BGE 105 IV 225
 
59. Urteil des Kassationshofes vom 12. Oktober 1979 i.S. E. gegen Polizeiinspektorat Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
Regeste
1. Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 und 63 StGB. Berücksichtigung ausländischer Vorstrafen (E. 2).
 
Sachverhalt
A.- Der in Lörrach wohnhafte deutsche Staatsangehörige E. begab sich am Morgen des 2. Mai 1978, nachdem er erheblich Alkohol getrunken hatte, nach Basel, wo er auf einer kurzen Strecke einen Personenwagen führte. Die Blutprobe ergab einen Blutalkoholwert von 1,8 0/00. Ausserdem besass E. keinen Führerausweis, weil ihm die Fahrerlaubnis durch Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 9. Februar 1978 für 13 Monate entzogen worden war.
B.- Gegen den Strafbefehl vom 9. Oktober 1978, mit dem der Polizeigerichtspräsident von Basel-Stadt gegen den Verzeigten wegen Widerhandlung gegen Art. 91 Abs. 1 und Art. 95 Ziff. 2 SVG 30 Tage Gefängnis und eine Busse von Fr. 400.- ausfällte, erhob E. Einsprache. Am 14. November 1978 wurde er wegen des gleichen Sachverhalts vom Amtsgericht Lörrach zu einer Freiheitsstrafe vom 4 Monaten mit Bewährung und zu einer Geldbusse von DM 3'000.- verurteilt.
C.- Der Polizeigerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt sprach darauf E. mit Urteil vom 2. März 1979 erneut des Fahrens in angetrunkenem Zustand und des Fahrens trotz Entzug des Führerausweises schuldig, rechnete ihm aber gemäss Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB die vom Amtsgericht Lörrach ausgesprochene Geldbusse vom DM 3'000.- an und verurteilte ihn anstelle der als angemessen erachteten Strafe von 30 Tagen Gefängnis und Fr. 400.- Busse zu einer Reststrafe von 14 Tagen Gefängnis.
Der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt betätigte am 30. Mai 1979 das Urteil des Polizeigerichtspräsidenten.
D.- E. führt gegen den Entscheid des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss die Aufhebung des Urteils.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Rüge geht fehl. Im Ausland begangene Straftaten und dort verbüsste Strafen bilden ebenso wie im Inland erlittene Vorstrafen Bestandteil des Vorlebens des Täters, das nach Art. 63 StGB für die Bemessung der Strafe und gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB für die Stellung der Prognose von Bedeutung ist. Dass das StGB ausländische Vorstrafen berücksichtigt wissen will, ergibt sich auch aus der Vorschrift des Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 StGB, die ausländische Urteile und folglich im Ausland verbüsste Strafen den schweizerischen gleichstellt, wenn sie den Grundsätzen des Schweizerischen Rechts nicht widersprechen. Das Vorgehen der Basler Gerichte verletzt daher keine Bestimmung des StGB.
Der Einwand ist nicht begründet. Da jeder Staat den Geltungsbereich seines Strafgesetzes und den Umfang seiner Gerichtsbarkeit selber bestimmt, kommt es immer wieder vor, dass zwei Staaten die Gerichtsbarkeit für den gleichen Sachverhalt in Anspruch nehmen. Das trifft immer dann zu, wenn ausser dem Staat des Begehungsortes, der nach dem allgemein anerkannten Territorialprinzip in erster Linie die Beurteilungskompetenz beansprucht, noch ein weiterer Staat aufgrund eines andern Anknüpfungsmomentes sich zur Ahndung des Deliktes als zuständig erachtet. Das Völkerrecht kennt keinen Grundsatz, der die Beurteilung ein und derselben Tat durch die Strafbehörden zweier Staaten verbieten würde; es schliesst also eine Kumulation der strafrechtlichen Zuständigkeit nicht aus. Eine ungerechte Häufung von Strafen suchen die nationalen Gesetze durch bestimmte Regeln zu vermeiden (so durch das Anrechnungsprinzip oder durch das Erledigungsprinzip).
Polizeigerichtspräsident und Appellationsgericht haben deshalb weder Bundesrecht verletzt, noch gegen ein anerkanntes völkerrechtliches Prinzip verstossen, wenn sie sich zur Beurteilung der vom Beschwerdeführer in Basel begangenen Tat für zuständig betrachteten.
a) Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schreibt vor, dass eine Strafe, die der Täter im Ausland wegen einer in der Schweiz verübten Tat ganz oder teilweise verbüsst hat, auf die vom schweizerischen Richter auszufällende Strafe anzurechnen ist. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ist die Anrechnung ausländischer Strafen nur vorzunehmen, wenn und soweit sie tatsächlich verbüsst worden sind. Verbüssung einer Freiheitsstrafe ist gleichbedeutend mit Vollstreckung im Strafvollzug. Solange eine bedingt aufgeschobene Strafe nicht vollzogen wird, ist sie weder ganz noch teilweise verbüsst. Die in Deutschland verhängte viermonatige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt und bis heute nicht vollzogen wurde, ist daher zu Recht nicht angerechnet worden. Auch das deutsche Recht sieht die Anrechnung einer für dieselbe Tat ausgefüllten ausländischen Strafe nur vor, soweit sie bereits vollstreckt ist (§ 51 Abs. 3 StGB); eine zur Bewährung ausgesetzte oder erlassene Strafe gilt nicht als vollstreckt und wird nicht angerechnet (SCHÖNKE/SCHRÖDER, 18. Aufl., N 31 zu § 51 StGB).
b) Anzurechnen ist hingegen die in Monatsraten zahlbare Geldbusse vom DM 3'000.-, soweit sie bis zum Sachurteil bezahlt war. Der Polizeigerichtspräsident hat die ganze Busse, auch den noch nicht bezahlten Teil, angerechnet, und zwar in der Weise, dass er die nach Art. 95 Ziff. 2 SVG auszufällende Busse von Fr. 400.- als getilgt betrachtete und für den Rest der Busse die vorgesehene Gefängnisstrafe von 30 Tagen auf 14 Tage herabsetzte.
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bestimmt die Durchführung der Anrechnung nicht näher und sagt insbesondere nicht, in welcher Art und Weise eine Geldbusse auf eine Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Die in Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 StGB für die Umwandlung einer Busse in Haft vorgesehene Regelung ist hier nicht unmittelbar anwendbar, da Haft nicht Gefängnis gleichgestellt ist und die deutsche Geldstrafe zudem lediglich das Fahren ohne Führerausweis abzugelten hat, nicht das Fahren in Angetrunkenheit, wofür eine Freiheitsstrafe mit Bewährung verhängt wurde. Die Anrechnung einer ungleichwertigen Strafe ist mangels einer gesetzlichen Ordnung nach richterlichem Ermessen vorzunehmen (THORMANN/OVERBECK, N 5 zu Art. 3 StGB; LOGOZ, N 2 zu Art. 3 StGB). Das deutsche Recht stellt die Berücksichtigung ausländischer Strafen allgemein, ohne Rücksicht auf die sich einander gegenüberstehenden Strafarten, in das Ermessen des Gerichts (§ 51 Abs. 4 StGB). Wenn im vorliegenden Fall die Basler Gerichte fanden, die restliche Geldbusse könne nicht mehr als rund die Hälfte der Schweizerischen Gefängnisstrafe aufwiegen, so haben sie damit das ihnen zustehende Ermessen nicht überschritten und Bundesrecht nicht verletzt. Was schliesslich die Ablehnung des bedingten Strafvollzuges anbelangt, so ist angesichts der Tatumstände, des Vorlebens und der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, insbesondere seiner 1975 erfolgten Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand, auch diese Entscheidung nicht bundesrechtswidrig.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.