblick auf oder als Entgelt für ein strafbares Tun erhalten hat und die nicht an den Leistenden zurückgehen sollen (HAFTER, Allgemeiner Teil, S. 420). Dabei entsteht der Anspruch des Staates von Gesetzes wegen mit dem Augenblick, in welchem der Betroffene die Zuwendung erhält, er in deren Genuss gelangt. Was in der Folge mit der Zuwendung geschieht, ob sie verbraucht wird oder nicht, ändert an der Existenz des staatlichen Anspruches grundsätzlich nichts. Dieser kann sich einzig in dem Sinne wandeln, dass bei Verbrauch der Zuwendung das ursprünglich auf Verfall derselben angelegte Recht zu einer Ersatzforderung auf deren ursprünglichen Wert wird (vgl. BGE 93 I 385). Schliesslich ist eine solche Ordnung im Rahmen des Art. 59 StGB auch deswegen sinnvoll, weil dadurch vermieden wird, dass derjenige, der die Zuwendung sogleich verbraucht, um dem Zugriff des Staates zuvorzukommen, besser gestellt sei als derjenige, der zur Zeit des Urteils noch im Besitz des verpönten Vorteils ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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